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Christian Reinhardt: Mesut Özils Körpersprache

Es ist keine einfache Zeit für Mesut Özil. Spätestens seit dem vergebenen Elfmeter im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League im Trikot von Arsenal London gegen Bayern München wird er deutlich, allen voran von Seiten der englischen Medien, kritisiert. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft steht er nach durchwachsenen Auftritten, so auch im Achtelfinale gegen Algerien, von Fans und Journalisten quasi noch „unter Beobachtung“. Die Kritik an Özil fokussiert sich dabei vor allem auf seine Körpersprache. Häufig lässt er die Schultern hängen, senkt den Kopf und Blickt auf den Boden. Im Ergebnis wirkt er unsicher, lust- und teilnahmslos.  

In einem Interview in der Süddeutschen Zeitung kündigte Özil an, dass er seine Körpersprache verändern will. Im Gespräch führt er aus, dass er Perfektionist sei und sich eben über jedes schief gegangene Detail ärgere – und dies trotz des Wissens, dass ihm ein solches Verhalten eigene Stärke nimmt. Hilfe von außen lehnt er ab. Er rede darüber nur mit den Trainern, sagte Özil, und sehe auf Bildern ja selbst, wie er wirke.

Zum Thema: Wieso ist die Körpersprache im Fußball so entscheidend? 

Unsere Körpersprache berichtet der Außenwelt konstant und zuverlässig von unserem Innenleben. Ohne diese nonverbale Kommunikation wären unsere täglichen sozialen Beziehungen nicht möglich. Grundsätzlich ist die Körpersprache also eine wichtig menschliche Verständigungsmöglichkeit. In einer Wettbewerbssituation ist es allerdings nicht immer vorteilhaft, sein psychisches Erleben offen nach außen zu kehren. Zwischen dem psychischen Erleben von Personen besteht immer eine Wechselwirkung. Zeige ich durch meine Körpersprache, dass ich ängstlich bin, wird mein Gegner sehr wahrscheinlich sicherer und umgekehrt. Diese Wirkung beschränkt sich jedoch nicht nur auf den Konkurrenten. Auch die Mitspieler werden die körperlichen Signale Özils wahrnehmen. Ähnlich ergeht es den Fans, die ihren einstigen Liebling daher nach den Testspielen gegen Chile und Kamerun auspfiffen.

Wie eine aktuelle Studie aus dem Fußball (Furley, Dicks & Memmert, 2012) zeigt, verursacht ein sicheres, dominantes Auftreten ein unsicheres, unterwürfiges Erleben beim Gegenüber. Die Forscher  konnten zeigen, dass die Erfolgserwartung bei Torhütern deutlich sank, wenn sie einem dominant auftretenden Elfmeterschützen gegenüberstanden, da sie dessen Qualität höher als bei einem unterwürfigen Schützen einschätzten. Die Dominanz bewirkt eine Einschüchterung, so dass der Torwart seine Leistung nicht voll abrufen kann und ihre niedrigere Erfolgserwartung zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung wurde. Dominanz wurde übrigens durch eine herausgestreckte Brust, einen breitbeinigen Stand und einen erhobenen Kopf dargestellt, während unterwürfige Spieler durch  einen gesenkten Kopf und hängende Schultern simuliert wurden. Eben jene Körpersprache, die Mesut Özil in letzter Zeit vorgeworfen wurde. Dieser Effekt in der Elfmetersituation ist auf jede beliebige Spielsituation übertragbar.

Amerikanisches Sprichwort: „Fake it till you make it“

Es ist daher für einen Leistungssportler eine wichtige Fähigkeit, seine Körpersprache zu beherrschen. Aber: Niemand kann immer sicher und selbstbewusst sein. Man kann jedoch immer so wirken, was letztlich oft den gleichen Effekt hat. Im amerikanischen Raum gibt es in diesem Zusammenhang das Sprichwort „Fake it till you make it“. Das körperlich vorgetäuschte Selbstbewusstsein hat neben der angesprochenen Wirkung auf andere nämlich noch einen weiteren Effekt: wie bereits erwähnt bildet die Körpersprache das psychische Erleben ab. Wenn man nun die Körpersprache verändert, beeinflusst das umgekehrt auch das Innenleben.

Das ist allerdings sehr viel einfacher gesagt als getan. Unsere Körpersprache ist uns meist nicht bewusst. Jeder kennt den Moment, in dem man sich unerwartet im Spiegel oder z.B. einem Schaufenster sieht. Nach einer kurzen Schrecksekunde richten wir uns auf, heben den Blick und schieben die Brust raus, um unmittelbar nach dem Abwenden von unserem Konterfei wieder in die Ausgangshaltung zu verfallen. Um die Körpersprache zu steuern, müssen wir sie uns bewusst machen, also Aufmerksamkeitskapazitäten frei räumen. Das ist wiederum sehr problematisch in Sportarten, die die mentalen Kapazitäten voll in Anspruch nehmen. Der Schlüssel besteht daher darin, die positive Körpersprache zu trainieren (im Training, im Alltag, in Spielsituationen etc.). Es empfiehlt sich, ein Bild für das eigene selbstbewusste Auftreten zu entwickeln und es mit einem Codewort zu versehen („Maschine“, „Power“…). Dieses Bild kann auch in der Mannschaft besprochen werden, so dass sich die Spieler gegenseitig coachen können. Das permanente Training führt dazu, dass sich stabile Handlungsroutinen bilden, die im Spiel automatisch abgerufen werden können.

Zur Unterstützung der non-verbalen Kommunikation ist die verbale Kommunikation sinnvoll. Eine weitere Möglichkeit für Özil besteht daher darin, auf dem Platz mehr zu dirigieren. Wenn man in einem vollen WM-Stadion einem Mitspieler eine Anweisung zurufen will, nimmt man automatisch eine aufrechtere Haltung ein (tief Luft holen, Platz für das Zwerchfell). Gleichzeitig ist man voll auf das Spielgeschehen fokussiert und so von störenden Gedanken (z.B. Selbstzweifeln) abgelenkt, die ggf. die Körpersprache negativ beeinflussen.

Langwierige Aufgabe für Özil

Helfen könnte Özil natürlich, dass er gegen Algerien den letztlich entscheidenden Treffer erzielte. Dennoch verfiel er auch im Achtelfinale immer wieder in das kritisierte Muster, so beispielsweise direkt vor André Schürrles wegweisendem 1:0. Özil ging weit in der algerischen Hälfte sichtlich halbherzig in einen Defensiv-Zweikampf und wurde, nachdem der Ball wenige Meter hinter ihm gewonnen wurde, von mehreren Mitspielern im Angriffswirbel übersprintet.

Özil steht also, wenn er seine Defizite an der Körpersprache tatsächlich beheben will, vor einer Aufgabe, die über diese Weltmeisterschaft hinausgeht. Die Zielstellung lautet dann Selbstbewusstsein: Denn wer tatsächlich selbstbewusst ist, muss seine Körpersprache (fast) nicht steuern.

 

Literatur:

Furley, P., Dicks, M. & Memmert, D. (2012). Nonverbal Behavior in Soccer: The influence of Dominant and Submissive Body Language on the Impression Formation and Expectancy of Success of Soccer Players. Journal of Sport & Exercise Psychology, 34, 61-82.

 

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Ruud Vreuls: Hero oder Zero im Elfmeterschießen?

Die ersten Achtelfinal-Begegnungen sind bei der Fußball-WM gespielt und bereits das erste Spiel Brasilien gegen Chile bot pures Drama. Der Gastgeber Brasilien setzte sich mit viel Glück gegen die Elf aus Chile durch, dies allerdings erst nach Elfmeterschießen. Der entscheidende Elfmeter wurde durch den Chilenen Jara nicht verwandelt, damit zog Brasilien ins Viertelfinale ein.

Zum Thema: Ist das Elfmeterschießen trainierbar?

Manche Fußball-Experten behaupten immer noch, dass Elfmeterschießen nur eine reine Glückssache sei und nichts mit fußballerischen Fähigkeiten zu tun habe. Allerdings steht fest, dass derjenige, der Weltmeister werden will, auch solche speziellen Situationen meistern können muss. Durch die gesammelten Daten von mehreren Jahrzehnten „Fußballforschung“ sind wird in der Lage, zu definieren, wo genau ein Ball für den Torwart unhaltbar ist. Trotz dieses theoretischen Wissens gelang es dem Chilenen Jara nicht, den Ball zu verwandeln – ganz im Gegenteil zu Klaas-Jan Huntelaar, der während seines Elfmeters in der Nachspielzeit des Achtelfinals gegen Mexiko mit seinem Tor die Niederlande ins Viertelfinale gebracht hat.

Enormer Druck 

Für beide Spieler war der Druck in der jeweiligen Elfmetersituation enorm. Was entscheidet nun aber, ob man ein Hero und somit der Star seiner Mannschaft wird oder derjenige, der quasi Schuld an der Niederlage hat und damit zum Zero wird? Wie schon im Leitartikel über Elfmeter von Nils Gatzmaga, Link zum Die-Sportpsychologen-Leitartikel, ausführlich beschrieben wurde, ist ein Elfmeter mental trainierbar. Genau wie im Training Freistöße geübt, sollten auch Elfmeter trainiert werden – und dies am besten in Situationen, in denen Druck kreiert wird.  Sehr aktuell ist in diesem Fall dann auch die Situation der Engländer, die allein für das Elfmeterschießen einen Sportpsychologen verpflichtet haben, um dies nicht nur körperlich, sondern vor allem auch mental zu trainieren. Weiterhin beschreibt Gatzmaga, dass ein Elfmeter mit Glück nichts zu tun hat. Eine solche Situation sollte eher als Routine gesehen, statt als Druck bewertet werden, damit die blockierenden Gedanken auf das Ergebnis so wenig Einfluss wie möglich haben.

Spannung pur

Gleich nach dem verschossenen Elfmeter von Jara war im WM-Achtelfinale zu sehen, in welchen unterschiedlichen Welten der Chilene und der brasilianische Superstar Neymar sich in diesem Moment befanden. Beide hatten mit Emotionen zu kämpfen, allerdings war Neymar nach seinem erfolgreichen Elfmeter im Gegensatz zu Jara überglücklich. Deutlich war zu sehen, dass auch der Star von Brasilien seine Emotionen nicht mehr kontrollieren konnte.

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Diese Spannung, die selbst daheim vor dem Fernseher spürbar war, hat nicht nur Einfluss auf den Körper, sondern auch auf die Psyche. Neymar war nicht der einzige Brasilianer, der seinen Emotionen freien Lauf gelassen hat. Júlio César, genau dieser Torhüter der nach dem WM-Aus 2010 von der ganzen Nation als Zero bezeichnet wurde, ist jetzt Brasiliens Hero. In seinem Interview, während dessen er in seinem emotionalen Zustand deutlich Schwierigkeiten hatte zu reden, betonte er, dass er besonders nach all der Kritik an seiner Person nach 2010 froh sei, dass Brasilien weiter gekommen ist.

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Vor allem hoffe er, dass die Brasilianer ihn jetzt als Hero sehen und nicht mehr als Zero. Leider wird jetzt der Chilene Jara erst einmal mit diesem Status leben müssen. Ob man letztendlich durch einen Elfmeter zum Hero oder Zero wird, hat also nichts mit Glück zu tun, sondern dem Ausmaß in dem man körperlich, aber auch mental auf diese vorbereitet ist.

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Philippe Müller: Mental erholt in der K.O-Runde

Die Fußball-WM in Brasilien verlangt von den Spielern alles ab. Die Anfahrtswege sind lang, die klimatischen Verhältnisse schwierig und das fußballerische Niveau sehr hoch. Nach den Strapazen der Gruppenspiele heißt es für die sechzehn verbliebenen Mannschaften, sich schnellst möglich zu regenerieren.

Zum Thema: Wie wichtig ist die mentale Regeneration?

Der Energieverbrauch unter den außergewöhnlichen klimatischen Bedingungen ist hoch. Die Spiele werden intensiv geführt. Körperliche Müdigkeitserscheinungen kommen zum Vorschein. An den spielfreien Tagen müssen die Leistungsreserven des Körpers wieder aufgeladen werden. Doch nicht nur die Physis, sondern auch die Psyche muss sich von den Belastungen erholen.

Die Anforderungen an einen Fußballspieler sind in den letzten Jahren gestiegen. Nebst der physischen und technischen Stärke muss ein Spieler die taktischen Vorgaben des Trainers umsetzen können. Mit Köpfchen spielen ist angesagt. In der Vorbereitung auf ein Spiel wird der Gegner bis ins kleinste Detail analysiert. Jeder Spieler bekommt seine Anweisungen, wie er zu agieren hat. Die taktischen Vorgaben müssen von ihm nicht nur aufgenommen werden, sondern er muss diese unter Druck im Spiel abrufen können. Zudem muss er Spielsituationen antizipieren, verarbeiten und passende Lösungen finden können. Der hohe Druck löst Emotionen aus, die auf dem Spielfeld kontrolliert werden müssen. Wie der bisherige Verlauf gezeigt hat, gelang dies nicht jedem Spieler.

Mentale Müdigkeit kann unterschiedliche Effekte haben. Ein müder Kopf kann zur Verlangsamung der Informationsverarbeitung, Reaktionsverzögerung, Motivationsverlust, emotionalem Kontrollverlust sowie Konzentrationsabfall führen. Um diesen negativen Erscheinungen entgegen zu wirken, ist die Regeneration von großer Bedeutung.

Die Psyche weist eine längere Erholungszeit auf als die Wiederherstellung der körperlichen Leistungsreserven. Dies erschwert die Planung für den Trainer. Damit die körperliche Leistungsfähigkeit nicht bereits wieder abnimmt, sollte das Training wieder aufgenommen werden, bevor die psychische Regeneration abgeschlossen ist. Je weiter die mentale Regeneration zu diesem Zeitpunkt fortgeschritten ist, desto besser. Es empfiehlt sich, die Erholungsphase aktiv durch geeignete psychologische Methoden zu unterstützen.

Von zentraler Bedeutung ist der Schlaf. Zu mancher Überraschung bedarf guter Schlaf einer guten Planung. Zum Beispiel hat die Regelmäßigkeit einen großen Einfluss auf die Schlafqualität. Auch die Aktivitäten – z.B. Essen, Fernsehen oder Barbesuch – vor dem Schlafengehen, tragen ihren Teil bei. Zudem kann die Regeneration durch Entspannungsverfahren unterstützt werden. Eine große Anzahl an Methoden stehen dabei zur Verfügung (z.B. progressive Muskelrelaxation, autogenes Training, Yoga, Qigong). Ein letzter wichtiger Punkt stellt die Zeit neben dem Fußball dar. Die Freizeit sollte ebenfalls zur Erholung beitragen. Den Kopf frei machen und einmal an etwas anderes als Fußball denken, steht im Vordergrund. Zum Beispiel ermöglicht der Austausch über soziale Medien den abgeschotteten Spielern mit der Außenwelt zu kommunizieren.

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Pasha Rozenberg: Die Sportpsychologie sichert das Betriebssystem des Sportlers

Pasha Rozenberg war einer der besten deutschen Wasserspringer. 2012 beendete er seine Karriere. Beginnend mit den Vorbereitungen zu den Olympischen Spielen 2008 in Peking wurde er als Mitglied der Olympia-Mannschaft von Prof. Dr. Oliver Stoll sportpsychologisch begleitet. Mittlerweile lebt und arbeitet Pasha Rozenberg in der Schweiz.

Für die-sportpsychologen.de berichtet:

Pasha Rozenberg

– Mehrfacher Deutscher Meister; 5. und 6. Platz bei den Olympischen Spielen in Beijing; Bronze Medaille Europameisterschaften 1m; Bronze Medaille Weltmeisterschaften 1m; Mehrfache Medaillen International Diving Grand Prix

 

Vor zwei Jahren habe ich mit dem Leistungssport aufgehört. Inzwischen bin ich 31 Jahre jung und habe davon 22 Jahre Wasserspringen betrieben.

Früher oder später erlebt jeder Sportler die Bedeutung des Wortes Psychologie im Zusammenhang mit der sportlichen Leistung, also die Sportpsychologie. In meinem Fall ist dies bereits im Alter zwischen 14 und 15 passiert. Mein Vater, der gleichzeitig mit Trainer war, hat mir vom Autogenen Training erzählt. Er zeigte mir dann einen Artikel, auf dessen Grundlage ich üben sollte. Ich habe dann versucht, die eine oder andere Technik des Autogenen Trainings anzuwenden, was mit relativ leicht gelangen. Sich zu entspannen, mal die Wärme von einer Extremität zur anderen wandern lassen, die Atmung „zu beobachten“, sich vorzustellen, wie eine Extremität schwerer wird als die andere und so weiter.

Leider wurde mir dies irgendwann langweilig und ich habe es sein lassen. Nichtsdestotrotz habe ich, ohne es wahrzunehmen, weiter die Elemente der Sportpsychologie im alltäglichen Training geübt und verbessert. So bin ich allein darauf gekommen, mit Schlüsselwörtern zu arbeiten. Die erwachsenen Sportler haben mir immer gesagt, ich solle mir vor dem Sprung, den Sprung im Kopf vorstellen – allerdings sagten sie mir nicht, wie ich das anstellen könne. Irgendwann war ich dann nicht nur in der Lage, mir den Sprung mental vorzustellen, sondern auch die Schwerkraft dabei zu fühlen. Die Vorstellungen waren so real, dass ich auch manchmal außerhalb des Schwimmbades trainieren konnte.

Kurze Kommandos

Nun zu den Schlüsselwörtern: Das waren gezielte und lautlose Kommandos zu mir selbst, quasi zur Beachtung der technischen Elementen des Sprunges. Mein Trainer hat mir immer wieder irgendwelche Fehler genannt. Aber die Sätze waren viel zu lang, um sie im Kopf während oder vor der Imitation mir selbst anzusagen, also habe ich die Anweisungen immer abgekürzt, bis aus einem Satz ein Wort geworden ist.  So wurde zum Beispiel aus dem Satz: „Während des Absprungs Arme schneller nach oben führen“ ein einfaches „Arme“.

Die Kommandos habe ich mir sowohl bei der mentalen Sprungvorstellung gegeben als auch im realen Sprung. Sie waren kurz und haben mich ganz genau daran erinnert und darauf hingewiesen, was ich machen sollte.  Das war so wie ein Step-by-Step-Ablauf, nach einer Bewegung folgt die andere, nach einem Kommando folgt das andere. Nichts ging durcheinander. Das hört sich zwar etwas komisch an, aber wenn die Bewegungsabläufe sehr komplex sind, ist es sehr wichtig, die bestimmte Reihenfolge zu beachten. Die Selbstinstruktionen haben mir dabei sehr geholfen.

Als Sportler habe ich bei den mentalen Imitationen und Vorstellungen immer aus der Perspektive der ersten Person gearbeitet. Es gibt auch sehr viele, die dies aus der Dritten Person tun. Ich kann nicht sagen, was mehr oder weniger effektiv ist – hier sollte jeder Sportler das bevorzugen, womit er sich wohler fühlt.

Hilfreiche Selbstgespräche

Zudem haben mir Selbstgespräche sehr geholfen. Wenn ich mir den Ablauf (sei es im Sportlerleben oder privat) einer Handlung logisch nachvollziehbar erklären konnte, hat es mir sehr viel innere Ruhe gegeben und ich konnte mich viel besser auf den Prozess fokussieren. Also Selbstinstruktionen/-gespräche habe ich intuitiv irgendwann im Trainingsprozess eingeführt und dann täglich benutzt. Besonders, wenn ich in schlechter Form war, musste ich die Instruktionen sehr präzise geben.

Es ist ziemlich offensichtlich, dass die Sportpsychologie in allen Belangen und in jedem einzelnen Detail ein sehr mächtiges und sogar notwendiges Werkzeug ist. Dazu kommt mir ein Vergleich in den Sinn: Ein PC kann einen aktuellen und schnellen Prozessor und einen riesigen Speicher haben. Aber wenn das Betriebssystem wacklig ist, können wir vom PC nicht profitieren. Wir würden also versuchen, ihn zu reparieren, ohne genau zu wissen, wo das ursächliche Problem liegt.

Die Sportpsychologie ist ein Werkzeug, dass das Betriebssystem einer Sportlers in einen optimalen und leistungsfähigen Zustand bringt. Dies ist auch dann der Fall, wenn ein Teil  des Mechanismus ausfällt. Aus meiner Sicht sollte ein Sportler sich sowohl physisch, technisch als auch mental (psychisch) entwickeln – je ausgewogener dieses Dreieck ist, desto großer sind am Ende die Siegchancen.

 

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Medien setzen auf die-sportpsychologen

In der begleitenden WM-Berichterstattung des MDR-Fernsehens spielen die-sportpsychologen eine tragende Rolle. In einem aktuellen Beitrag zum Thema “Lagerkoller” wurde Philippe Müller als Experte befragt. Damit nicht genug: Für die verbleibenden WM-Wochen sind noch mindestens zwei weitere Drehs mit Profilinhabern von die-sportpsychologen.de geplant.

Auch der Berliner Radiosender FluxFM hat nach der Sportpsychologie-Premiere weiter Bedarf an der sportpsychologischen Perspektive. Nach dem Christian Reinhardt und  Prof. Dr. Oliver Stoll kürzlich telefonisch interviewt worden ist, steht am Montag, den 30. Juni, ein Telefonat mit Ruud Vreuls auf dem Sendeplan des “FluxWM-Magazins – Runde Stunde spezial“. 

 

Zum MDR-Bericht: http://www.mdr.de/mediathek/fernsehen/video205372_zc-7931f8bf_zs-2d7967f4.html (Link ist bis 2. Juli 2014 aktiv)

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Katharina Petereit: Sabine Lisicki unter Tränen

Sabine Lisicki kehrt nach Wimbledon zurück. 2013 stand sie als erste Deutsche nach Steffi Graf im Finale eines der traditionsreichsten und bedeutungsvollsten Tennisturniere der Welt.  Sie verlor unter Tränen und voller Enttäuschung gegen die Französin Marion Bartoli mit 1:6 und 4:6. Ihre extrem emotionale Reaktion machte sie für viele Zuschauer menschlich. Aus sportpsychologischer Sicht ließ sich erkennen, dass sie nicht in der Lage war, ihre Emotionen zu kontrollieren.

Zum Thema: Einsatz von Atemtechniken zur Emotionsregulation

Sabine Lisicki zeigte sich 2013 auf ihrem Weg ins Finale sowohl physisch als auch psychisch überlegen. Doch der Showdown sollte anders verlaufen – die Nervosität und fortschreitende Enttäuschung lähmten ihre Fähigkeiten. Im Nachhinein bestätigte sie selbst, dass es ihr nicht mehr gelang, sich zu konzentrieren und sie mental völlig erschöpft gewesen sei. Mithilfe sportpsychologischer Techniken hätte sie sich auf ein solches Worst-Case Szenario vorbereiten können.

Tief durchatmen

Lisicki hat nach dem Finale beschrieben, dass sie irgendwie versucht habe, ihre Atmung zu beruhigen – was offenkundig nicht funktioniert hat.

Es gibt unterschiedliche Atemtechniken, die die Anspannung des Sportlers regulieren können. Hierbei geht es darum, mit einfachen Mitteln die Atmung zu entspannen, den Erregungszustand zu beruhigen und die damit einhergehenden negativen Emotionen zu verändern. Der emotionale Zustand und die Atmung beeinflussen sich gegenseitig. Negative Gefühle wie Angst, Zweifel, Bedrohung und Anspannung bewirken eine flache und schnelle Atmung. Bei positiven Emotionen wie Sicherheit, Entspannung und Zufriedenheit erfolgt die Atmung tief und langsam.

Wir können durch die bewusste Atmung unsere Gedanken steuern, indem wir die Aufmerksamkeit von negativen Ereignissen abwenden und uns voll und ganz auf das Ein- und Ausatmen konzentrieren. Bei der Atementspannung liegt der Fokus vor allem auf der Bauchatmung und der Ausatmungsphase. Das Ziel ist es, den zuvor gemessenen Puls zu beruhigen.

Vorteile der Atementspannung

Die Atementspannung wirkt sich auf den körperlichen, kognitiven und emotionalen Zustand des Sportlers aus. Eine tiefe und langsame Atmung ermöglicht eine größere Sauerstoffzufuhr, die Umbewertung der Situation und somit eine Regulierung der Emotionen und im Ergebnis eine verbesserte Konzentration. Atemübungen beinhalten keine komplexen Techniken, so dass sie leicht trainier- und durchführbar sind. Sie können demzufolge sowohl im Trainingsalltag, im Wettkampf und in Stresssituationen geübt und eingesetzt werden. Des Weiteren können sie zum Beispiel zur Entspannung in einer Halbzeit- oder Satzpause dienen, um daraufhin entweder weitere sportpsychologische Techniken durchzuführen oder die Instruktionen des Trainers konzentrierter aufnehmen zu können.

Ohne Frage sind Atemübungen nur ein Teil des psychologischen Trainings, sie können und sollten durch weitere Techniken ergänzt werden. Ich bin gespannt, wie Sabine Lisicki sich ab dem 23. Juni 2014 in Wimbledon schlagen wird und ob sie ihre Emotionen regulieren kann – auch wenn sie, ganz bewusst, keine sportpsychologische Betreuung nutzt…

 

Weiterführende Literatur:

Birrer, D., Morgan, G. & Ruchti, E. (2010). Psyche – Theoretische Grundlagen und praktische Beispiele. Magglingen: BASPO.

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Prof. Dr. Oliver Stoll: Cristiano Ronaldo – Gefangen im Perfektionismus?

Cristiano Ronaldo trägt den Titel Weltfußballer des Jahres. Ganz offiziell ist er also der aktuell beste Kicker aller Kontinente. Bei der in Brasilien stattfindenden Fußball-Weltmeisterschaft kämpft der Portugiese aber dennoch gegen das frühzeitige Ausscheiden – einmal mehr scheint der konstruierte Superstar-Avatar „CR7“ bei einem internationalen Turnier auf menschliches Niveau herabgestuft zu werden. Dies liegt sicher nicht vorrangig an ihm, vielmehr an seinen durchschnittlich begabten (siehe Hugo Almeida) und überdurchschnittlich undisziplinierten (siehe Pepe) Mitspielern.

In dieser Situation leidet der durch und durch perfekte Cristiano Ronaldo wie kein anderer. Denn normalerweise hat der maximal austrainierte, technisch anderen Weltfußballern vielleicht noch überlegene und wie besessen an seinen Skills arbeitende 29-Jährige jedes Detail unter Kontrolle. Verletzungen lässt er von einem eigenen Ärzteteam behandeln, zur Regeneration leistet sich der Real Madrid-Profi eine heimische Kältekammer und was auf dem Platz passiert, dass entscheidet im Normalfall er (siehe Zitat seines Ex-Trainers José Mourinho: „Ich habe versucht, bei ihm was zu verbessern, was er nach meiner Meinung verbessern kann. Er nahm das nicht an, weil er denkt, er weiß alles, und ein Trainer könne ihm nicht mehr helfen, sich zu verbessern.“).

Das drohende Scheitern oder womöglich der große Triumph des Cristiano Ronaldos bei der Fußball-Weltmeisterschaft ist Anlass genug, dass wir uns hier mit dem Thema Perfektionismus befassen. In den nächsten Tagen wird es spannend, welche Seite die Welt von „CR7“ zu sehen bekommt.

Für die-sportpsychologen.de: Prof. Dr. Oliver Stoll

Perfektionismus im Sport – Fluch oder Segen?

Athleten mit perfektionistischen Tendenzen sind keine Seltenheit. Gerade in den technisch-kompositorischen Sportarten ist die Fähigkeit, eine Bewegung so perfekt wie möglich ausführen zu können, ein zentraler Faktor in der Leistungserbringung. Aber auch in anderen Sportarten, insbesondere in Sportarten, in denen es unter anderem auf das Material bzw. die Materialbehandlung ankommt sind perfektionistische Tendenzen durchaus hilfreich und können die sportliche Leistung unterstützen. Andererseits kann Perfektionismus auch störend wirken. Diese eher negative Seite dieser Persönlichkeitsdisposition wird insbesondere dann deutlich, wenn Athleten ihre in der Regel hohen, selbst definierten Ziele nicht erreichen. Oftmals reagieren sie dann mit Wut, Ärger und frustrierenden Selbstgesprächen, die von Selbstzweifel und Besorgnis gekennzeichnet sind.

Perfektionismus ist eine überdauernde Persönlichkeitsdisposition, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die Individuen, die eine hohe Perfektionismusausprägung aufweisen, sehr hohe, teilweise auch manchmal unrealistische Ansprüche an sich selbst stellen und mit negativen Emotionen reagieren, wenn sie diese Ansprüche nicht erfüllen können. Historisch betrachtet kommt die Perfektionismusforschung eher aus der Klinischen Psychologie. Der vorliegende Forschungsstand zum Thema zeigt, dass insbesondere Suchterkrankte häufig hohe Perfektionismustendenzen aufweisen. Die Suchterkrankung ist somit häufig eine Konsequenz nicht verarbeiteter Misserfolge aus Leistungssituationen, die auf der Basis unrealistischer Zielsetzungen, also zu hohen Selbstansprüchen, entstanden sind. Der dadurch entstandene subjektiv erlebte Kontrollverlust wird dann mit Handlungen kompensiert, die diesen erlebten Kontrollverlust kompensieren sollen. Das Ergebnis solcher Kompensationshandlungen ist dann mitunter die Ausprägung einer psychosomatischen Störung.

Somit wurde also dieses psychologische Konstrukt, auch im Sport zunächst eher kritisch und negativ bewertet. Eine differenziertere Betrachtung dieses Konzepts, auch im Leistungssport, erfolgt erst seit knapp zehn Jahren. Das erste Problem, dass es zu lösen galt, war die Entwicklung einer Psychodiagnostik (in Form eines Fragebogens), die das Perfektionismuskonstrukt insbesondere im Sport differenzierter erfassen konnte. Somit entstand im Jahr 2004 das Multidimensionale Inventar zur Messung von Perfektionismus im Sport (MIPS). Der MIPS misst also zum einen das Vorliegen perfektionistischer Bestrebungen im Sport im Sinne des Strebens nach einem sich selbst gesteckten, hohen, sportlichen Ziels (Perfektionistische Bestrebungen) und zum anderen die Ausprägung negativer Emotionen bei einer Nichterreichung dieses selbst gesteckten Ziels (Negative Emotionen). Es folgten dann eine Reihe verschiedener Querschnittstudien im Sport, die nachweisen konnten, dass die Dimension der Perfektionistischen Bestrebungen von Athleten eher mit einer generell hohen Leistungsmotivation und die Ausprägung der Dimension der negativer Emotionen bei einer verfehlten Zielerreichung hoch mit Angst und Selbstzweifel korrelierten. Somit konnte zunächst festgestellt werden, dass Perfektionismus im Leistungssport nichts Negatives zu bewerten ist, solange der Athlet in der Lage ist, seine negativen Emotionen zu kontrollieren.

Negative Reaktionen müssen kontrolliert werden 

Jedoch blieb der eigentliche, objektive Nachweis der leistungsmindernden oder der eher leistungsfördernden Rolle des Perfektionismus im Sport noch aus. Darüber hinaus wurden die ersten Querschnittstudien zumeist nur an Sportstudierenden durchgeführt und nicht etwa an Hochleistungssportlern. Das Erfolgskriterium war in den ersten Studien ein sogenanntes eher „weiches“ Kriterium, nämlich die Selbstberichte der Probanden.

Ein erster Fortschritt in der weiteren Erforschung dieses Konstruktes konnte eine Studie an den insgesamt 160 besten Eishockeyspielern im U16-Bereich aus Finnland zeigen. Hier konnten die schon oben genannten Zusammenhänge zwischen Perfektionistischen Bestrebungen und positiven motivationalen Konstrukten (wie z.B. einer leistungsförderlichen Zielorientierung) und Negativer Emotionen mit eher negativen motivationalen Konstrukten (wie z.B. einer reinen, eher leistungsmindernden Ergebnisorientierung) erstmals an einer Stichprobe von Hochleistungsathleten repliziert werden. In einer darauf folgenden Studie wurde dann erstmals mit einem objektiven Leistungsparameter operiert. Im Rahmen eines korrelativen Untersuchungsdesigns sollten 122 Probanden insgesamt vier Serien mit jeweils sieben Würfen einer – eher für den Basketball atypischen – Wurfleistung durchführen. Vor der Absolvierung der Aufgabe beantworteten die Versuchspersonen das „Mehrdimensionale Inventar Perfektionismus im Sport“. Ein zentrales Ergebnis war, dass die erfolgreicheren Probenden höhere Ausprägungen in der Subdimension der Perfektionistischen Bestrebungen aufwiesen. Die Dimension der Negativen Reaktionen hatte keine leistungsprognostische Funktion. Somit konnte das zunächst auf eher „weichen“ Kriterien basierende Ergebnis, nämlich dass Perfektionismus im Sport durchaus hilfreich im Leistungserbringungsprozess wirken kann, nun erstmals auch auf der Basis motorischer Leistungsdaten bestätigt werden. Aktuell laufen weltweit Untersuchungen, die eine leistungsbeeinträchtigende oder –fördernde Funktion bei Triathleten aufklären soll. Darüber hinaus werden aktuell sportpsychologische Interventionsprogramme entwickelt, die hoch perfektionistischen Athleten helfen sollen, ihre möglicherweise auftretenden negativen Emotionen nach Nichterfüllung der eigenen sehr hohen Zielstellungen besser zu bewältigen und somit von den eigentlich leistungsfördernden Perfektionistischen Bestrebungen zu profitieren. Eine erst kürzlich erschienene Übersichtsarbeit, die nahezu alle vorliegenden Studien zum Zusammenhang von Perfektionismus im Sport und Leistung diskutiert, unterstreicht die Tatsache, dass Perfektionismus im Sport per se – nicht schlecht sein muss, sondern tatsächlich hilfreich sein kann, wenn die negativen Reaktionen bei Nichterfüllung der eigenen Standards kontrolliert werden können.

 

Literaturhinweise

Stoeber, J., Stoll, O., Peschek, E. & Otto, K. (2008). Perfectionism and Achievement Goals in Athletes: Relations with Approach and Avoidance Orientations in Mastery and Performance Goals. Psychology of Sports and Exercise, 9, 102-212.

Stoll, O., Lau, A. & Stoeber, J. (2008). Perfectionism and Performance in a New Basketball Training Task: Does Striving for Perfection Enhance or Undermine Performance? Psychology of Sports and Exercise, 9, 620-629.

Stoeber, J., Stoll, O., Salmi, O., Tiikaja, J. (2009). Perfectionism and Achievement Goals in Young Finnish Ice-Hockey Players. Aspiring to Make the U16 National Team. Journal of Sports Sciences, 27, 85-94.

Gotwals, J., Stoeber, J., Dunn, J. & Stoll, O. (2012). Are Perfectionistic Strivings in Sport Adaptive? A Systematic Review of Confirmatory Contradictory and Mixed Evidence. Canadian Psychology, 53(4), 263-279.

 

Bildquelle: antwerpenR.com, Roger Price

 

Zum Autor:

Prof. Dr. Oliver Stoll

Prof. Dr. Oliver Stoll (* 5. Februar 1963) studierte an der Justus-Liebig-Universität Gießen Sportwissenschaft, Psychologie und Pädagogik sowie am College of Charlestin (S.C., USA). Er promovierte 1993 zum Dr. phil. im Fach Sportwissenschaft an der Universität Gießen und wechselte 1995 an die Universität Leipzig. Hier absolvierte er eine wissenschaftliche Assistentenzeit und habilitierte hier im Jahr 2000. Im Jahr 2002 folgte er einen Ruf auf eine Professur für Sportwissenschaft mit dem Schwerpunkt Sportpsychologie und Sportpädagogik an die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Zum Profil von Prof. Dr. Oliver Stoll auf Die-Sportpsychologen

 

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Christian Reinhardt und Prof. Dr. Oliver Stoll im MDR

Die mediale Aufmerksamkeit gegenüber die-sportpsychologen.de wächst. So beleuchteten pünktlich zum Ausscheiden der spanischen Nationalmannschaft bei der Fußball-WM Christian Reinhardt und Prof. Dr. Oliver Stoll das Thema Körpersprache. Bildmaterial lieferte das Spektakel in Brasilien ja schon ausreichend.

Der “MDR um 11”-Beitrag: “Erfolg macht selbstbewusst und sexy” ist bis zum 25. Juni in der MDR-Mediathek zu sehen.

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Prof. Dr. Oliver Stoll: Spaniens WM-Scheitern

Der Weltmeister ist ausgeschieden. Nach der 1:5-Auftaktschlappe gegen die Niederlande war die spanische Fußball-Nationalmannschaft auch beim 0:2 gegen Chile taktisch überfordert, körperlich unterlegen und sichtlich gehemmt.

Zum Thema: Welche Bedeutung kommt dem Selbstwertgefühl beim vorzeitigen Scheitern der spanischen Nationalmannschaft bei der Fußball-WM zu?

In den Medien findet aktuell eine Diskussion zum Thema „Selbstwertgefühl“ und Erfolg im Fußball statt. Grundlage boten bereits die ersten WM-Tage: Deutschland gewinnt souverän 4:0 gegen Portugal, Spanien hingegen scheidet nach zwei Niederlagen aus dem WM-Turnier aus. In beiden Fällen ist die unterschiedliche Körpersprache der Spieler zu beobachten gewesen. Die deutschen Spieler agierten dynamisch, fest entschlossen, deutlich zu sehen in Gestik und Mimik. Die spanischen Spieler hingegen liefen eher unsicher und nicht immer überzeugend über das Spielfeld. Soweit so gut. Es wäre jedoch sehr reduktionistisch, diese Beobachtungen auf ein möglicherweise – im Falle der deutschen Spieler hohes – und im Falle der Spanier niedriges Selbstwertgefühl zurück zu führen.

Das „Selbstwertgefühl“ wird in der Psychologie durch drei verwandte – jedoch graduell -unterschiedliche Konstrukte beschrieben. Hierzu gehören die Selbstwirksamkeitserwartung, das Selbstkonzept sowie konkrete Fähigkeitseinschätzungen. Alle drei Konstrukte sind überdauernde, also stabile, Wertungsdispositionen und verändern sich (in der Regel) nicht innerhalb kürzester Zeit. Die Psyche eines Fußballers ist sehr komplex und lässt sich eben nicht auf nur einen Teilbereich reduzieren. Ich möchte dies mal an einem Beispiel deutlich machen: Ein Sieg oder eine Niederlage hat natürlich immer eine Einschätzung zur Folge. In der Psychologie sprechen wir hier von „Kausalattribution“, also der Ursachsenzuschreibung. Die kann funktional oder dysfunktional ausfallen und je nachdem, wie dies passiert, hat das natürlich eine Auswirkung auf die Leistungsmotivation. Wenn ich also beispielsweise nach einem Sieg, die Ursache in meinen stabilen Fähigkeiten sehe, dann hat dies natürlich eine Steigerung der Leistungsmotivation zur Folge (funktionale Ursachenzuschreibung). Wenn ich allerdings nach einer Niederlage den Grund in meinen fehlenden Fähigkeiten sehe, dann wiederum senkt das meine Leistungsmotivation (dysfunktionale Ursachenzuschreibung). Die Folge daraus ist eben ein nicht mehr entschiedenes und eher unsicheres Auftreten auf dem Spielfeld, beziehungsweise eine Verminderung meines Einsatzes und eine niedrigere Volition (Wille). Auch dies lässt sich zum Beispiel in der Körpersprache erkennen.

Leistungsmotivation ist im übrigen eher etwas situatives und nichts stabiles. Somit würde sich jedoch auch die Körpersprache der beiden oben genannten Teams erklären lassen, ohne das gleich ein niedriges oder hohes Selbstwertgefühl hierfür verantwortlich gemacht werden kann. Unter dem Strich bleibt, dass man nur darüber spekulieren kann, was psychisch bei den Spielern passiert ist. Wir alle wissen nicht, wie sie denken und fühlen und können somit auch nicht solche Prognosen, wie sie aktuell in der Öffentlichkeit verbreitet werden, treffen. Die Psyche eines Menschen ist eben sehr komplex sowie auch die Handlungen auf dem Spielfeld. Auch wenn wir am liebsten alles im Detail analysieren und wissen würden, so ist dies einfach nicht möglich. Die einzigen, die uns hier weiter helfen können, sind die Spieler selbst beziehungsweise die Menschen in ihrem Umfeld, denen sie sich anvertrauen.

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Die Bewerbungsfrist für den Master-Studiengang Angewandte Sportpsychologie für das Wintersemester 2014/2015 endet am Dienstag, den 15. Juli 2014. Weitere Informationen zur Bewerbung hält die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg auf folgender Internetseite bereit: http://immaamt.verwaltung.uni-halle.de/bewerbung/

Der nicht-konsekutive Masterstudiengang “Angewandte Sportpsychologie” ist der erste universitäre Präsenz-Studiengang dieser Art in Deutschland und verbindet sowohl sportpsychologisches, klinisch-psychologisches und pädagogisch-psychologisches Wissen. Die Federführung des Studiengangs erfolgt durch die Sportwissenschaft. Folgende Schwerpunkte sind Inhalt des Studienganges:

– Verfahren und Methoden der Diagnostik aus sportmedizinisch-trainingswissenschaftlicher, bewegungswissenschaftlicher und psychologischer Perspektive
– Optimierung der sportlichen Leistung
– Sportpsychologische Verfahren zur Motivationsregulation, der Emotionsregulation sowie des Mentalen Trainings
– Teamdiagnose und Teambuilding
– Psychopathologie
– Forschungsmethodologie und Statistik

Ziel des Studiengangs ist es, die Studierenden für eine berufliche Tätigkeit im Leistungssport zu qualifizieren. Sie erwerben Kompetenzen, um die im Leistungssport aktiven Athletinnen und Athleten in ihrer Leistungsentwicklung und -optimierung psychologisch zu begleiten und zu unterstützen. Die Studierenden erwerben Kompetenzen in der Optimierung von Bewegungslernen sowie der Emotions- und Motivationsregulation. Ebenso werden die Studierenden in die Lage versetzt, psycho-pathologische und klinische Symptome zu erkennen und somit auch gesundheitlich präventiv wirksam zu werden. Die Studierende erwerben umfangreiche Kompetenzen in der sportpsychologischen, bewegungswissenschaftlichen und trainingswissenschaftlichen Diagnostik.

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