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Sebastian Reinold: Fitness-Ziele erreichen, Teil3

Nichts ist so motivierend wie das Erleben von Erfolgserlebnissen. Erfolg haben muss dabei nicht das Erreichen eines großen Ziels bedeuten, sondern kann auch der stetige Fortschritt sein. Wie Sie Ihren Fortschritt und Erfolg in Ihrem Fitnesstraining auf unterschiedliche Art und Weise sichtbar machen können, erklärt Ihnen diese Themenreihe. Im zweiten Teil wurden Ihnen die Methode der Videoselbstdokumentation vorgestellt, im ersten Teil ging es um den Umgang mit Fortschritten.

Zum Thema: Welcher Messfaktor gehört zu meinem Ziel?

Regelmäßige körperliche Aktivität hat mittlerweile eine ganze Reihe nachgewiesener Effekte auf die Fitness und die Gesundheit (Fuchs, 2003). Diese gehen bei Weitem über das Thema Abnehmen hinaus. Die Sportpsychologie im Bereich Gesundheit und Fitness versteht sich neben vielen anderen Dingen wie Aufrechterhaltung der Motivation als systemischer Berater, der aufdecken möchte, wo im Trainingsprozess Möglichkeiten zur Optimierung sind, um Ziele objektiver zu erreichen (siehe dazu Teil 1 der Serie), weswegen sich dieser Artikel mit den Möglichkeiten zur Messung der gesundheitlich-medizinischen Effekte der körperlichen Aktivität beschäftigt. Auffallen sollte Ihnen, dass das eher schwach formulierte Ziel „Ich will fit werden“ sehr viele Facetten haben kann. Zusätzlich wird mit diesem Artikel sowie in der ganzen Serie gefordert, dass ein Training niemals ohne einhergehende Diagnostik stattfinden sollte.

Zielstellung Gewichtsreduktion

Beim Thema Abnehmen ist natürlich zunächst das Körpergewicht das, was jedem zuerst einfällt. Was beim Messen des Körpergewichts beachtet werden muss, ist, dass das Körpergewicht starken Schwankungen unterliegt. Trinken oder essen Sie an einem Tag wenig, dann nehmen Sie auch ohne Bewegung ab. Deswegen sollte das Gewicht immer unter gleichen Bedingungen gemessen werden, was die Tageszeit angeht. Es empfiehlt sich daher direkt nach dem Aufstehen auf die Waage zu stellen. Auch der Wochentag sollte beachtet werden. Nach einem schweißtreibenden Training am Abend kann das Gewicht noch am Morgen beeinflusst sein. Wählen Sie folglich einen Morgen nach einem trainingsfreien Tag. Sollten Sie Krafttraining betreiben, sollten Sie beachten, dass Muskelmasse schwerer ist als Körperfett. Folglich sollten Sie nicht zu sehr auf ihr totales Körpergewicht fokussieren und ihren Körperfettanteil mitmessen. Die im Handel erhältlichen Körperwaagen können diesen mittlerweile zuverlässig messen. Alternativ können Sie eine andere Person (Arzt, Trainer, Ernährungsexperte) die 7-Falten-Methode mittels Kaliper an Ihnen durchführen lassen. Gewichtsverlust mit Senkung des Körperfettanteils ist positiv. Es bedeutet, dass Sie hauptsächlich Fett verloren haben. Ein gestiegenes Gewicht bei gesunkenem Fettanteil lässt auf Muskelzuwachs schließen.

Zielstellung Kräftigung des Herzkreislaufsystems

Gerade durch Ausdauersport verändert sich das Herzkreislaufsystem. Markante Marker sind hier die Ruheherzfrequenz, der Blutdruck und in neuster Zeit die Herzfrequenzvariabilität. Diese Werte lassen sich entweder mit einem Blutdruckmessgerät oder einer guten Pulsuhr messen. Ebenfalls durch Ausdauersport wird das Atemsystem beeinflusst. Veränderungen könne über Atemvolumina beobachtet werden. Diese können beim Allgemeinmediziner in Erfahrung gebracht werden.

Der wohl beste Indikator, wie leistungsfähig Sie sind, ist die maximale Sauerstoffaufnahmefähigkeit (VO2max). Diese stellt eine Kombination dar, die Herz und Atmung prüft. Je höher die VO2max liegt, desto besser ist dies. Mittlerweile gibt es viele kommerzielle Anbieter, bei denen Sie diese zu einem erschwinglichen Preis messen lassen können. Üblicherweise wird ein Test auf einem Laufband oder Radergometer durchgeführt, der von einem Laktattest begleitet wird. Die Ergebnisse eigenen sich über die Beurteilung der eigenen Fitness zur Planung des weiteren Trainings.

Zielstellung Muskelaufbau

Unter anderem in den Kraftbereich gehört die Zielstellung Abschwächung von Rückenbeschwerden. Planmäßiges Muskelaufbautraining orientiert sich an der Maximalkraft für die relevante Muskelkette. Diese kann über das One-Repition-Maximum (1RM) direkt oder über das Ten-Repition-Maximum (10RM) per Tabelle indirekt abgeleitet werden. An einer gestiegenen Maximalkraft kann man die Wirksamkeit des Trainings prima erkennen. Deswegen sollten vor einem Rückentraining Tests zu dessen Stärke durchgeführt werden. Zu Messmethoden von Maximalkraft und Rückenstärke sollte ihr Trainer im Fitnessstudio mehr wissen. Nach diesem Prinzip richtet sich jedes Muskelaufbautraining. 1RM oder 10RM sollten also auch gemessen werden, wenn Sie ihren Bizeps größer werden lassen wollen.

Zielstellung „jung bleiben“

Bei dem Wunsch, sich durch körperliche Aktivität länger jung zu halten, sollten Paramater benutzt werden, die im Altersgang deutlich verändern beziehungsweise absinken. Dazu eigenen sich der beispielsweise der Hormonhaushalt. Studien zeigen, dass z. B. der Testosteronwert positiv durch Krafttraining beeinflusst werden kann (Craig, Brown & Everhart, 1989). Bei der Ermittlung hilft Ihnen sicherlich Ihr Hausarzt.

Spezielle für Frauen ist Knochendichte zu beobachten, da diese bedingt durch einen veränderten Hormonhaushalt geringer wird. Durch spezielles Training kann die Dichte zumindest beibehalten werden (Egan et al, 2006; Robling et al., 2002).

 

Erster Teil: Warum macht es Sinn, seine Leistungen im Fitnesssport zu messen?

Zweiter Teil: Wie sehe ich, ob ich schon besser aussehe?

 

Literatur:

Craig, B.W., Brown, R. & Everhart, J. (1989). Effects of progressive resistance training on growth hormone and testosterone levels in young and elderly subjects. Mechanism of Ageing and Development, 49(2), 159-169.

Egan, E., Reilley, T., Giacomomi, M., Redmond, L. & Turner, C. (2006). Bone mineral density among female sports participants. Bone, 38, 277-233.

Fuchs, R. (2003). Sport, Gesundheit und Public Health. Göttingen: Hogrefe-Verlag.

Robling, A. G., Hinant, F. M., Burr, D. B & Turner, C. H. (2002). Shorter, more frequent mechanical loading sessions enhance bone mass. Medicine & Science in Sports & Exercise, 34(2), 196-202.

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Benjamin Göller: Eisbrecher Teambuilding

Im Sport erleben wir immer wieder Veränderung. Ob es neue Mannschaftsmitglieder sind, ein neues Trainerteam oder die neu Zusammenstellung der Sportler in der Schule, Universität oder der Sportgruppe. Veränderung und Wechsel gehören zu unserem Leben. Vor allem in den Mannschaftsspielen erfolgen Trainer- und Spielerwechsel in regelmäßigen Abständen. Für Trainer, Funktionäre und Betreuer sowie Sportler stellt sich die wichtige Frage der Integration. 

Zum Thema: Welche Möglichkeiten bietet die Sportpsychologie, möglichst zeitnah ein gesundes und intaktes Gruppengefühl entstehen zu lassen?

Sport besteht nicht nur aus motorischen Aufgaben, sondern auch aus psychosozialen Anforderungen, die zu einem erfolgreichen Spielen führen (Sygusch & Kolodziej, 2006). Dabei zeichnet sich der Mannschaftssport durch gegenseitige Unterstützung und aufeinander abgestimmtes Handeln aus (Baumann, 2002). In der Sportwissenschaft wird hierfür der Begriff Gruppenzusammenhalt genutzt. Gruppenzusammenhalt beschreibt das Bestreben einer Gruppe, zusammen zu halten und zum Zweck der Erreichung ihrer Ziele und Zwecke vereint zu bleiben (Caroon et al., 2005; Wilhelm, 2001). Gruppenzusammenhalt kann durch Teambuilding–Maßnahmen und Interventionen gefördert und unterstützt werden. Dabei ist es sinnvoll, dass Trainer und Team durch einen Sportpsychologen angeleitet bzw. unterstützt werden. Zusätzlich zu den direkten Teambuilding-Interventionen sind beziehungsfördernde Maßnahmen wie Grillabende, Outdoor‐Ausflüge oder alternative Trainingsformen zu empfehlen, da sie Gruppenprozesse beschleunigen und fördern können. Das folgende konkrete Beispiel für eine Teambuilding-Intervention soll eine Möglichkeit zur Förderung des Gruppenzusammenhalts aufzeigen:

Zu Beginn einer neuen Gruppenzusammenkunft bietet es sich an, an den interpersonellen Beziehungen der Mannschaftsmitglieder zu arbeiten. Die Mannschaftsmitglieder werden in Paare eingeteilt und bekommen die Aufgabe, sich im Laufe des Tages gegenseitig zu interviewen. Bei einem gemeinschaftlichen Mannschaftabend wird jeder Spieler von seinem Partner der Mannschaft vorgestellt. (Auch im Rahmen einer neuen Sportgruppe ist dies im Sinne einer Vorstellungsrunde in einem kürzeren Rahmen umsetzbar). Die Mannschaft hat anschließend die Möglichkeit, den Spieler weitere offen gebliebene Fragen zu stellen, um so noch mehr Informationen über seine Person zu erhalten.

Kennenlernen und kooperieren 

Durch das Interview erhalten Mannschaftsmitglieder schnelle und interessante Informationen über ihre Mitspieler. Die Kommunikation zwischen den Spielern wird geschult, so dass sie eine gemeinsame Sprache entwickeln können. Erste Rollen bilden sich heraus und es kommt zur ersten Kooperation zwischen den Mannschaftsmitgliedern. Da die Spieler oft ihre peinlichsten Momente, aber auch persönlichsten Erfolge berichten, bleibt solch ein Abend oft noch lange in den Köpfen der Spieler. Auf Grundlage dieses ersten Kennenlernens und Kooperierens lassen sich weitere nützliche Interventionen anleiten.

Um noch einmal die Bedeutung und Wichtigkeit der Zusammenarbeit mit einem Sportpsychologen zu verdeutlichen, möchte ich Aristoteles zitieren, der einst sagte: „Ich würde alles noch einmal so machen, wie ich es getan habe. Bis auf eine Ausnahme: Ich würde früher bessere Berater suchen.“

 

Literatur:

Baumann, S. (2002). Mannschaftspsychologie: Methoden und Techniken. Aachen: Meyer und Meyer.

Carron, A. V., Hausenblas, H. A. & Eys, M. A. (2005). Group dynamics in sport. Morgantown: Fitness Information Technology.

Sygusch, R. & Kolodziej, C. (2006). Persönlichkeits- und Teamentwicklung. Förderung psychosozialer Ressourcen im Handball. Hrsg. Deutsche Sportjugend (dsj) / Deutsche Handballjugend, Frankfurt am Main.

Wilhelm, A. (2001). Im Team zum Erfolg. Ein sozial- motivationales Verhaltensmodell zur Mannschaftsleistung. Lengerich: Pabst.

 

Ich möchte darauf Hinweisen, dass das Verwenden der männlichen Form nur zum Zwecke der einfacheren Lesbarkeit dient. Die Bezeichnungen sind nicht geschlechtsspezifisch zu betrachten.

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Sebastian Reinold: Fitness-Ziele erreichen, Teil2

Nichts ist so motivierend wie das Erleben von Erfolgserlebnissen. Erfolg haben muss dabei nicht das Erreichen eines großen Ziels bedeuten, sondern kann auch der stetige Fortschritt sein, lehrt die Sportpsychologie. Wie Sie Ihren Fortschritt und Erfolg in Ihrem Fitnesstraining auf unterschiedliche Art und Weise sichtbar machen können, erklärt Ihnen diese Themenreihe. Im ersten Teil (zur Folge 1) wurden Ihnen die Vorteile durch das Festhalten von Fortschritten näher gebracht.

Zum Thema: Wie sehe ich, ob ich schon besser aussehe?

Hätte man noch vor zehn Jahren seinem Gegenüber erzählt, dass in der Zukunft Personen Videos von sich ins Internet stellen würde, in denen sie halbnackt posieren, um damit ihren Prozess des Abnehmens zu dokumentieren, so hätte dieser wohl gefragt, wer sich wohl so etwas angucken solle. Fakt ist, dass derzeit über 725.000 Suchergebnisse erscheinen, wenn Sie bei Youtube den Begriff „Body Transformation“ eingeben.

Das Grundschema eines Body Transformation-Videos ist eigentlich sehr simpel und schnell erklärt. Bevor eine Person mit dem Abnehmen oder im Falle der meisten Männer mit dem Zunehmen von Muskeln beginnt, macht der- oder diejenige ein Foto von sich – meist als Selfie halbnackt vor dem Spiegel. Die Person beginnt im Folgenden mit dem Training und macht in regelmäßigen Abständen neue Fotos von sich. Nach fünf Wochen, drei Monaten oder einem Jahr werden dann alle gemachten Fotos zur einer Slideshow verbunden und im Videoformat auf Youtube hochgeladen.

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Was wie Prahlerei oder ein Werbetrick eines Diätpillen-Herstellers wirkt, hat einen psychologischen Effekt, denn der Erfolg wird auf objektive Art und Weise sichtbar gemacht. Oft ergeben sich sehr erstaunliche Vorher-Nachher-Effekte. Eine Person bekommt ihre Wandlung nur schleichend mit, weil sie sich selbst jeden Tag sieht. Im Video fällt die Veränderung bedingt durch die vergleichsweise kurze Zeit allerdings sehr stark auf, worin die absolute Stärke dieser Selbstdokumentationsmethode liegt.

Die Methode eignet sich vor allem für Personen, denen es beim Training rein um die Optik des eigenen Körpers geht. In dem Zusammenhang muss die Zielsetzung des Trainings allerdings das optische Merkmale mit beinhalten z. B. „Ich möchte, dass meine Bauchmuskeln deutlich sichtbar sind.“

Der Vorteil der Veröffentlichung liegt darin, dass die Videos oft positiv kommentiert werden und die Person quasi mit Komplimenten überhäuft wird. Das gibt dem Ego nicht nur einen Schub sondern motiviert, weiter an sich zu arbeiten. Diese Form der sozialen Unterstützung darf nicht unterschätzt werden.

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Mit einer Veröffentlichung Ihres Erfolges werden Sie nebenbei auch zur Inspirations- und Motivationsquelle für andere Personen – ein weiterer Effekt dieser Art von Videos.

Ein Body Transformation-Video auf Youtube hat allerdings seine Schattenseiten. Einmal im Netz hochgestellt, bleibt es da. Auch wenn Sie es von Ihrem Kanal herunternehmen, können sie nicht wissen, wo es sonst noch gelandet ist. Der zweite Nachteil ist, dass es jeder sehen könnte – der Vorgesetzte, die Arbeitskollegen, ja sogar Ihre Mutter. Alternativ können Sie das Video nur ihren Freunden oder den Kollegen via Smartphone zeigen, was von denjenigen allerdings als Prahlerei verhöhnt werden könnte. Aber: Es ist völlig in Ordnung, stolz auf seine Ergebnisse zu sein und dies nach außen zu transportieren. Seien wir doch mal ehrlich: Nur neidische Personen bezeichnen andere als Angeber.

 

Folge 1: Fitness-Ziele erreichen

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Philippe Müller: Zwei Länder, zwei Ansichten

Seit dem 12. August wird um Medaillen gelaufen, gesprungen, geworfen und gestossen. Die diesjährige Leichtathletik-Europameisterschaft ist zu Gast in Zürich. Rund 1400 Athletinnen und Athleten aus 50 Ländern nehmen an den Wettkämpfen teil. Darunter befinden sich 92 Deutsche Athletinnen und Athleten sowie 53 “Swiss Starters”.

Zum Thema: Wie viel Sportpsychologie braucht die Leichtathletik?

Sowohl die Deutschen als auch die Schweizer treten mit einem starken Team bei der Leichtathletik-EM an. Es ist nichts Neues, dass verschiedene Länder unterschiedliche Philosophien verfolgen. Denn nicht zuletzt sind auch die Voraussetzungen und Ziele ganz andere. Der Leistungssport-Chef von Swiss Athletics, Peter Haas, formuliert hohe Ziele: “Wir wollen eine Medaille gewinnen und mindestens sechs Top-8-Platzierungen erreichen”. Die Deutschen wollen wiederum ihr Image als “Wegwerfgesellschaft” loswerden. In den kommenden Tagen sollen nicht nur in Wurf- und Stoßdisziplinen groß aufgetrumpft werden. Auch in den Laufdisziplinen werden Podestplätze angestrebt.

In die Vorbereitung wurde beiderseits viel investiert. Mit dem Swiss Starters Programm wurden ausgewählte Athletinnen und Athleten gezielt gefördert. Im großen Kanton, wie Deutschland von den Schweizern genannt wird, wurde in den Laufdisziplinen auf neue Konzepte gesetzt. Die Optimierung der Bewegungstechnik und der Kräfteverhältnisse stand ganz oben im Trainingskalender. Ebenfalls wurde das Periodisierungssystem verändert und der Glaube an sich selbst gefördert.

Ein gutes Selbstvertrauen ist, wie in jeder Sportart, von großer Bedeutung. Doch auch andere psychologische Faktoren spielen in der Leichtathletik eine gewichtige Rolle. Und hier liegt der größte Unterschied zwischen den beiden Nationen. Während die Deutschen mit professionellen Betreuungsangeboten auf die psychischen Anforderungen reagieren, wird in der Schweiz die Bedeutung heruntergespielt.

Auf dem mentalen Auge blind 

Seit 2010 ist Dr. Michael Gutmann leitender Verbandspsychologe im Deutschen Leichtathletikverband (DLV). Er hatte die Deutsche Delegation bereits zu den Olympischen Spielen in London begleitet. Der DLV bekennt sich somit zur Wichtigkeit der Sportpsychologie in der Leichtathletik. Dr. Michal Gutmann formuliert es folgendermassen: “In vielen Sportarten ist es inzwischen zu einer hohen Leistungsdichte gekommen. Wer im Spitzenbereich etwas erreichen will, muss alle Ressourcen ausschöpfen. Dazu gehört auch der mentale Bereich. Das hat sich inzwischen herumgesprochen und keiner, der seinen Sport mit professionellem Anspruch betreibt, kann mehr ernsthaft daran vorbei. Im Gegenzug hat sich auch die Sportpsychologie entwickelt, um diesem Anspruch gerecht zu werden.”

In der Schweiz wird lediglich von einer Minderheit die mentale Komponente berücksichtigt. Eine systematische Förderung durch den Verband gibt es nicht. Peter Haas sieht keinen Bedarf in diesem Bereich. In einem Interview im Schweizer Fernsehen sagte er: “Es gibt auch Trainer, die einen gewissen Teil des Mentaltrainings abdecken und Impulse geben können. […] Es braucht nicht nur Sportpsychologen und sonst welche Leute. Das kann man auch mit einfachen Mitteln machen. Und es sind nicht wenige, die in diesem Bereich ein bisschen was machen”.

Die physischen Fertigkeiten müssen zweifelsohne gegeben sein, um eine Höchstleistung zu erbringen. Die Rolle der Sportpsychologie sollte jedoch nicht unterschätzt werden. In einigen Disziplinen haben die Athletinnen und Athleten nur einen Versuch. Besonders in solchen Momenten zählen dann die mentalen Fertigkeiten umso mehr. Ob es reicht, in solchen Situationen “ein bisschen was” gemacht zu haben, wird sich herausstellen.

Quellen:

Swiss-Athletics.ch: http://www.swiss-athletics.ch/de/leistungssport/ambitioniertes-schweizer-team-will-an-der-heim-em-eine-medaille.html

Zeit-Online: http://www.zeit.de/sport/2014-08/sprinter-leichtathletik-europameisterschaft-zuerich

Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie: http://www.asp-sportpsychologie.org/aktuell_einzeln.php?ID=160

Schweizer Fernsehen: http://www.srf.ch/sport/mehr-sport/leichtathletik/schafft-schweizer-leichtathletik-die-trendwende

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Elvina Abdullaeva: Die Stärke der Schwachen

Am Freitag, den 15. August, startet der DFB-Pokal. Den Auftakt macht die Partie zwischen dem Verbandsligisten SV Alemannia Waldalgesheim und dem Bundesligisten und Champions League-Qualifikanten Bayer Leverkusen. Wer der Favorit in diesem Spiel ist, steht nicht zur Debatte. Aber ist die Außenseiterposition denn wirklich so aussichtslos?

Zum Thema: Worin liegt eigentlich der Vorteil der Außenseiter?

Eine favorisierte Mannschaft übertrifft ein offensichtlich unterlegenes Team in vielerlei Hinsicht. Der Favorit hat einen Kader mit höherem Spielniveau, mehr Erfahrung, bessere Vorbereitungsbedingungen, ein größeres finanzielles Vermögen und in der Regel die größere Anzahl an Anhängern im Rücken. Alles spricht also für den Sieg eines Favoriten. Fast. Psychologisch gesehen, hat nämlich der Außenseiter viele Vorteile, die am Ende zum Sieg führen können.

Freiheit und Motivation

Der Favorit muss gewinnen. Das Team weiß das selbst. Dazu kommt die hohe Erwartungshaltung der Medien und Fans. Diese Verantwortung für das Ergebnis erzeugt einen gewissen Druck auf die Mannschaft. Diese Lage verschlimmert sich oft, wenn der Gegner unterschätzt wird. Verlaufen also die ersten zehn Minuten der Partie “auf Augenhöhe”, kann bei den Spielern des favorisierten Teams der ungünstige Gedanke, “was wenn wir versagen“, auftauchen. Solch ein leistungsbeeinträchtigender Gedanke lenkt den Sportler ab und führt dazu, dass derjenige sich nicht mehr auf spielrelevante Aspekte fokussiert.

Die unterlegene Mannschaft steht nicht unter dem Druck, unbedingt gewinnen zu müssen. Denn falls der Außenseiter verliert, wird diese Niederlage auf keinen Fall als Misserfolg gesehen. Vielmehr dürfen sich die Spieler ausprobieren und Fehler machen. Das wirkt schon befreiend. Diese Freiheit lässt sich dazu nutzen, dass der schwächere Gegner mit einer größeren kämpferischen Einstellung ins Spiel geht und durch mutiges, riskantes Agieren das Spiel gewinnen kann.

Ein weiterer wichtiger Faktor, der für das Außenseiterteam spricht, ist die Motivation. Favoriten sind in der Regel nur mäßig motiviert. Dies lässt sich dadurch erklären, dass bei einer Spitzenmannschaft Siege gegen schwächere Gegner als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Deshalb bringt ein Sieg über die unterlegene Mannschaft für den Favoriten ein nur unzureichendes Erfolgserlebnis (vgl. Baumann, 2008). Der Sieg gegen eine höherklassige Mannschaft wird von dem schwächeren Gegner hingegen als eine Herausforderung gesehen. Dies trägt enorm zur Motivationssteigerung bei. Das heißt, dass die Spieler mehr Interesse an dem Wettkampf haben und mit einer positiven Grundstimmung ins Spiel kommen. Dies wiederum kann zu größerer Ausdauer beitragen (vgl. Stoll et. al. 2010). So kann die unterlegene Mannschaft beispielsweise die ständigen Angriffe der Favoritenmannschaft besser abwehren oder bis zur letzten Minute der Nachspielzeit kämpfen.

Glaube an sich selbst

Eine wesentliche Voraussetzung für ein hochmotivierendes und befreites Spiel des Außenseiters ist die kollektive Selbstwirksamkeit und der Glaube, dass das eigene Team die realistische Möglichkeit hat, den Favorit zu besiegen. Die Aufgabe des Trainers ist, den Spieler deutlich zu vermitteln, warum seine Spieler in der Lage sind, das Spiel zu gewinnen. Der Fokus der Vorbereitung soll auf eigenen Stärken und Spielstrategien liegen, mit deren Hilfe die Schwächen des Gegners ausgenutzt werden können.

Die Grundlage für die immer wieder auftretenden Favoritenstürze im DFB-Pokal sind also zusammengefasst das begründete Selbstvertrauen, die Freiheit von den Erwartungen und die hohe Motivation des Außenseiters.

Quellen

Stoll, O., Pfeffer, I. & Alfermann, D. (2010). Lehrbuch Sportpsychologie. Bern: Hans Huber Verlag.
Baumann, S. (2008). Mannschaftspychologie. Methoden und Techniken (2. Aufl.).Aachen: Meyer& Meyer

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Sebastian Reinold: Fitness-Ziele erreichen, Teil1

Nichts ist so motivierend wie das Erleben von Erfolgserlebnissen. Erfolg haben muss dabei nicht das Erreichen eines großen Ziels bedeuten, sondern kann auch der stetige Fortschritt sein, lehrt die Sportpsychologie. Wie Sie Ihren Fortschritt und Erfolg in Ihrem Fitnesstraining auf unterschiedliche Art und Weise sichtbar machen können, erklärt Ihnen diese Themenreihe.

Teil 1: Warum macht es Sinn, seine Leistungen im Fitnesssport zu messen?

Egal nach welcher Zielsetzungsmethode Sie vorgehen – eine Komponente beinhaltet diese immer, nämlich das Ziel objektivierbar machen. Denn den Fortschritt nur am Gefühl festzumachen, kann trügerisch sein. Den Fortschritt an irgendetwas festmachen zu können, ist hingegen das, was unter Objektivierbarkeit verstanden wird. Besonders geeignet sind harte physikalischen Fakten wie Länge, Zeit und Gewicht. Diese eignen sich hervorragend, weil sie sich leicht messen lassen.

Der Sinn des Messens ist, dass Sie wissen, bei welchem Stand Sie angefangen haben und wo Sie sich aktuell auf dem Weg zum Ziel befinden. Das erlaubt, Fortschritte zu erkennen. Im Sport ist das Erkennen von Fortschritten enorm wichtig, denn das gesetzte Ziel ist oft nur nach langer Zeit und mit viel Aufwand zu erreichen. Den eigenen Fortschritt zu erkennen, kann sehr motivierend sein und hilft somit, am Ball zu bleiben. Aber auch das Stehenbleiben kann durch regelmäßiges Messen aufgedeckt werden und zur Veränderung des Verhaltens anregen.

Zu häufiges Messen führt dazu, dass der Fortschritt als solcher nicht mehr erkannt wird. Wählen Sie also einen etwas längeren Abstand. Hilfreich ist überdies hinaus, wenn sie ihren Fortschritt schriftlich oder gar graphisch festhalten.

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Beginnen Sie den Trainingsprozess also mit einer Zielsetzung wie beispielsweise: „Ich möchte innerhalb der nächsten vier Monate 2% Körperfett verlieren.“ Daraufhin messen Sie, ihren aktuellen Stand, wenn Sie diesen nicht ohnehin schon kennen. Beginnen Sie nun mit der körperlichen Aktivität und messen ihren Körperfettanteil regelmäßig, zum Beispiel alle zwei Wochen.

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Die-Sportpsychologen.de steigert weiter die Reichweite

Die mediale Relevanz von die-sportpsychologen.de steigt weiter: Die Huffington Post veröffentlicht fortan regelmäßig ausgewählte Blog-Beiträge von den Profil-Inhabern von die-sportpsychologen.de auf ihren Sportseiten.

Das Online-Newsportal Huffington Post startete mit seiner deutschen Ausgabe im Oktober 2013 und verzeichnet laut der Informationsgemeinschaft zur Festlegung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) mittlerweile bis zu 10 Millionen Seitenbesuche pro Monat. Damit ist diese Kooperation ein weiterer zielgerichteter Schritt für die-sportpsychologen.de, die Reichweite der durch die beteiligten Sportpsychologen produzierten Inhalte zu steigern.

Den ersten Beitrag bei der “Huff Post” steuert Sebastian Reinold bei, der sich mit dem Thema Sensation Seeking beschäftigt.

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Ina Blazek: Glück ist kein Zufallsprodukt!

Während meiner Betreuungsarbeit einer 18-jährigen Leichtathletin wurde uns beiden sehr deutlich, dass sie trotz internationaler Erfolge während ihrer zehn Jahre andauernden Leistungssportkarriere kaum Selbstvertrauen und den Glauben an ihre eigene Stärken aufgebaut hatte. Die erzielten Erfolge führte sie zu häufig auf Glück und schwache Gegner zurück – in unserer Zusammenarbeit erkannte sie aber ihren eigenen Wert und die Tatsache, dass ihr eigenes Glück durch ihre Anstrengung formbar ist.

Zum Thema: Wie sportliche Karrieren systematisch unterstützt und aufgebaut werden – ein sportpsychologischer Ansatz

Kinder entscheiden sich zum Sporttreiben aus einem Bewegungsdrang heraus, der Neugierde wegen oder auch aus Spaß, sich mit Gleichaltrigen zu messen. Wenn das Trainer- und Betreuerteam auf diesem Weg ein sportliches Talent oder auch den unbedingten Willen, Höchstleistungen erreichen zu wollen, bei einem Sportler oder einer Sportlerin erkennen, dann ist eine Entscheidung für den Leistungssport sinnvoll. Ab diesem Moment ist das gesamte Umfeld (Familie, Schule, Verein) der Kinder gefragt, die verschiedenen Herausforderungen und Ansprüche zu koordinieren. Neben der Trainingswissenschaft kann die Sportpsychologie ihren Beitrag leisten, zielgerichtet auf die sportliche Karriere vorzubereiten. Vor allem die Ausbildung verschiedener Persönlichkeitsmerkmale soll frühzeitig unterstützt werden, um zum Beispiel die Erfolge im Sport auf eigene Fähigkeiten und nicht auf „Glück“ zurückzuführen.

Glück stammt ursprünglich von gelücken. Das heißt soviel wie gelingen und konkretisiert den hier vorgestellten Ansatz: Wie gelingt also eine sportliche Laufbahn?

Insbesondere sollten Sportler und Sportlerinnen der Überzeugung sein, ihr eigenes Glück und damit den sportlichen Erfolg selbst zu gestalten und Erfolge eben durch eigene Anstrengung erzielen zu können. Fritz-Schubert (2011) nennt hierfür drei Bedingungen:

  1. Das Gefühl, etwas bewirken zu können.
  2. Ressourcen zu haben und darauf zu vertrauen, schwierige Situationen zu meistern.
  3. Achtsamkeit mit sich selbst und anderen zu entwickeln.

Oft fragen Trainer und Trainerinnen, wie sie denn genau diese Ressourcen fördern können. Hier betone ich die langfristige Wirkung von den zu ergreifenden Maßnahmen. Unsere Persönlichkeit bildet sich nicht von heute auf morgen (erst ab einem Alter von 30 Jahren ist sie zunächst einmal relativ stabil einzustufen) und kann dementsprechend auch nur mittel- und langfristig verändert werden, wenn entsprechende „negative“ Muster bereits verfestigt sind.

Daher lohnt es, von Beginn an einen positiven und optimistischen Umgang mit den Anforderungen der gewählten Sportart zu fördern. Folgender Ansatz nach Fritz-Schubert (2011) wurde für die Schule konzipiert und soll Kinder für das Leben stark machen. Diese Empfehlungen können bei frühzeitiger Anwendung die Sportler und Sportlerinnen ebenso für ihre sportliche Karriere stärken:

  • Optimistische Grundhaltung fördern (Zuversicht und Ermunterung vorleben)
  • Geduld und Gelassenheit schulen (z.B. durch die Akzeptanz unveränderlicher Gegebenheiten und Konzentration auf die Prozesse, die in eigener Verantwortung liegen)
  • Konstruktiver Umgang mit Krisen (z.B. Ursachenzuschreibungen nach Misserfolgen sollten nie auf generelle Unzulänglichkeiten der Sportler und Sportlerinnen beruhen)
  • Verantwortung übertragen (z.B. bei der Trainingsgestaltung in der Aufwärmphase)
  • Vertrauen schenken und Selbstvertrauen stärken
  • Rituale und Verbindlichkeiten geben Sicherheit

In meiner sportpsychologischen Betreuungsarbeit habe ich jene Bausteine auf das System des Leistungssports übertragen und in zahlreichen Einzelfällen die positive Wirkung für die jeweiligen Sportler und Sportlerinnen beobachten dürfen. Werden diese Grundhaltungen von Beginn an unterstützt, wird dies langfristig auch einen Effekt auf die sportliche Leistung haben. Denn wie wir wissen, spielen neben den sporttechnischen Vermögen auch die mentale Stärke der Sportler und Sportlerinnen eine große Rolle für den Erfolg im Spitzenbereich des Sports.

 

Quelle: Fritz-Schubert, E. (2011). Glück kann man lernen. Was Kinder stark fürs Leben macht. Berlin: Ullstein Buchverlage GmbH.

 

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Philippe Müller: Schlechte Vorbilder

Ein Bolzplatz am Tag nach dem zweiten Halbfinale der Fußball-WM in Brasilien. Argentinien und die Niederlande hatten sich wenige Stunden zuvor einen zermürbenden Kampf um den Finaleinzug geliefert. In einem Stadtpark, rund 10.000 Kilometer von Sao Paulo entfernt, standen sich nun jeweils eine Hand voll zehn- bis zwölfjährige Kinder gegenüber. Betonung auf standen, denn anstelle zu spielen, haderten, reklamierten und diskutierten die Kids als wären sie am Vorabend aus dem Flachbildschirm gefallen. Für jede Berührung wurde ein Freistoß gefordert, zu Einwurfentscheidungen diskutierte die ganze Meute und immer wieder Flugeinlagen. Zehn Minuten dauerte diese Beobachtung – hochgerechnet in zwei davon rollte der Ball.  

Zum Thema: Welche Effekte haben Sportvorbilder auf die Heranwachsenden?

Eine zentrale Aufgabe im Kindesalter ist die Entwicklung der eigenen Identität. Zur Sozialisation und Identitätsbildung der Mädchen und Jungen tragen zum einen geplante – die Erziehung – als auch ungeplante Lernprozesse bei. Vor allem das Beobachten der Verhaltensweisen der Eltern und Erwachsenen ist von großer Relevanz. Im Sport kommen die Vorbilder hinzu. Idole lösen bei  jungen Fußballern Begeisterung und Bewunderung aus und veranlassen sie, ihre Helden nachzuahmen und ihnen nachzueifern. Sie motivieren die Jugendlichen, ihre Fähigkeiten zu entwickeln und ein Ziel zu verfolgen. Nicht selten kommt es vor, dass Verhaltensweisen wie Gestik und Mimik sowie Äußerlichkeiten wie Haarschnitt und Kleidung übernommen werden.

Vorbilder vermitteln jedoch auch Werte und Moralvorstellungen. Dazu zählt der respektvolle Umgang mit dem Gegner und Schiedsrichter sowie den gegnerischen Fans. Obwohl die FIFA eifrig Fair Play propagiert und die Spieler das Emblem auf dem Ärmel tragen, musste während der vergangenen WM in Brasilien oft danach gesucht werden.  Kaum eine Entscheidung des Unparteiischen wurde nicht minutenlang diskutiert. Auch bei offensichtlichen Regelverstößen war keine Einsicht zu sehen. Auffallend in Brasilien war, dass bei nahezu jeder Aktion im Strafraum ein Elfmeter gefordert wurde. Handspiele wurden reklamiert, wo keine waren. Und bei jeder kleinsten Berührung ließen sich auffällig viele Spieler theatralisch fallen. Wir erinnern uns an Freds Fall im WM-Auftaktspiel der Brasilianer gegen Kroatien oder Robbens Flugkünste im Achtelfinale gegen Mexiko.

Moralisches Vorbild Miroslav Klose

Wo sind die moralischen Vorbilder im Fußball geblieben? Gibt es sie überhaupt noch? Sie sind schwer zu finden. Einer, der Fair Play noch lebt, ist der deutsche Nationalspieler Miroslav Klose. Bereits zwei Auszeichnungen hat er für sein faires Verhalten verliehen bekommen. Einmal ließ er ein mit der Hand erzieltes Tor annullieren. Sport1 zitierte ihn 2012 zum Thema folgendermaßen: „Das war für mich selbstverständlich. Ich weiß, wie viele junge Zuschauer wir haben. Das ist eine Vorbildfunktion, die etwas verloren gegangen ist. Wir müssen wieder Vorbilder werden, Fairness im Sport bewahren.“

Es ist zu hoffen, dass solche Spieler weiterhin und in Zukunft wieder vermehrt anzutreffen sind. Denn nur so werden sich die Bilder auf dem Bolzplatz ändern und eine zukünftige Fußballgeneration heranwachsen, bei der Fair Play und gegenseitiger Respekt wieder gelebt wird. Eine Schlüsselfunktion kommt dabei auch den vielen Nachwuchstrainern zu, die das vorgelebte Verhalten der Profi-Fußball zu relativieren haben – beziehungsweise die Suppe im Alltag auslöffeln müssen.

 

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Prof. Dr. Oliver Stoll: Guardiolas Aufgabe

Alarmstufe Rot: Nicht nur, dass alle WM-Helden des FC Bayern München fast das komplette Vorbereitungstraining verpassen. Es steht vor Saisonbeginn auch unbeantwortet die Frage im Raum, wie die Jäger des vierten Sterns nach ein paar Tagen Urlaub die Rückkehr aus der Campo Bahia-Traumwelt in den grauen Bundesliga-Alltag aus sportpsychologischer Perspektive verkraften? Die Vergangenheit zeigt, dass die Spieler des FC Bayern München nach Weltmeisterschaften eher schwer in den Tritt kamen.

Zum Thema: Wie werden Weltmeister motiviert?

Eines vornweg: Der Profi-Fußball hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Die Professionalisierung ist in fast alle Teilbereiche der Leistungsentwicklung vorgedrungen. Insofern trifft allen voran den FC Bayern München diese Problematik nicht unvorbereitet. Dennoch stehen Trainer Pep Guardiola und Sportdirektor Matthias Sammer sowie der gesamte Verein vor einigen Herausforderungen. Die neue Mannschaft muss zusammen wachsen, d.h. dass die Spieler aus der Mannschaft der vergangenen Saison nun die „neuen“ aufnehmen muss oder anders ausgedrückt, dass aus verschiedenen individuellen und persönlichen Zielen ein kollektives Ziel entwickelt werden muss. Hier fehlt nun aber aktuell das komplette „Gerüst“ der Mannschaft  für die kommende Saison. Die aktuell noch fehlenden Spieler stoßen erst am 5. August zur Mannschaft. Nicht einmal 14 Tage später geht es schon zum ersten Pflichtspiel zum Drittligisten Preußen Münster. Dies könnte dann schon zum ersten „Härtetest“ und somit zu einer „Drucksituation“ für die neue Bayern-Elf werden.

Der Erwartungsdruck der Öffentlichkeit auf die Bayern ist sicherlich hoch. Deutsche Meisterschaft, Pokalsieg, Champions-League… Die Frage ist nun, wie die Spieler und das unterstützende Personal diese Situation einschätzen. Die Sportpsychologie verfügt in solchen Situationen über einige Möglichkeiten, hier gezielt regulierend eingreifen zu können. Als „Kollektives Zielsetzungstraining“ bezeichnen wir ein Verfahren, mit dem es gelingen kann, einzelne Ziele und Bedürfnisse hin in Richtung der Entwicklung eines (oder mehrerer) kollektiver Ziele hin auszurichten. Dies schützt die Alltags(leistungs-)motivation im Trainingsprozess und wirkt präventiv hin auf Stress- oder Drucksituationen, denn diese Ziele bleiben zunächst im Kreis der Mannschaft und werden gegenüber der Öffentlichkeit nicht kommuniziert. Tatsache aber bleibt, dass dazu Zeit notwendig ist. Zeit, die der Mannschaft eventuell aktuell – aufgrund der noch im Urlaub verweilenden Nationalspieler – fehlt.

Neue deutsche Tugend – Mentale Stärke?

Andererseits handelt es sich ja auch hier um Fußball-Profis. Während der Fußball-Weltmeisterschaft haben die deutschen Nationalspieler ja schon nicht nur ausschließlich durch spielerische und taktische Leistung geglänzt. Gelobt wurde international auch die spürbare mentale Stärke. Hier lässt sich ein Querverweis zur Arbeit des Sportpsychologen des Nationalteams, Prof. Dr. Hans-Dieter Hermann, ziehen. Sein Einfluss endete sicher nicht mit der Übergabe des WM-Pokals, sondern wird sich auch darüber hinaus bemerkbar machen. Die Nationalspieler aus München standen auch in Brasilien „unter Druck“ und mussten auch in der Nationalmannschaft diesen kollektiven Zielsetzungsprozess durchlaufen. Die Spieler verfügen also auch schon diesbezüglich über einiges an Erfahrung und könnten diesen Prozess im Verein durchaus schneller absolvieren.

Trotzdem darf man in diesem Zusammenhang die individuellen und persönlichen Ziele nicht ignorieren. So lässt sich der Rücktritt Philipp Lahms aus der Nationalmannschaft beispielsweise sehen. Sein großes Ziel, so machte er in einem Interview mit der Zeit deutlich, sei der neuerliche Gewinn der Champions League. Daran wird ersichtlich, dass Spieler durchaus auch sehr bewusst mit diesen Zielen, die sie als Herausforderung sehen, umgehen. Lahm tritt aus der Nationalmannschaft zurück, um sich ganz auf diesen Ziel mit seinem Heimatverein konzentrieren zu können. Dies entlastet ihn und gibt ihm die Möglichkeit mit seinen Kräften sehr bewusst zu haushalten. Auch eine Champions-League-Saison ist lang und anstrengend. Vieles – rund um die CL – lässt sich nur schwer beeinflussen oder prognostizieren. Für die Spieler ist die Champions-League-Teilnahme ein sehr komplexes und vielschichtiges Aufgabenfeld, dass sich ganz bestimmt leichter angehen lässt, wenn die sportlichen Aufgaben überschaubar sind.

Neue Herausforderungen

Ein anderer erfolgreicher Nationalspieler, Toni Kroos, hat den Verein verlassen und sucht anderenorts nach neuen Herausforderungen. Und nicht zuletzt verfügt Bayern München über eine ganze Reihe von Spielern, die die WM nur vorm Fernseher oder fast ausschließlich von der Ersatzbank verfolgt haben. Und die angesprochenen Frank Ribery, Robert Lewandowski, David Alaba, Thiago, Javier Martinez oder Dante wollen die WM mit eigenen Leistungen sicher sehr schnell vergessen machen wollen. Am Ende ist es die Aufgabe allen voran von Trainer Pep Guardialo,allen Widrigkeiten durch die fehlende Vorbereitung zum Trotz diese Mannschaft so vorzubereiten, dass Bayern München seinen Weg in diese neue Saison findet.

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