Der Mann muss es wissen. Als gestandener Bundesliga-Coach, der neben der TSG 1899 Hoffenheim auch den Hamburger SV betreute und aktuell erfolgreicher Trainer des 1. FC Köln ist, weiß Markus Gisdol um die in seinem Job auftretenden Herausforderungen. Bereits 2010 berichtet er in diesem Zusammenhang als damaliger Trainer der zweiten Mannschaft der TSG 1899 Hoffenheim in einem Interview von seiner Zusammenarbeit mit Bernhard Peters, der damals u.a. für die Weiterentwicklung der Coaches verantwortlich war. Gisdol spricht von einem „Training für Trainer“, das u.a. die „Mannschaftsführung“ sowie den „Umgang mit verschiedenen Situationen“ thematisiert. Allein die Tatsache, dass sich die TSG nicht allein mit der Talentförderung, sondern auch der gezielten Weiterentwicklung der Coaches auseinandersetzt, zeigt die Komplexität dieses Berufs.
Zum Thema: Entwicklung von Fußballtrainern unter sportpsychologischen Gesichtspunkten
Die Komplexität des Trainerdasein drückt sich beispielsweise in der Vielfalt an Rollen aus, in die ein Chefcoach situationsspezifisch schlüpfen muss. Zunächst ist er der Experte schlechthin in seinem Fachbereich und versucht sein Wissen zwecks bestmöglicher Weiterentwicklung der Spieler effektiv zu vermitteln. Dabei „spielt“ er mal den knallharten Diktator, der klare Anweisungen gibt, welche die Fußballer umzusetzen haben, mal ist er der Animateur, der die Spieler zum freudvollen und kreativen Spielen auffordert. In anderen Momenten hingegen fungiert der Trainer als Pädagoge, der versucht, erzieherisch auf die Spieler einzuwirken. In bestimmten Situationen dagegen, beispielsweise nach Misserfolgserlebnissen, bedarf es der Rolle des Freundes und/oder des Psychologen, der versucht, mittels Empathie und Feingefühl Emotionen und Motivation zielgerichtet zu beeinflussen.
Die Nachwuchsabteilung des Halleschen FC hat die Leistungsressource des Trainercoachings erkannt, sodass ich als sportpsychologischer Berater des Nachwuchses an der Weiterentwicklung der Coaches arbeite. Eine Säule im Rahmen des Trainercoachings stellt dabei die gezielte Auseinandersetzung und Reflexion des eigenen Coachingverhaltens dar. Um dieses Vorhaben systematisch und strukturiert umzusetzen, begleite ich in meiner Funktion jedes Team (U10 – U19) innerhalb von zwei Wochen bei mindestens vier Einheiten und einem Spiel. Die vorrangige Zielstellung besteht dabei in der Optimierung des Coachingverhaltens, des Trainings- bzw. Spieltagsablaufs unter (entwicklungs)psychologischen Gesichtspunkten sowie in einer Möglichkeit zur Selbstreflexion. Als neutraler Außenstehender nehme ich im Rahmen der systematischen Trainings- und Spielbeobachtung eine Vogelperspektive ein, mache mir Notizen und fertige Videoaufnahmen zu folgenden Beobachtungsaspekten an:
Beobachtungsaspekte in der Trainerbeobachtung
- Körpersprache (Welche Signale sendet der Trainer mit meiner Körpersprache aus? Wie wirkt er auf andere?)
- Feedbackverhalten (Welche Art von Rückmeldungen gibt er Spielern?)
- Spielereinbezug (In welchen Situationen bezieht der Trainer die Spieler interaktiv in Fragestellungen und Thematiken mit ein?)
- Aufmerksamkeitslenkung (Inwieweit gelingt es dem Trainer, die Aufmerksamkeit der Spieler im Rahmen von Feedbacks, Übungserklärungen etc. erfolgreich zu binden?)
- Konfliktumgang (Wie geht er mit innerhalb der Mannschaft auftretenden Konflikten um?)
- Beziehungsgestaltung (Welche Mittel zum Aufbau, Gestalten und Pflegen von Beziehungen zu den Spielern nutzt er im Rahmen eines Trainings/Spiels?)
- Führungsstil (Welche Art von Führungsstil wählt der Trainer?)
- Kommunikation innerhalb des Trainerteams (In welchen Situationen kommuniziert der Trainer auf welche Art und Weise innerhalb des Trainerteams?)
- Organisatorischer Ablauf (Wie gestaltet er die Trainingsabläufe unter psychologischen Gesichtspunkten?)
- Sonstige Auffälligkeiten
Im Spiel werden diese Beobachtungsaspekte ergänzt durch
- die Ansprache vor und nach dem Spiel sowie Halbzeitansprache (Wie gestaltet der Trainer diese unter psychologischen Gesichtspunkten?)
- Trainertätigkeiten im Laufe des Spieltags (Welche Abläufe wählt er? Welche persönlichen Inhalte im Rahmen des Gesamtablaufs sind dem Trainer wichtig?)
Janosch Daul
Master-Student der Angewandten Sportpsychologie (Uni Halle/Saale)
Sportarten: u.a. Fußball, Handball, Basketball, Volleyball, Leichtathletik, Schwimmen, Tennis, Tischtennis, Badminton
Kontakt
+49 (0)176 456 190 41
j.daul@die-sportpsychologen.de
Zur Profilseite: https://www.die-sportpsychologen.de/janosch-daul/
Gezieltes Feedback für den Trainer
Auf Basis der in den Einheiten und im Spiel gemachten Notizen sowie Videoaufnahmen erstelle ich einen detaillierten Feedbackbogen für die möglichst zeitnah im Anschluss an die beobachteten Trainings bzw. das beobachtete Spiel anstehenden Reflexionsgespräche. Dabei erläutere ich zunächst die bereits genannten Zielstellungen des Gesprächs und gebe dem Trainer mittels gezielt herausgearbeiteter Videoszenen zunächst die Möglichkeit zur Selbstreflexion in Bezug auf die aufgeführten Beobachtungsaspekte. Der dem jeweiligen Trainer zur Verfügung gestellte Feedbackbogen dient als Grundlage für das Gespräch. Dieser ist unterteilt in Beobachtungsaspekt, Beobachtung und Fazit/Tipps. Das Beobachtungsfeld bezieht sich auf konkrete Wahrnehmungen in Bezug auf den jeweiligen Aspekt, die im Reflexionsgespräch mithilfe der Videoszenen für dem Trainer visuell ersichtlich konkretisiert werden. Die Rubrik „Fazit/Tipps“ gibt meine Meinung in Bezug auf das Beobachtete wieder, die ich mit dem Trainer ebenso diskutiere wie erste Anregungen und Tipps. Dabei handelt es sich um eine Wahrnehmung aus psychologischer Sicht, die sich nicht zwangsläufig mit der Meinung des Trainers decken muss. Entscheidend ist für mich, dass der Trainer die aus seiner Sicht relevanten Leistungspotenziale identifiziert, sich mit diesen bewusst auseinandersetzt und darauf aufbauend eigeninitiativ oder mithilfe von weiteren Face-to-Face-Coachings mit mir an diesen Aspekten arbeiten kann.
Gern stehen meine Kollegen von Die Sportpsychologen (zur Übersicht) und ich (zum Profil von Janosch Daul) bereit, entsprechende Beobachtungen auch bei eurem Verein durchzuführen. Nehmt gern entsprechend Kontakt auf.
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