Ole Fischer: „Kann man sein Kämpferherz trainieren, wenn ja, wie?“

Kürzlich habe ich auf meinem Instagramaccount (Link) eine Umfrage gestartet, um von meinem Publikum zu erfahren, was sie denn gerne von einem sportpsychologischen Experten wissen würden? Einige Sportler meldeten sich bei mir mit ihren Fragen. Ein/e Athlet/in schrieb folgendes: „Kann man sein Kämpferherz trainieren, wenn ja wie? Also, gezielte Aggressionen, Siegeswille…?“ 

Häufig konsultieren mich Kampfsportler, wenn es darum geht, was sie tun können, um im Wettkampf aggressiver zu sein. Doch ist dies überhaupt die Frage, welche zur besseren Performance führt? In diesem Artikel möchte ich, anhand eines Beispiels, erklären, was in der sportpsychologischen Beratung überhaupt geschieht. Außerdem möchte ich dem/derjenigen Sportler/in einige Tipps geben. Eines vorab: Dieser Artikel ersetzt keine professionelle Beratung, sondern schlägt lediglich mögliche Ansatzpunkte für Verbesserungen vor.

Zum Thema: Vom diagnostischen Prozess zur praktischen Arbeit – Der Weg von einer Athletenfrage via Instagram zur sportpsychologischen Betreuung

Eine pauschale Antwort ist nicht das Mittel der Wahl für den sportpsychologischen Beratungskontext. Kommt ein Athlet oder eine Athletin mit einer derartigen Fragestellung zu mir, so führe ich zunächst eine genaue Diagnostik durch. Beispielsweise im Rahmen eines Interviews. Auf meine Nachforschung hin schrieb mir der/die Athlet/in folgende Nachricht:

Zitat von Instagram (Bild: Adobe Stock, 232157641)

Begutachten wir die Nachricht von unserem/er Kickboxer/in mal etwas genauer, fällt doch einiges auf.

Thema Aggression:

Die Psychologie definiert Aggression als jegliches Verhalten, welches sich absichtlich gegen andere Lebewesen richtet, um ihnen weh zu tun oder sie zu verletzen. Das möchte unserer Sportler/Sportlerin im Normalfall nicht. Denn Sportler haben die moralische Verantwortung, klare Unterschiede zu machen, ob sie aggressiv sein möchten, um anderen zu schaden oder ob ihr Ziel Durchsetzungsvermögen ist.

Eine genaue Klärung des Sachverhalts ist der erste Schritt in eine gute Beratungssituation. 

Thema Zielsetzung:

Die hier angesprochene Zielsetzung ist sehr vage formuliert. „Etwas aggressiver kämpfen“ ist eine Phrase, die so mancher Sportler in seinem Sprachgebrauch hat. Im Rubikonmodell der Handlungsphasen (Heckhausen und Gollwitzer) wird schon in der Abwägephase klar: Ein oder mehrere eindeutige Ziele sind notwendig, um sich auf die Verfolgung und Verwirklichung dieser festlegen zu können. Sprich: Der Erfolg einer Handlung hängt mit ihrer exakten Planung zusammen.

Ein erster Schwerpunkt für eine Leistungsverbesserung wäre gelegt. 

Thema Aktivierungsregulation:

„Auf Turnieren habe ich oft das Gefühl einfach zu machen ohne, dass mein Kopf eigentlich bei der Sache ist.“ 

Ein Satz wie aus dem Lehrbuch. Der Athlet/die Athletin fragt sich, wo denn sein/ihr Kopf im Wettkampf sei? Manchmal hören wir als Experten auch Sätze wie: „Irgendwie lief der Wettkampf an mir vorbei.“ „Bevor ich richtig drin war, war schon alles zu spät.“ 

Ein Anzeichen für eine unzureichende Aktivierungsregulation. Ob nun eine gesteigerte Aktivierung oder eine Entspannung hilfreich wäre, ließe sich erst in der weiteren Diagnostik feststellen. Ich habe zum Thema Aktivierungsregulation bereits im vergangenen Jahr einen Artikel verfasst, der einige hilfreiche Tipps enthält: 

Mehr zum Thema Aktivierungsregulation: https://www.die-sportpsychologen.de/2018/12/06/ole-fischer-optimal-aktiviert-zwischen-anspannung-und-entspannung/

Thema Handlungsorientierung:

„Ich bin dann auch unfähig meinen Kampfstil umzuschalten, wenn es mal nicht so läuft.“

Auch damit liebe/r Sportler/in bist du nicht allein! Hin und wieder kommt es vor, dass dir die eigene Lage zwar bewusst ist, du dich aber nicht in den notwendigen Zustand der Handlungsorientierung versetzen kannst. Was bedeutet das? 

Wir sprechen hier von der sogenannten Lageorientierung (du konzentrierst dich auf die Situation, in der du dich befindest, bspw. du verlierst den Kampf, bekommst Treffer ab etc.). Was dir helfen kann, ist Übung dabei zu erlangen, dich auch in schwierigen Situationen in die Handlungsorientierung zu versetzen (welche Handlung solltest du durchführen, um den Wettkampf zu gewinnen). Dieser Schwerpunkt ist eng mit der Zielsetzung verknüpft und erfordert sportpsychologisches Training.

Thema Selbstzweifel: 

„Aber anscheinend nicht genug?“

Ob der Athlet/die Athletin wirklich unter Selbstzweifeln leidet, bedarf einer genaueren Diagnostik. Dieser Satz kann ein Hinweis darauf sein, dass das Thema Selbstzweifel präsent ist – es muss aber nicht! Darum ist es wichtig, genau zu hinterfragen und die Selbsteinschätzung des gegenüber nicht in Frage zu stellen. Ein gutes Vertrauensverhältnis zu sich selbst und zum sportpsychologischen Berater ist notwendig, um diese Fragestellung zu bearbeiten. 

Einen tollen Text zum Umgang mit dem Thema Angst und Selbstzweifeln hat mein Kollege Dr. Gubelmann verfasst: https://www.die-sportpsychologen.de/2016/01/07/dr-hanspeter-gubelmann-wenn-angst-mitfliegt/ 

Thema Mentales Training: 

„Mir fehlt oft der letzte Zentimeter an Streckung oder das letzte bisschen Konsequenz um den Treffer zu machen.“

Mithilfe der Technik des mentalen Trainings ist es möglich, eine Bewegungsoptimierung zu erlernen, sowie psychisch-limitierende Faktoren zu eliminieren. Ein weiterer Ansatzpunkt mit dem eine mögliche Leistungsverbesserung des Kickboxers/der Kickboxerin herbeigeführt werden könnte. Diese Technik erfordert einige Zeit für die Planung und Rücksprache mit dem jeweiligen Experten.

Zum Profil von Ole Fischer: https://www.die-sportpsychologen.de/ole-fischer/

Kein Ei ist wie das andere

Stellen Sie sich vor: Sie gehen auf eine Party und lernen einen Zahnarzt kennen. Sogleich fällt Ihnen ein, dass Sie ja seit Wochen dieses Problem mit dem Backenzahn haben. „Wissen Sie, was das sein könnte?“ fragen Sie. Was wird der Zahnarzt antworten? Sicher nicht: „Das ist ein altbekanntes Problem, den Zahn machen wir Ihnen hier auf der Stelle raus, dann sind Sie die Probleme los.“ Er würde wahrscheinlich konstatieren, dass es Karies, die Zahnwurzel oder Paradentose sein könnte, was da Probleme bereitet und Ihnen einen Termin in seiner Praxis vorschlagen.

Die Sorgfaltspflicht ist, dass was uns als zertifizierte Sportpsychologen und sportpsychologische Experten davor beschützen soll, diagnostische Schnellschüsse abzugeben oder eine Pauschaldiagnose zu stellen. Also wenn du lieber Kickboxer/liebe Kickboxerin eine genaue Diagnose haben möchtest, komm doch gerne in meine Sprechstunde in Hamburg oder vereinbare einen Skype-Termin mit mir. Hier geht es zu meinen Kontaktdaten, meine Kollegen aus allen Teilen Deutschlands, Österreich oder der Schweiz finden sich hier (zu den Profilen). Ich hoffe, dass ich Dir und auch den anderen Lesern eine Idee davon mitgeben konnte, wie die sportpsychologische Beratung bei einer solchen Frage aussehen kann.

Hinweis: Das Fallbeispiel wurde mit der schriftlichen Einwilligung der betreffenden Person veröffentlicht.

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Mathias Liebing
Mathias Liebinghttps://www.torial.com/mathias.liebing
Redaktionsleiter bei Die Sportpsychologen und freier Journalist Leipzig Deutschland +49 (0)170 9615287 E-Mail-Anfrage an m.liebing@die-sportpsychologen.de