Katharina Petereit: Zum Tod von Andreas Biermann

Der ehemalige Profifußballer Andreas Biermann hat am 18. Juli 2014 den Kampf gegen seine Depressionen verloren. Er wurde in seiner Berliner Wohnung tot aufgefunden. Seine Erkrankung brachte er bereits nach dem Suizid von Fußball-Nationaltorwart Robert Enke im Jahr 2009 selbst ans Tageslicht. Helfen konnten dem früheren Zweitliga-Spieler vom FC St. Pauli am Ende weder Fachleute noch sein sportliches Umfeld.

Zum Thema: Was kann die Sportpsychologie bei depressiven Sportlern leisten?

Depressionen beschreiben eine psychische Erkrankung, die von Traurigkeit, Niedergeschlagenheit, Sinnleere, Kraft- und Energielosigkeit gekennzeichnet ist (Köllner & Broda, 2005). Andreas Biermann befand sich in einem Tunnel, an dessen Ende er kein Licht mehr sah. In das Innere eines Erkrankten kann auch der beste Psychotherapeut nicht schauen, jedoch ist er – im Gegensatz zu einem Sportpsychologen – in der Lage, in adäquaten Therapien zu helfen. Dem Sportpsychologen kommt vielmehr die Rolle zu, als Vertrauensperson den betroffenen Sportler an einen Experten zu vermitteln und zusätzlich für die sportlichen und mentalen Aspekte im Zuge der Behandlung zur Verfügung zu stehen. Die Bewältigung einer Depressionen darf ein Sportpsychologe sowohl aus ethischer als auch fachlicher Sicht nicht leisten. Dies gilt auch für andere psychische Krankheiten.

Sportpsychologische Vor- und Nachsorge

Nach dem Freitod von Robert Enke im Jahr 2009 waren sich alle einig – es müssen Präventionsangebote und Anlaufstellen für betroffene Sportler geschaffen werden. Ob die entstandenen Strukturen für die Betroffenen ausreichen, beleuchtet Prof. Dr. Oliver Stoll auf die-sportpsychologen.de Ende Juli in einem Leitartikel zum Thema. Ich persönlich würde mir wünschen, dass Sportpsychologen noch stärker schon im Nachwuchsbereich über das Thema Depressionen informieren dürften. Wiederum nicht im Sinne therapeutischer Maßnahmen, sondern ausschließlich um die Aufklärung und Sensibilisierung gegenüber dieser Krankheit voranzubringen und Empathie und Verständnis zu vermitteln – denn Depression ist keine Schwäche, sondern eine Krankheit. Dies wäre ein wesentlicher Schritt für mehr Offenheit und Akzeptanz gegenüber psychischen Erkrankungen in der Sportwelt. Präventionsangebote sollten dazu dienen, dass ein Sportler sich, seine Gedanken und Gefühle regelmäßig reflektieren und einordnen kann und sich, wenn nötig, schnellstmöglich Hilfe sucht. Und dabei keine Angst vor einem Rauswurf, vor Ausgrenzung oder negativen Reaktionen seiner Umwelt haben muss.

Sportpsychologen als Vertrauenspersonen haben in ihrer täglichen Arbeit nicht zuletzt die Möglichkeit, effektive Laufbahnberatung zu leisten und beim Karriereübergang zu unterstützen. Beim Karriereende ist es enorm wichtig, die Stärken des Sportlers herauszustellen, vor allem, wenn sich dieser bisher ausschließlich über seinen Sport definierte. Es geht darum, den Einzelnen bei seiner Sinnfindung nach der Karriere zu unterstützen, mit ihm alternative Wege zu erarbeiten und ihn – im Falle von psychischen Erkrankungen – bei seinen Schritten in der Psychotherapie zu begleiten.

Für Andreas Biermann kommen aktuell im Aufbau befindliche Betreuungsstrukturen im Nachwuchs- und Profi-Fußball leider zu spät, auch wenn seine Erkrankung ohnehin das Feld der Sportpsychologie verlassen hätte.

(Erstveröffentlichung: 21.07.2014)

Weiterführende Literatur:

Biermann, A. & Schäfer, R. (2011). Rote Karte Depression: Das Ende einer Karriere im Profifußball. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus.

Köllner, V. & Broda, M. (2005). Praktische Verhaltensmedizin. Stuttgart: Georg Thieme Verlag KG.

 

 

Views: 1501

Katharina Petereit
Katharina Petereithttp://www.die-sportpsychologen.de/katharina-petereit/

Sportarten: Fußball, Karate, Boxen, Kickboxen, Turnen, Trampolinturnen, Volleyball, Hockey, Handball

Münster, Deutschland

E-Mail-Anfrage an k.petereit@die-sportpsychologen.de

4 Kommentare

  1. […] Eine der Aufgaben der Sportpsychologen ist es, durch unterschiedliche präventive Maßnahmen sowie Einzelarbeit das allgemeine psychische Wohlbefinden der Sportler beziehungsweise der Trainer zu fördern. Dies kann unter anderem depressiven Erkrankungen vorbeugen sowie helfen, diese frühzeitig festzustellen. Dafür soll aber der Sportpsychologe ein fester Teil des Teams sein und ständig mit dem Sportler und dem Trainer Kontakt haben, was leider nicht immer der Fall ist. Hinsichtlich der Behandlung einer Depression darf ein Sportpsychologe dies nur in dem Fall anbieten, wenn er eine anerkannte Psychotherapieausbildung gemacht hat. (siehe Blog-Beitrag: Katharina Petereit: Zum Tod von Andreas Biermann) […]

  2. Der Begriff “Freitod” im Zusammenhang mit Suizid bei Depression ist unangemessen und wird deshalb in der klinischen Psychologie nicht verwendet.

  3. Vielen Dank für diese wichtige Anmerkung! Ich habe es auch noch einmal nachgelesen und geändert.

  4. […] Spätestens seit dem Suizid von Robert Enke im November 2009 ist das Thema Depression in Deutschland massenöffentlich geworden. Wie viel sich am Umgang mit psychischen Erkrankungen insbesondere im Profi-Fußball geändert hat, bleibt schwer zu bewerten. Größeren Anlass zur erneuten Diskussion bot im Vorjahr der Suizid des Profifußballers Anders Biermann. Katharina Petereit widmete sich am 21. Juli 2014 dem Thema und arbeitet dabei insbesondere heraus, an welche Stelle der Einflussbereich der Sportpsychologie endet: Zum Tod von Andreas Biermann […]

Kommentarfunktion ist geschlossen.