Wie im dazugehörigen Blogbeitrag (Link) aufgezeigt, haben langwierige Ärgerreaktionen eines Fußballspielers auf bestimmte Situationen in zahlreichen Bereichen eine Leistungsminderung zur Folge. Wie kann nun ein Trainerteam zusammen mit einem Sportpsychologen an einer funktionalen Ärgerbewältigung der Spieler arbeiten, damit diese schnellstmöglich wieder leistungsfähig sind? Mit dieser Fragestellung möchte ich mich im folgenden Beitrag beschäftigen.
Zum Thema: Tipps zur Ärgerbewältigung in der Praxis
Genau wie Passtechniken trainiert, Spielzüge einstudiert und konditionelle Grundlagen gelegt werden können, ist es möglich, den funktionalen Umgang mit Ärger mit vergleichsweise einfachen Mitteln zu trainieren. Eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Trainerteam und dem Sportpsychologen stellt hierfür eine wichtige Voraussetzung dar.
Der erste Schritt besteht in einer Psychoedukation durch den Sportpsychologen, einer Art Aufklärung der Spieler hinsichtlich des Themas. Ziel muss es in dieser Phase sein, die Fußballer für die Thematik zu sensibilisieren und insbesondere den Zusammenhang zwischen Ärgerbewältigung und Leistungsfähigkeit zu verdeutlichen.
Das Ziel des anschließenden Bewältigungstrainings besteht darin, dass die Spieler, um den Fokus rasch von der ärgerauslösenden Situation hin zur kommenden Situation zu verschieben, praktische Bewältigungsstrategien erlernen.
Nach der Aufklärung folgt die Konfrontation
Der Sportpsychologe kann die Spieler an dieser Stelle mit ärgerauslösenden Situationen aus Trainingseinheiten und Spielen in Form von zusammengeschnittenen Szenen konfrontieren. Für jede dieser Szenen sollte jeder Spieler individuell funktionale Selbstgespräche entwickeln, mit denen er sich identifizieren kann. Diese sollten relativ kurz und unbedingt positiv formuliert sein. Zudem ist mit jedem Spieler individuell ein Trigger zu entwickeln, der es dem Spieler ermöglicht, die Ärgerroutine zu initiieren, sobald er in eine langwierige Ärgerreaktion hineinzurutschen droht. Mögliche Trigger können beispielsweise darin bestehen, kurz auf die Zunge zu beißen, mit einer Hand kurz den Oberschenkel zu touchieren oder mit zwei Fingern zu schnipsen.
Zudem sollte sich jeder Spieler ein inneres Bild in Form eines Orts oder Symbols überlegen, welches für ihn stressinkompatibel ist, sprich: eine eher entspannende, beruhigende Wirkung entfaltet.
Trockentraining der Ärgerroutine
Dann beginnt das eigentliche Training. Der Spieler versucht sich mit allen Sinnen in die ärgerauslösende Situation hineinzuversetzen, sich diese vorzustellen und dann mit der entwickelten Routine (Trigger + Selbstgespräch + Vorstellung des Symbols/Bildes) auf den Ärgermoment zu reagieren. Gegebenenfalls kann es sinnvoll sein, insbesondere, wenn mit jüngeren Spielern gearbeitet wird, eine Vorübung zur Visualisierung voranzustellen. Beispielsweise kann eine Frucht erst ganz genau betrachtet, ertastet und gerochen werden, ehe der Spieler versucht, sich bei geschlossenen Augen an alle Details zu erinnern. Wichtig ist eine regelmäßige Wiederholung dieser Routine bis hin zur Automatisierung.
Sind die Selbstgespräche verinnerlicht und ist die Routine mehrfach im Trockentraining durchgespielt worden, kann zum nächsten Schritt übergegangen werden und der Spieler versucht, die Routine in entsprechenden Trainingssituationen anzuwenden. Wichtig ist insbesondere in der Phase, in der die Routine noch nicht automatisiert wurde, dass der Trainer oder Sportpsychologe z.B. über ein im Vorhinein abgesprochenes Signalwort den Fußballer im Training immer wieder an die Routine erinnert. Mit zunehmendem Üben sollte der Spieler in der Lage sein, die Routine eigeninitiativ abzurufen. Der letzte Schritt besteht in der Überführung in die Wettkampfpraxis. Wichtig ist ein ständiger Austausch zwischen dem Sportpsychologen, dem Trainerteam und dem Spieler, um die Routine gegebenenfalls anzupassen und zu optimieren.
„Ärgertrainings“ als zusätzliche Übungshilfe
Mithilfe von Ärgertrainings kann der Trainer zudem gezielt Reizpunkte setzen. Gemein haben Ärgertrainings, dass die Anforderungen an die Selbstgesprächsregulation aufgrund zahlreicher ärgerauslösender Situationen höher sind als in einem gewöhnlichen Training. Ein Beispiel für ein solches Training besteht darin, dass der Trainer in einer Spielform bewusst falsche Schiedsrichterentscheidungen trifft. Durch Trainings solcher Art kann nicht nur der Einsatz der Ärgerroutine gefestigt werden, sondern auch überprüft werden, wie leistungsfähig ein Spieler hinsichtlich einer funktionalen Ärgerbewältigung bereits ist.
Haben Sie weitere Fragen zur praktischen Umsetzung? Dann wenden Sie sich gern an meine Kollegen (https://www.die-sportpsychologen.de/sportpsychologen-nach-sportarten/) oder mich (https://www.die-sportpsychologen.de/janosch-daul/ ).
Link
Literatur:
Alfermann, D. & Stoll, O. (2007). SPORTPSYCHOLOGIE-Ein Lehrbuch in 12 Lektionen (2. Aufl.). Aachen: Meyer & Meyer.Croos-Müller, C. (2011). Kopf hoch- das kleine Überlebensbuch. Kösel: München.
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