Johanna Constantini: „Together alone“ – wann das digitale Publikum uns nichts mehr nützt!

Sherry Turkle ist eine US-amerikanische Soziologin und Professorin für Science, Technology and Society am Massachusetts Institute of Technology (MIT), die sich seit vielen Jahren mit digitalen Technologien auseinandersetzt. Nachdem die erfolgreiche Buchautorin noch vor rund zehn Jahren über die vielen Vorteile neuer Kommunikationstechnologien geschrieben hat, sieht sie die einstigen „Erleichterungen“ unseres Alltags mittlerweile sehr kritisch an.  In diesem Spannungsfeld bewegen sich auch Sportler – mittlerweile fast ohne Ausnahme.

Zum Thema: Was moderne Sportpsychologen vom Umgang mit sozialen Medien wissen sollten! (Aus der Reihe: Was moderne Sportpsychologen über soziale Medien wissen sollten – Teil 8)

„Was wir heute mit unseren Smartphones machen, hätten wir vor wenigen Jahren noch absolut komisch gefunden“, beschreibt Turkle vor allem unhöfliches Verhalten wie das Versinken in Handy-Displays, während wir von Menschen umgeben sind. Diese Phänomene lassen sich auch im Sport beobachten, wenn das Smartphone aus der Hosentasche gezogen wird, während Athleten beispielsweise bei der Trainerbesprechung sind, auf den Start des Wettkampfs, oder auch auf den eigenen Teamkollegen vor dem Training warten. Ab diesem Moment sind Sportler nicht nur im realen Leben vor Ort, sondern im selben Moment auch an vielen weiteren Plätzen in der digitalen Welt zugegen. Folglich niemals auf nur eine Sache, in dem Fall ihr Gegenüber, voll konzentriert.

Auf der ständigen Jagd nach der Resonanz ihres online Publikums merken Sportler meist zu spät, dass sich von diesen „digitalen Zusehern“ besonders in weniger erfolgreichen Zeiten nicht viel erwarten lässt. Fehlende Likes und wenig Reaktionen auf Postings führen in Folge dessen nachweislich zu Einbrüchen im Selbstwert. (Vogel, E., Rose, J.P. & Roberts, L. 2014) Das persönliche Gespräch mit dem Trainingskollegen täte nun wohl besser – stattdessen werden vor den Personen aus unserem Umfeld das Schutzschild  Smartphone aufgebaut.

Johanna Constantini
Zum Profil von Johanna Constantini: https://www.die-sportpsychologen.de/johannaconstantini/

Sportpsychologen sollten analoge Vertrauenspersonen eruieren und Athleten zur Beziehungsarbeit motivieren

Während Smartphones, digitale Kommunikation und alles, was mit Postings zu tun hat, uns zwar die Möglichkeit gibt, ein perfektes Bild unserer Selbst zu präsentieren, so verlaufen Konversationen in Echtzeit um vieles authentischer.  Nachdem Sportler auch auf dem Platz in Echtzeit agieren müssen, sollte wieder mehr Wert auf die „echten Beziehungen“ gelegt werden.


Genauso verhällt es sich mit den Vertrauenspersonen. Wenn sich Athleten vorrangig online ihr soziales Netzwerk aufbauen, so werden reale Gesprächspartner vor allem in eben erwähnten Krisenzeiten nur minder zur Verfügung stehen. Sportpsychologische Arbeit beinhaltet daher auch, „analoge Vertrauenspersonen“  der Athleten zu eruieren und sie zum Beziehungsaufbau zu animieren. Da es für das soziale Wesen Mensch kaum etwas Wichtigeres gibt, als den regelmäßigen Austausch mit seinen Mitmenschen zu suchen, sollte besonders auf funktionale Beziehungen im realen Leben und „echte Unterstützung“ Wert gelegt werden. Bei allen Vorteilen die moderne Technologien auch für die Sportwelt bringen, so ist es immer noch am sinnvollsten, soziale Verbindungen analog zu stärken, um für Rückhalt und Unterstützung der Athleten sorgen zu können.


Die komplette Serie:

Quellen:

https://www.ted.com/talks/sherry_turkle_alone_together#t-1160748

Vogel, E., Rose, J.P. and Roberts, L. 2014. Social comparison, social media and self esteem. Psychology of Popular Media Culture. 2014, Vol. 3, No. 4, 206-222

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Mathias Liebing
Mathias Liebinghttps://www.torial.com/mathias.liebing
Redaktionsleiter bei Die Sportpsychologen und freier Journalist Leipzig Deutschland +49 (0)170 9615287 E-Mail-Anfrage an m.liebing@die-sportpsychologen.de