Ole Fischer: Sinnvolles Bestrafen im Mannschaftssport

Bruno Labbadia, der Trainer vom VfL Wolfsburg, kündigte vor dem Beginn der Fußball Bundesligasaison an, unpassendes Verhalten seiner Spieler mit neuen Strafen zu belegen. So sollen die Profis nun etwa zum Spül- oder Zeugwartdienst verdonnert werden. Ein spanennder Weg, aber auch einerfolgericher? Schließlich sollte im Leistungssport selbst die Bestrafung dazu führen, dass die sportliche Leistung optimiert wird.

Zum Thema: Bestrafung im Sport

Viele Sportpsychologen sind sich einig: Geht es darum, ein gewünschtes Verhalten hervorzurufen, ist es notwendig, dieses beim Auftreten positiv zu verstärken – zum Beispiel mit einem Lob. Möchte der Trainer, der Funktionär oder auch der Kapitän jedoch, dass ein unerwünschtes Verhalten vom Athleten nicht erneut präsentiert wird, ist es eine praktikable Methode, durch Bestrafung eine negative Verstärkung auszulösen.

Trotz der Tatsache, dass sich die beiden Techniken als wirksam erwiesen haben, sind wir Sportpsychologen uns einig, dass es häufiger zur Anwendung von positiven Verstärkungen wie Belohnung und Lob kommen sollte. Begründet wird dies durch die positiven Nebeneffekte, wie unter anderem der Stärkung des Selbstbewusstseins und der Selbstachtung, welche für generellen Erfolg notwendige Eigenschaften sind.

Weshalb auch Strafen ihre Berechtigung haben

Strafen können als erzieherische Maßnahme Wirkung zeigen, um Stabilität zu gewährleisten und Rangordnungen zu unterstützen. Gerade im Teamsport existiert eine starke Erwartungshaltung an die Kooperation untereinander und eine Ablehnung destruktiven Verhaltens. Deshalb erscheint es hin und wieder notwendig, Bestrafung anzuwenden, um unerwünschtes Verhalten zu eliminieren und so die Einhaltung der konventionellen Regeln zu forcieren.

Hierbei möchte ich jedoch erneut betonen, dass es zielführend ist, hauptsächlich positive Verstärkung zu nutzen, um das beliebige Benehmen zu fördern. In Jugendteams hat sich dabei ein Verhältnis von 5:1 im Bereich positive vs. negative Verstärkung als zielführend erwiesen. Im Profibereich ist dieser Wert etwas geringer aufgestellt – mit etwa 3:1 bzw. 2:1.

Effektives Bestrafen

Sollten sich die Verantwortungsträger dafür entscheiden, dass die Bestrafung der einzige Ausweg ist, gibt es dabei ein paar wichtige und nicht zu unterschätzende Regeln zu beachten:

  • Für jeden sollte es dieselbe Strafe für dasselbe Vergehen geben (z.B. Strafenkatalog).
  • Man sollte stets das Verhalten bestrafen und nicht die Person an sich.
  • Physische Aktivitäten oder Training sollten nicht als Bestrafung dienen, da unter Umständen die intrinsische Motivation zum Training verloren gehen kann. Sollte es eine sich um die Strafe für ein gesamtes Team drehen, kann eine kleine Übung allerdings auch das Teamgefüge stärken.
  • Strafe sollte nicht den Athleten dabei unterstützen, die Aufmerksamkeit aller auf sich zu ziehen.
  • Bestrafung darf nicht mit Geschrei und Aggression einher gehen, sonst wird es schnell persönlich – eine sachliche Ebene ist bei der Vermittlung der Strafe angebracht.
  • Die Bestrafung sollte dem Alter entsprechend sein.
  • Es ist wichtig, dass die Athleten den Grund für die Bestrafung verstehen.
  • Die Mitglieder eines Teams sollten nicht für das Vergehen eines einzelnen bestraft werden.
  • Kein Sportler hat es verdient, vor seinen Teammitgliedern bloßgestellt zu werden.

Effektives positives Verstärken

Wie bereits in den vorherigen Abschnitten diskutiert, ist die positive Verstärkung immer noch der effektivste Weg, um das gewünscht Verhalten zu fördern. Auch hier möchte ich ein paar Grundlagen vorstellen.

Klar ist, nicht jedes richtige Verhalten kann belohnt werden. Man sollte sich in seiner Philosophie also darüber im Klaren sein, welches das angemessenste und beste Verhalten ist, dass man als Trainer bestärken möchte. Dabei sollte es nicht um das Ergebnis gehen (z.B. der Sieg) sondern vor allem um erbrachte Leistung in bestimmten Situationen. Da das Ergebnis manchmal nicht vom Sportler alleine zu beeinflussen ist, ist es umso wichtiger, dass er für gute Leistung und „richtig“ eingesetzte Techniken belohnt wird. Und natürlich auch für den Versuch, sein Bestes zu geben auch wenn am Wettkampftag eventuell ein Gegner besser performt hat.

Verschiedene Arten von Belohnung

Als ich einem Basketballtrainer riet, deutlich mehr Lob einzusetzen, um seine Spieler zu motivieren, erwiderte er, dass er ja nicht immer sagen könnte: „Gut gemacht!“. Es würde ihn ja niemand mehr ernst nehmen.

Diese Aussage ist natürlich nicht ganz unwahr. Die Spanne an effektiven Belohnungen ist allerdings viel größer:

  • Soziale Verstärkung wie Lob, Lächeln, ein Schulterklopfen und Lob vor anderen.
  • Materielle Belohnungen also Sachpreise, Klamotten oder z.B. eine Apfelschorle.
  • Bewegungsbelohnungen sind zum Beispiel: Spiele statt Drillübungen, eine Extrapause oder mal eine neue Sportart ausprobieren.
  • Spezielle Wertschätzungen: Ein Teamausflug, eine Feier oder einen besonderen Gast ins Training einzuladen.

Auch bei der Belohnung ist es wichtig, dass die Athleten immer genau verstehen, weshalb sie belohnt werden.

Ole Fischer
Zum Profil von Ole Fischer: https://www.die-sportpsychologen.de/ole-fischer/

Der Fall Labbadia

Um die Wirkung seiner Strafen gleichmäßig zu gestalten, entwarf Bruno Labbadia einen Strafenkatalog, der für jeden Spieler dieselben Konsequenzen bedeuten soll. Damit verbessert er das vorherrschende System der Bundesliga, in dem Geldstrafen, welche in der Regel nicht am Einkommen der Spieler bemessen sind, zur Maßregelung dienen.

Ob Strafen wie Putzdienst und Zeugwartaufgaben den Spieler nun bloßstellen, liegt natürlich immer im eigenen Ermessen. Denn auch bei Strafen gilt: Das Individuum ist das Maß aller Dinge.

Blick auf das Wertesystem

Letztendlich reagieren Spieler unterschiedlich auf Lob und Strafe, da ihr Wertesystem durch ihr bekanntes Umfeld (Erziehung, gesellschaftliche Konventionen etc.) geprägt ist. Deshalb sollten Sie als Trainer sich stets Gedanken machen, ob ihre Strafen für alle Spieler den gleichen Wert besitzen. Schließlich geht es nicht darum, jemanden zu beleidigen, sondern die Konsequenz seiner Handlung zu verdeutlichen.

Mehr zum Thema:

Dr. René Paasch: Ziele und Motivation
Simon Brandstätter: Neue Autorität – Was sich im modernen Sport verändert

Quellen:

Weinberg, R. S., & Gould, D. (2014). Foundations of Sport and Exercise Psychology, 6E. Human Kinetics.

Linz, L. (2009). Erfolgreiches Teamcoaching: ein sportpsychologisches Handbuch für Trainer. Meyer & Meyer Verlag.

Duncan-Andrade, J. M., & Morrell, E. (2008). What a coach can teach a teacher. Counterpoints285, 69-88.

Skinner, B. F. (1953). Science and human behavior (No. 92904). Simon and Schuster.

 

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Mathias Liebing
Mathias Liebinghttps://www.torial.com/mathias.liebing
Redaktionsleiter bei Die Sportpsychologen und freier Journalist Leipzig Deutschland +49 (0)170 9615287 E-Mail-Anfrage an m.liebing@die-sportpsychologen.de