Bei meiner Tätigkeit als Sportpsychologin arbeite ich vermehrt mit SportlerInnen, die wir als digital natives oder auch digital immigrants bezeichnen können. Dabei handelt es sich um jene AthletInnen, die in den Gebrauch von Smartphones und dem uneingeschränkten Zugang zu sozialen Medien hineingeboren (digital native), oder während ihrer Kindheit unmittelbar damit aufgewachsen sind (digital immigrants). (Prensky, 2001) Zwar sind nicht alle AthletInnen dieser und älterer Generationen dem Hype der neuen Kommunikationsformen verfallen, dennoch befassen sich viele von ihnen auch während ihrer Wettkämpfe mit den digitalen Welten, die in ihren Smartphones stecken. Diverse Social Media Kanäle habe ich bereits in meiner Serie zum „Umgang mit sozialen Medien in der modernen Sportpsychologie“ (alle Teile sind unter dem Text verlinkt) erwähnt. Wie diese das für den sportlichen Erfolg so wichtige Selbstwertgefühl beeinflussen können, möchte ich heute auf Basis der aktuellen Forschungsarbeiten näher beleuchten.
Zum Thema: Der Vergleich über soziale Medien und wie er sich auf den Selbstwert unserer AthletInnen auswirkt! (Aus der Reihe: Was moderne Sportpsychologen über soziale Medien wissen sollten – Teil 6)
SportlerInnen sind auch nur Menschen, so viel steht fest. Menschen, die sich über ihren Sport Bestätigung holen, wie es Manager über ihren Beruf, Mütter und Väter über ihre Kinder tun. Ständig sind wir Menschen also damit beschäftigt, uns mit anderen in unserem Umfeld zu vergleichen. Diese Theorie wurde bereits 1954 durch den US-amerikanischen Sozialpsychologen Leon Festinger begründet, im Zeitalter der sozialen Medien wird sie jedoch in ein ganz neues und vor allem aktuelles Licht gerückt. Bei dem sozialen Vergleich unterscheidet man dabei generell zwischen zwei verschiedenen Arten:
Einerseits spricht man von der sogenannten „upward social comparison“, bei der wir uns mit vermeintlich „besser gestellten“ Personen in Beziehung setzen. Im Gegenteil dazu gibt es die „downward social comparison“, um sich mit vermeintlich „Schwächeren“ in unserem Umfeld zu vergleichen (Wills, 1981; Wood, 1989)
Das Selbstwertgefühl in Gefahr
Während uns der Vergleich mit „besser Gestellten“ laut Lockwood und Kundo (1997) zwar inspirieren und motivieren kann (so auch, wenn wir im Sport unseren Vorbildern nacheifern und ihnen über soziale Medien folgen), so führt die ständige Konfrontation mit vermeintlich erfolgreicheren „KonkurrentInnen“ doch auf Dauer zu einer Abnahme unseres Selbstwertgefühls, sowie zu einer negativen Stimmung (Marsh & Parker, 1984; Morse & Gergen, 1970).
In den sozialen Medien neigen wir zur „upward social comparison“, wenn wir unser realistisches Offline – Selbstbild mit einem idealisierten Online-Selbst vergleichen. Besonders was Vergleiche über Facebook angehen, stellten Chou und Edge so bereits 2012 ein negativeres Befinden bei Menschen mit übermäßiger Online Aktivität fest.
Wollen wir etwas weiter gehen, so lässt sich der vermehrte Gebrauch von Facebook übrigens auch mit dem Ausbruch von Depressionen in Zusammenhang bringen: Nicht nur eine Minderung des individuellen Wohlbefindens, sondern eben auch ernsthafte psychische Konsequenzen stehen dem Surfen durch die weltgrößte Online-Community also hier gegenüber (Feinstein et al., 2013; Kalpidou, Costin, & Morris, 2011; Kross et al., 2013; Mehdizadeh, 2010; Rutledge, Gillmor, & Gillen, 2013).
Mittendrin im sozialen Netzwerk – wo stehen wir als moderne Sportpsychologen?
Sieht man sich den weltweiten Gebrauch sozialer Medien an, so steigt dieser stetig an. Dabei zeigen Studien aus dem Jahr 2012 bereits schier unglaubliche Zahlen von über 846 Millionen Facebook Usern, die gemeinsam mehr als 9,7 Billionen Minuten pro Tag in den sozialen Online Welten verbringen (Facebook, 2012. Rusli, 2012) Was bedeutet dies für die moderne Sportpsychologie?
Meiner Meinung nach sollten wir Sportpsychologen unsere AthletInnen sicherlich nicht zum „Offline-Dasein“ zu bekehren, um ihre Leistungen vermeintlich steigern zu können. Gelten die heute bekannten „Likes“ über soziale Medien schließlich fast schon als modernes Zahlungsmittel, um in den Selbstwert von Individuen zu investieren. Für unser Wohlbefinden können sie jedenfalls sehr heilsam sein, auch das konnten aktuelle Forschungen beweisen (Valkenburg, Peter, & Schouten, 2006).
In meinen Augen liegt die Aufgabe der modernen Sportpsychologie eher darin, einen Blick auf die Online-Aktivitäten unserer AthletInnen zu werfen, Verständnis für diese modernen Kommunikationsformen aufzubringen aber auch über Wissen zu verfügen, um Alternativen zu den Vergleichen über soziale Medien bieten zu können, über Offline-Zeiten zu diskutieren und falsche Freunde in Zusammenarbeit mit unseren Schützlingen zu entmächtigen. Damit sich die Online und Offline-Welten, so unterschiedlich sie auch sein mögen, im Sinne des Wohlbefindens und des sportlichen Erfolgs für unsere AthletInnen plausibel vereinen lassen.
Die komplette Serie:
Quellen:
Chou, H.-T. G., & Edge, N. (2012). “They are hap- pier and having better lives than I am”: The impact of using Facebook on perceptions of others’ lives. Cyberpsychology, Behavior, and Social Network- ing, 15, 117–121. doi:10.1089/cyber.2011.0324
Facebook. (2012). Statistics of Facebook. Palo Alto, CA: Face- book. Retrieved from http://newsroom.fb.com/content/default. aspx?NewsAreaId=22
Feinstein, B. A., Hershenberg, R., Bhatia, V., Latack, J. A., Meuwly, N., & Davila, J. (2013). Negative social comparison on Facebook and depressive symptoms: Rumination as a mechanism. Psychol- ogy of Popular Media Culture, 2, 161–170. doi: 10.1037/a0033111
Festinger, L., 1978. A theory of cognitive dissonance. Huber, Bern [u. a.] ISBN 3-456-80444-X.
Kalpidou, M., Costin, D., & Morris, J. (2011). The relationship between Facebook and the well-being of undergraduate college students. Cyberpsychol- ogy, Behavior, and Social Networking, 14, 183– 189. doi:10.1089/cyber.2010.0061
Kross, E., Verduyn, P., Demiralp, E., Park, J., Seung- jae Lee, D., Lin, N,… Ybarra, O. (2013). Face- book use predicts declines in subjective well-being in young adults. PLoS One, 8, e69841. doi: 10.1371/journal.pone.0069841
Lockwood, P., & Kunda, Z. (1997). Superstars and me: Predicting the impact of role models on the self. Journal of Personality and Social Psychol- ogy, 73, 91–103. doi:10.1037/0022-3514.73.1.91
Marsh, H. W., & Parker, J. W. (1984). Determinants of student self-concept: Is it better to be a rela- tively large fish in a small pond even if you don’t learn to swim as well? Journal of Personality and Social Psychology, 47, 213–231. doi:10.1037/ 0022-3514.47.1.213
Mehdizadeh, S. (2010). Self-presentation 2.0: Narcis- sism and self-esteem on Facebook. Cyberpsychol- ogy, Behavior, and Social Networking, 13, 357– 364. doi:10.1089/cyber.2009.0257
Marc Prensky: Digital Natives, Digital Immigrants (PDF; 135 kB), in: On The Horizon, ISSN 1074-8121, MCB University Press, Vol. 9 No. 5, Oktober 2001.
Wills, T. A. (1981). Downward comparison princi- ples in social psychology. Psychological Bulletin, 90, 245–271. doi:10.1037/0033-2909.90.2.245
Wood, J. V. (1989). Theory and research concerning social comparison of personal attributes. Psycho- logical Bulletin, 106, 231–248. doi:10.1037/0033- 2909.106.2.231
Rusli, E. (2012). Facebook files for an I.P.O. New York Times. Retrieved from http://dealbook.nytimes.com/2012/02/01/face- book-files-for-an-i-p-o/?hp
Rutledge, C. M., Gillmor, K. L., & Gillen, M. M. (2013). Does this profile picture make me look fat? Facebook and body image in college students. Psychology of Popular Media Culture, 2, 251– 258. doi:10.1037/ppm0000011
Valkenburg, P. M., Peter, J., & Schouten, A. P. (2006). Friend networking sites and their relation- ship to adolescents’ well-being and social self- esteem. Cyberpsychology and Behavior, 9, 584– 590. doi:10.1089/cpb.2006.9.584
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