Auf 13 Torschüsse kann der schwedische Stürmer Marcus Berg bei den bisherigen vier WM-Partien verweisen. Sechs davon brachte er auf das Tor, viermal gingen die Abschlussaktionen daneben, dreimal wurde er geblockt. Großes Manko: Keiner seiner Versuche war drin. Wie groß dieses Manko ist, macht ein Vergleich deutlich: Harry Kane, Stürmer der Engländer, die im WM-Viertelfinale am Samstagnachmittag auf Schweden treffen, hat bereits sechs Treffer erzielt, bei gerade einmal neun Versuchen. Pikant ist, dass sich über die Effektivität hinaus die Leistungsdaten der beiden Stürmer kaum unterscheiden. So geht Berg, trotz des bislang beeindruckenden Mannschaftserfolg der Skandinavier, als Ritter der traurigen Gestalt in die nächste – und wegen seiner Abschlussschwäche vielleicht letzte – WM-Runde.
Zum Thema: Wenn Stürmer nicht treffen
Ein Erklärungsansatz aus sportpsychologischer Perspektive ist das Selbstvertrauen, welches auch TV-Kommentatoren glücklosen Angreifern schnell vorwerfen. “Selbstvertrauen bedeutet, dass jemand die Überzeugung besitzt, dass seine eigenen Fähigkeiten ausreichen, um eine Handlung zielgerichtet und erfolgreich durchführen zu können”, erklärt Dr. René Paasch. Die fachliche Grundlage stammt aus der sozial-kognitiven Lerntheorie von Albert Bandura (1986), im Sport wurde dieses Konstrukt häufig nachgewiesen (Barling & Abel, 1983; Lee, 1982; Eberspächer, 2007, 2008; Hermann, 2006; Short et. al., 2005).
“Selbstvertrauen” fällt aber nicht vom Himmel. Diesen Eindruck könnte man haben, wenn wir uns zum Beispiel an Ausführungen vom Bundesliga-Trainer Bruno Labbadia vom Relegationsgewinner VfL Wolfsburg erinnern, der kurz vor Saisonschluss betonte, dass sich die Spieler das nötige Selbstvertrauen nur auf dem Platz holen könnten. Prof. Dr. Oliver Stoll zeigte daraufhin auf (hier direkt zum Text), dass es sehr wohl Methoden in der Trainingsarbeit gibt, die darauf abzielen, dass Spieler in den entscheidenden Situationen an ihre Fähigkeiten glauben.
Prof. Dr. Oliver Stoll: Die Sache mit dem Selbstvertrauen im Fußball…
Quellen des Selbstvertrauens
Dr. René Paasch ergänzt, dass viele Komponenten zusammenkommen, um Selbstvertrauen aufzubauen: Es braucht eine gute Eigen- und Fremdwahrnehmung, Erfahrungen, stellvertretende Erfahrungen, handlungsförderliche Selbstgespräche, konditionelle Fähigkeiten, kleine Erfolge während des Trainings, regelmäßige Rückmeldungen des Trainers und den nötigen Respekt vor jeder gegnerischen Mannschaft.” Hier kann der schwedische Trainerstab also in der Vorbereitung auf das England-Spiel ansetzen. Ziel muss es sein, dass Marcus Berg die Erfolge auf eigene Fähigkeiten (stabil-internale Ursachenzuschreibung) und die Misserfolge auf äußere Zustände (variabel-externale Ursachenzuschreibung) zuweist.
Im Achtelfinale gegen die Schweiz war Marcus Berg der Frust nach den wieder einmal ungenutzten Chancen anzusehen. Aber schon ein einziger Treffer am Samstag gegen England kann ihn zum Volkshelden machen. Dieser Status winkt den schwedischen Kickern, wenn sie tatsächlich ins Halbfinale einziehen. Nicht auszuschließen, dass Marcus Berg aus dieser Situation Kraft schöpft. Denn eines steht fest, betont Dr. René Paasch in Bezug auf alle Stürmer, die mit dem Selbstvertrauen bereits zu kämpfen hatten: “Viele Schwierigkeiten entstehen in unseren Köpfen und sind damit veränderbar.”
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