Eine leistungssportliche Karriere bedarf eines jahrelangen Aufbaus und nimmt geschätzt 10.000 Trainingsstunden in Anspruch. Ein Sportler verbringt fast zehn Jahre damit, für Spitzenleistungen zu trainieren. An der Spitze können die Athleten sich meist nur eine begrenzte Zeitspanne halten. Die Gründe dafür können unterschiedlichster Natur sein. Oft sind es jedoch die hohen Anforderungen an die körperlichen Ressourcen, die eine Leistungssportkarriere in die Knie zwingt (Stoll, Pfeffer & Alfermann, 2010; Hagemann, Tietjens & Strauß, 2007; Ward, Hodges, Williams & Starkes, 2004). Die Vorbereitung auf das Karriereende und der Umgang damit ist eine wichtige und nicht zu unterschätzende Thematik.
Zum Thema: Was den Karriereübergang erleichtern kann…
Eine Forschergruppe um Ericsson (1993) befasste sich mit dem Thema der Leistungsentwicklung im Sport und ging davon aus, dass vor allem zielorientierte, langjährige Übungs- und Trainingsprozesse motorische und kognitive Mechanismen fördern und zu Spitzenleistungen führen. Die Forscher belegten ihre Annahme durch Vergleiche verschiedener Personengruppen mit und ohne Spitzenleistungen. Die Untersuchungsgruppe mit hervorgebrachten Spitzenleistungen – darunter waren Musiker, Schachspieler und Sportler – haben mehr und über einen längeren Zeitraum zielorientiert trainiert als solche mit durchschnittlichen Leistungen (Ericsson, Krampe & Tesch- Römer,1993; Ericsson & Hagemann, 2007).
Entscheidet sich ein Sportler für eine Karriere im Hochleistungssport, dann ist der Alltag durchgeplant und neben dem intensiven und umfangreichen Trainings- und Wettkampfkalender bleibt keine Zeit für andere Dinge. Der Sport ist nicht mehr nur die schönste Nebensache der Welt, sondern wird die wichtigste Hauptsache (Stoll, Pfeffer & Alfermann, 2010).
Auf höchstem Niveau über Jahre bestehen zu können, erfordert starkes Durchhaltevermögen und extreme Willens- und Leidensfähigkeit. Trotz jahrelanger Disziplin geht die sportliche Laufbahn nicht spurlos am Körper des Athleten vorbei. Kaum ein Sportler durchläuft seine Karriere im Hochleistungssport ohne Hindernisse wie beispielsweise Verletzungen oder Leistungstiefs. Aus eigener Erfahrung als Sportler und als Sportpsychologe empfehle ich jedem Sportler immer wieder eine „Kosten-Nutzen-Bilanz“ zu ziehen. Im Leben einer Person kommt es immer wieder zu Veränderungen, die einer Anpassung bedürfen (Schlossberg, 1981). Rational und emotional das Geschehen abzuwägen, ist überaus wichtig. Die Folge dessen kann ein Karriereende oder aber die verstärkte Anstrengung zum Weitermachen sein.
Der Entschluss, die Karriere zu beenden
Bedenken wir, wie viel Energie, Zeit und Leidenschaft ein Athlet in seine sportliche Karriere gesteckt hat, dann versteht jeder, dass das Beenden einer Karriere kein einfacher Entschluss ist. Es kann mit der Pensionierung aus dem Berufsleben verglichen werden (Alfermann, 2008). Im Sport wird zwischen dem vorzeitigen, geplanten, oder abrupten Karriereende unterschieden (Alfermann, 2008; Stoll, Pfeffer & Alfermann, 2010).
Entscheidend für das Bewältigen des Karriereendes sind die zur Verfügung stehenden Ressourcen und das Empfinden des Sportlers beim Übergang ins „normale Leben“. Eine rechtzeitige Planung, ein freiwilliger Rücktritt sowie eine gute soziale Unterstützung ermöglichen einen problemlosen und sanften Karriereübergang (Stoll, Pfeffer & Alfermann, 2010). Leider ist diese Situation in den seltensten Fällen Realität. Meist sind es die ungeplanten abrupten Karriereausstiege, Zum Beispiel aufgrund von Verletzungen oder unvorhersehbaren Umständen, mit denen die Sportler zu kämpfen haben (Wippert, 2002; Stoll, Pfeffer & Alfermann, 2010).
Aus entwicklungspsychologischer Perspektive zählt das Karriereende zu einer unabwendbaren und notwendigen Herausforderung, die von dem Sportler gemeistert werden muss (Alfermann, 2008; Stoll, Pfeffer & Alfermann, 2010). Aus eigener Erfahrung empfehle ich, sich gedanklich und emotional mit dem Karriereende zu beschäftigen. Hier hilft es beispielsweise die erlebten Gefühle und Gedanken in einem Tagebuch festzuhalten. Diese Tagebuchaufzeichnungen können dann in Gesprächen mit vertrauten Personen oder einem Sportpsychologen reflektiert und diskutiert werden. Durch das Wahrnehmen und Interpretieren der eigenen Empfindungen können Erlebnisse und Gefühle besser reflektiert und verarbeitet werden (Wippert, 2002).
Fähigkeiten übertragen lernen
Die Vorbereitung auf ein mögliches Karriereende sollte Zielsetzungen außerhalb des Sports beinhalten. Längsschnittstudien berichten, dass während und kurz nach der Karriere der Sport und die sportliche Höchstleistung als primäres Lebensziel gewichtet werden. Eine Umorientierung findet mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur Sportkarriere statt. Befragungen ergaben, dass die Sportler nach einem Jahr die beruflichen Kompetenzen und die berufliche Entwicklung als wichtigstes Ziel formulierten (Stephan et al. 2003 a, b).
Eine geeignete Methodik, um einen Athleten auf das Leben nach der Sportkarriere vorzubereiten, ist das Training übertragbarerer Fähigkeiten – „transferable skills“ (Mayocchi & Hanraham, 2000; Murphy, 1995). Zum einen lassen sich die im Sport erworbenen Fähigkeiten wie die individuelle Stressbewältigungs – und Selbstkontrollstrategien oder das Zielsetzungstraining sinnvoll nutzen. Zum anderen lassen sich die Interventionsmethoden ausgezeichnet auf berufliche Qualifikationen nutzbar machen (Alfermann, 2008).
Quellen:
Alfermann, D. (2008). Karrierebeendigung im Sport. In J. Beckmann & M. Kellmann (Hrsg.), Enzyklopädie der Psychologie, Serie V. Bd. 2: Anwendungen der Sportpsychologie (S. 499-541). Göttingen: Hogrefe.
Ericsson, K. A. & Hagemann, N. (2007). Der „Expert-Performance-Approach“ zur Erklärung von sportlichen Leistungen: Auf der Suche nach deliberate practice zur Steigerung der sportlichen Leistung. In N. Hagemann, M. Tietjens & B. Strauß (Hrsg.), Psychologie der sportlichen Höchstleistung (S. 17- 39). Göttingen: Hogrefe.
Ericsson, K. A., Krampe, R. T. & Tesch-Römer, C. (1993). The role of deliberate practice in the acquisition of expert performance. Psychological Review, 100, 363-406.
Hagemann, N., Tietjens, M. & Strauß, B. (2007). Expertiseforschung im Sport. In N. Hagemann, M. Tietjens & B. Strauß (Hrsg.), Psychologie der sportlichen Höchstleistung (S. 7-16). Göttingen: Hogrefe.
Hardy, C. J. (1994). Nurturing our future through effective mentoring: Developing roots as well as wings. Journal of Applied Sport Psychology, 6, 196-204.
Helsen, W. F., Starkes, J. L. & Hodges, N. J. (1998). Team sports and the theory of deliberate practice. Journal of Sport & Exercise Psychology, 20, 12-34.
Hodges, N. J., Kerr, T., Starkes, J. L., Weir, P. L. & Nananidou, A. (2004). Predicting performance times from deliberate practice hours for triathletes and swimmers: What, when, and where is practice important? Journal of Experimental Psychology: Applied, 10, 219-237.
Mayocchi, L. & Hanrahan, S. J. (2000). Tranferable skills for career change. In D. Lavallee & P. Wylleman (Eds.), Career transitions in sport: International perspectives (pp. 95- 110). Morgantown, WV: Fitness Information Technology
Murphy, S. M. (1995). Transitions in competitive sport: Maximizing individual potential. In S. M. Murphy (Ed.), Sport psychology interventions (pp. 331-346). Champaign, IL: Human Kinetics.
Stoll, O., Pfeffer, I. & Alfermann, D. (2010). Lehrbuch Sportpsychologie. Bern: Hans Huber Verlag.
Ward, P., Hodges, N. J., Williams, A. M. & Starkes, J. L. (2004). Deliberate practice and expert performance. Defining the path to excellence. In A. M. Williams & N. J. Hodges (Eds.), Skill acquisition in sport. Research, theory and practice (pp. 231-258). London: Routledge.
Schlossberg, N. K. (1981). A model for analyzing human adaptation to transition. The Counseling Psychologist, 9(2), 2-18.
Stephan, Y., Bilard, J., Ninot, G. & Delignières, D. (2003a). Repercussions of transitions out of elite sport on subjective well-being: a one-year study. Journal of Applied Sport Psychology, 15, 354-371.
Stephan, Y., Bilard, J., Ninot. G., & Delignières, D. (2003b). Bodily transition out of elite sport: A one-year study of physical self and global self-esteem among transitional athletes. International Journal of Sport and Exercise Psychology, 1, 192-207.
Wippert, P.-M. (2002). Karriereverlust und Krise. Schorndorf: Hofmann.
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