Marcel Schmelzer sieht die Fußball-Weltmeisterschaft nur im Fernsehen. Der 26-jährige Verteidiger von Borussia Dortmund ist sicher der große Härtefall unter den drei aussortierten Spielern, die in den vergangenen beiden Wochen im Trainingslager und am Sonntag im Test gegen Kamerun für das große Ziel Brasilien geschuftet haben und nun enttäuscht worden sind. Jetzt besteht die Gefahr, dass Kevin Volland, Shkodran Mustafi und eben Marcel Schmelzer die Nicht-Berücksichtigung für sich falsch bewerten – und geradewegs in ein Leistungsloch stürzen.
Zum Thema: Wie können die nicht nominierten Spieler mit der Entscheidung richtig umgehen?
Das Regelwerk der FIFA ist eindeutig. Für die Fußballweltmeisterschaften dürfen die 32 Nationalmannschaften jeweils 23 Spieler nominieren. Der endgültige Kader muss bis zum 2. Juni (24 Uhr CET) der FIFA vorliegen.
Der Bundestrainer Joachim Löw stand vor der Aufgabe, aus seinem 30 Mann starken Vorbereitungskader, das WM-Team zu formieren. Die hohe Dichte an guten Spielern steigert die Schwierigkeit einer solchen Selektion, die überdurchschnittlich hohe Anzahl an verletzten und angeschlagenen Spielern potenziert die Knifflichkeit der Auswahl. Getroffen hat es neben den von vielen Experten als Streichkandiaten prognostizierten Jung-Nationalspieler Kevin Volland (TSG Hoffenheim) und Shkodran Mustafi (Sampdoria Genua) auch Marcel Schmelzer aus Dortmund. Ein Erlebnis, welches richtig verarbeitet werden muss, um langfristige negative Auswirkungen zu verhindern.
Die einen Spieler können Rückschläge gut verarbeiten, andere bekunden Mühe. Wie gut schlussendlich ein Spieler damit umgehen kann, hängt von seinen kognitiven Fähigkeiten ab. Dazu zählt auch die Art der Ursachenzuschreibung (Attribution). Diese beinhaltet zwei Dimensionen. Die erste Dimension bildet die Ursachenlokalisation ab. Ereignisse können sowohl der eigenen Person (internal), als auch der Umwelt (external) zugeschrieben werden. Die zweite Dimension bezeichnet die zeitliche Stabilität. Stabile Ereignisse sind überdauernd und lassen sich nur schwer verändern. Variable Ereignisse sind somit von kurzzeitiger Natur und können besser beeinflusst werden. Durch die zwei Dimensionen gibt es nun vier mögliche Attributionsmuster:
– internal stabil/varibabel
und
– external stabil/variabel.
Im Falle eines Misserfolges sind variable Ursachenzuschreibungen vorteilhafter und erleichtern die Akzeptanz der Entscheidung. Eine mögliche internale und variabele Attribution wäre: „Ich war zum Zeitpunkt der Selektion leicht angeschlagen. Der Bundestrainer braucht unter den harten Bedingungen in Brasilien aber nur topfitte Leute. Ich hätte genauso entschieden!“. Auch eine external und variable Attribution könnte lauten: „Löw kann mich ohnehin nicht leiden. Von der Leistung her, hätte ich dabei sein müssen.“ Oder gemäßigter: “Für das taktische Konzept braucht der Bundestrainer keine Spielertypen wie mich, das war einfach Pech.” Das Gegenteil wäre eine internale und stabile Ursachenzuschreibung, deren Folgewirkungen verheerend sein können. In diesem Falle wird die eigene Fähigkeit und das Talent in Frage gestellt: „Ich bin einfach unfähig. Meine Nationalmannschaftskarriere kann ich abhaken.“
Jeder Mensch attribuiert in bestimmten Situationen auf seine Art und Weise. Es gibt somit auch Sportler die eher unvorteilhafte Schemata präferieren. Es besteht jedoch die Möglichkeit, hilfreiche Attributionsmuster zu erlernen. Sportpsychologische Betreuung kann dazu einen entscheidenden Beitrag leisten, um den Fall in ein Leistungsloch zu verhindern. Zumal die festen Strukturen, in denen die Spieler während der Saisonphase zurückkehren durch die startende Sommerpause der Vereine nur sehr eingeschränkt nutzbar sind. Kevin Volland, Shkodran Mustafi und Marcel Schmelzer müssen mit dem Erlebnis erst einmal allein zurecht kommen.
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