In die Adventszeit, spätestens aber in den Ausklang des zu Ende gehenden Jahres fällt eine Zeit, die auch aus Sicht der (Sport-)Psychologie besonderen „Zündstoff“ hat. Es ist die Zeit der Jahresrückblicke, der Rückschau auf Siege und Niederlagen und sie bietet meist auch Anlass zu einer kritischen Würdigung des Vollbrachten. War 2015 ein gutes Jahr? Ähnlich dem Spitzensportler wird sich auch der Hobbysportler Gedanken darüber machen, was 2016 anders und besser laufen soll. Gute Vorsätze für das kommende Jahr haben dann nicht nur im Sport Hochkonjunktur!
Zum Thema: Wie aus einem Vorsatz ein spannender Plan und eine erfolgreiche Handlung werden kann.
Psychologisch betrachtet ist der „gute Vorsatz“ Zündstoff in Form eines (ersten) Antriebs zur Veränderung. Hat der Vorsatz zum Ziel, eine alte Gewohnheit zu verändern – z.B. endlich die eigene Unsportlichkeit zu bekämpfen, gilt es meist sehr hohe Barrieren zu überwinden. Zu häufig bleibt der gute Vorsatz auf dem Weg vom Wollen zum Tun schon nach wenigen Schritten hängen. Wissenschaftler wie der bekannte Motivationsforscher Gollwitzer (1999) sprechen in diesem Zusammenhang von der fehlenden „Implementierungs-Absicht“, ein Vorausplanen passender Handlungsstrategien in enger Verbindung mit dem Verhaltensvorsatz. Der Tradition der Selbstbestimmungstheorie (vgl. Deci & Ryan 1985) folgend, stehen insbesondere Selbstorganisations- und kontroll-Prozesse im Mittelpunkt des Interesses. Diese gilt es beim „simple plan“ (vgl. Gollwitzer 1999) zu befolgen.
Goschke (2002) beschreibt auf seinem Weg zum „einfachen Plan“ drei Leitideen zur optimierten Selbstregulation: Aufmerksamkeits-, Motivations- und Emotionskontrolle. Der Plan soll derart konzipiert sein, dass wir uns auf die absichtsrelevante Information fokussieren, (Belohnungs-)Anreize schaffen und auf eine positive (Grund-)Stimmung achten. Heisst: Wenn ich im Herbst 2016 am Greifenseelauf teilnehmen möchte, dann sollte ich vielleicht an Silvester meine Lauf-Utensilien so vor der Eingangstüre positionieren, dass ich mich an Neujahr quasi genötigt fühle, diese beim Verlassen des Hauses anzuziehen. Zudem steht im Kühlschrank ein Stück meines Lieblingskuchens, das ich mir im Anschluss an den Lauf als Belohnung gönnen darf. Eben: Jede Veränderung beginnt mit einem ersten, geplanten und motivierenden Schritt!
Vorschlag für einen universellen Jahresvorsatz 2016: erfolgreich(er) Scheitern!
„Interessant“, wird der Sportler oder die Trainerin sagen – nur bin ich jetzt nicht Läufer und sehe auch keine unmittelbare Veranlassung, im kommenden Jahr häufiger joggen zu gehen! Auf der Suche nach einem passenden „Vorsatz für jederman/-frau“ könnte ein 2015 erschienenes e-book einen interessanten Zugang eröffnen. Es trägt den Titel: „Erfolgreich scheitern!“ Darin beschreiben Experten ganz unterschiedlicher Fachrichtungen Ideen zum Umgang mit Rückschlägen und Niederlagen. Denn nicht nur im Sport gilt: Der Weg zum Erfolg führt auch über die Niederlage. Selbst Ausnahmeathleten wie Roger Federer kennen die Niederlage als wiederkehrenden Begleiter. Federers aussergewöhnliche Karrierebilanz weist aktuell 1059 Siege und immerhin 238 Niederlagen aus!
Gut möglich also, dass auch wir uns im Jahre 2016 häufig mit Situationen des (alltäglichen) Scheiterns konfrontiert sehen. Diese meist negativen Ereignisse auf dem Weg zum Erfolg nutzbringend zu verarbeiten, könnte ein passender Ausgangspunkt zu konkreten, individuellen Vorsätzen für das neue Jahr sein. Grundlage dazu soll das Online-Buch sein, aus dem nachfolgend drei Kernaussagen in Verbindung mit der eingangs kurz beschriebenen Motivationspsychologie referiert werden.
Arno Del Curto, Eishockey-Trainer HC Davos, betont im Umgang mit einer Niederlage die Haltung des Spielers: Verantwortung übernehmen, akzeptieren und diese erst dann zu analysieren, wenn man dazu bereit ist. Positive Verlierer sind jene Spieler, die keine Entschuldigungen für Niederlagen suchen und anschliessend dermassen „angefressen“ sind, dass sie den Sieg bedingungslos suchen.
Psychiater und Psychotherapeut Daniel Hell meint, dass es gut ist, wenn wir uns für einen Misserfolg schämen. Wir fühlen uns in dieser Situation aktiv beteiligt und in sich selbst verankert. Dieses aktive Gefühl bietet eine Entwicklungschance, das „Ich“ zu stärken und wieder an Selbstvertrauen zu gewinnen.
Schriftsteller Lukas Bärfuss bezeichnet Scheitern als notwendigen Bestandteil seiner Arbeit. Er hasse es zu scheitern, trotzdem setze er sich diesem bewusst aus, indem er auf das Mögliche verzichte und nach dem Unmöglichen greife. Dadurch entstehe für ihn höchste Intensität.
So unterschiedlich diese Ansätze auf den ersten Blick sind, in einem wichtigen Punkt treffen sie alle aufeinander – in der Prägnanz der persönlichen Haltung zum Scheitern. Was ist ihre Haltung dazu?
Quellen:
Deci, E. L., & Ryan, R. M. (1985). Intrinsic motivation and self-determination in human behavior. New York: Plenum.
Gollwitzer, P. M. (1999) Implementation intentions: Strong effects of simple plans. American Psychologist, 54 , 493-503.
Goschke, T. (2002). Volition und kognitive Kontrolle. In J. Müsseler & W. Prinz (Hrsg). Allgemeine Psychologie (S. 270-335). Heidelberg. Spektrum.
http://www.doqoo.ch/scheitern-erfolgreich/scheitern-sportler-gubelmann
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