Berichte über ein Feier-Verbot durch den Deutschen Fußball-Bund im Rahmen des Pokalfinales haben für anregende Diskussionen in Deutschland gesorgt. Nach dem Endspiel zwischen Bayern München und Borussia Dortmund am Samstag, den 21. Mai, in Berlin soll es keine öffentlichen Bierduschen geben. Hintergrund sei das Aktionsbündnis “Alkoholfrei Sport genießen” und das damit verbundene Engagement des DFB gegen Alkoholmissbrauch. Dabei hat das Ritual durchaus eine gewisse Bedeutung.
Zum Thema: Was steckt hinter dem Ritual der Bierdusche?
Im April hatte der Verband sich mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), dem Deutschen Turner-Bund (DTB), dem Deutschen Handballbund (DHB), dem DJK-Sportverband und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zusammengeschlossen. Nun teilte der DFB mit, dass das Ritual „Bierdusche“ dem Zusammenschluss “Alkoholfrei Sport genießen” widerspreche. Die Suchtprävention ist ein wichtiges Anliegen, daher solle nun grundsätzlich ein wirkungsvolles Zeichen gesetzt werden. Demnach werde es beim Pokalfinale bis zum offiziellen Siegerfoto keine Bierduschen geben. Anschließend dürfen die Spieler auch den beliebten Bierduschen nachgehen. Mit dem Aktionsbündnis “Alkoholfrei Sport genießen” habe das Verbot nichts zu tun, es unterstreiche aber die Position des Verbandes zum Thema Alkohol und Sport. Bereits in den vergangenen Jahren gab es (auch in UEFA- und FIFA-Wettbewerben) die Ansage, dass bis zum Foto keine Bierduschen erwünscht seien. Trotz aller verständlichen Diskussionen, müssen greifbare Präventionsmaßnahmen zum Schutz der Jugend auf den Weg gebracht werden. Hierzu gibt es Ansätze:
Jugendfußballtrainer, die in dem Bereich der Alkoholprävention geschult werden, denken intensiver über ihr eigenes Trinkverhalten nach, kommunizieren offen mit ihren Spielern über die physischen und psychischen Folgen des Alkoholkonsums und wenden präventive Methoden selbstbewusst an (Jerusalem, 2010). Das grundlegende Konzept von TrainerPlus ist die Persönlichkeitsstärkung der Jugendlichen und die Schaffung einer günstigen Vereinsumwelt. Denn ob Jugendliche im Alter von 12 bis 16 Jahren anfangen, regelmäßig Alkohol zu konsumieren, ist neben der Unterstützung aus dem Elternhaus vor allem vom Trainingsstil in Sportvereinen, den damit verbundenen Einstellungen zum Alkoholkonsum im Umfeld der Jugendlichen und den Erwartungen zu Folgen des Alkoholkonsums der jungen Sportler selbst abhängig. Daher sind wichtige Ziele der Prävention die Vermittlung von Erfolgserlebnissen, sozialer Einbindung und Selbstbestimmung.
Brauchen wir Rituale, wie die Bierdusche?
Aber kommen wir zurück zu dem Phänomen Bierdusche, welches nicht nur zu Saisonschluss in den größten Fußballstadien des Landes von großer Beliebtheit zu sein scheint. Denn letztlich zählen die Jagdszenen mit den übergroßen Gläsern zu einer ganzen Gruppe von Ritualen, die im Fußball relativ verankert sind. Sei es, welcher Schuh zuerst angezogen wird, dass sie ihre Trikots nicht waschen oder die Siegesdusche nach dem Finale. Nach Michael Krüger lassen sich in allen Bereichen des Sports die wesentlichen Merkmale ritueller Handlungen in damaligen Stammeskulturen erkennen. Hierzu sind folgende Parallelen zwischen dem modernen Sport und den ursprünglichen Riten wie die Bierdusche feststellbar: Beide bringen mythische Themen zum Ausdruck, verstärken auf symbolische Weise die Gruppennormen und die Verbindung zu den Zuschauern, fordern von den Beteiligten eine stillschweigende und traditionelle Ausführung und sie finden beide in einem „magischen Kreis“ bspw. in einem Fußballstadion statt (Krüger, 1991).
Sportrituale treten in der heutigen Zeit überall dort auf, wohin der institutionalisierte Sport bisher vorgedrungen ist – sie laufen immer nach dem gleichen Muster ab. Der Wert liegt nicht darin, dass eine Siegesdusche Pflicht ist, ihre Bedeutung ist eher eine magische und etablierte. Sie setzen den Glauben voraus, dass sie zusätzliche Kräfte übernatürlicher und magischer Art freisetzen oder weitere störende Einflüsse verhindern können (Womack, 1992). Fußballprofis sind besonders häufig Situationen mit großem Druck und hoher Unsicherheit ausgesetzt. Die Leistung in einem Wettkampf kann darüber entscheiden, ob sie z.B. eine Vertragsverlängerung erhalten oder von den Medien positiv bzw. negativ beurteilt werden. Zudem haben Fußballer nur eine begrenzte Anzahl an Möglichkeiten, ihre Leistung zu erbringen bzw. zu demonstrieren. Rituale wie bspw. die Siegesdusche können hierbei helfen, Gefühle der Kontrollierbarkeit und Vorhersagbarkeit in stressigen und zum Teil unkontrollierbaren Situationen zu schaffen oder diese nach dem Wettkampf fließen zu lassen (Womack, 1992). Sie helfen, die emotionale Stabilität aufrechtzuerhalten oder zu lösen, damit die Sportler besser mit der Anspannung und dem Stress umgehen können.
Radio-Beitrag
Für das Nachrichtenradio MDR aktuell stellt Dr. René Paasch den Zusammenhang her, dass das Ritual Bierdusche die Fußball-Profis unweigerlich auf Augenhöhe mit ihren Fans bringt. Ein exklusiver Moment…
Literatur
Anderson, P. (2007). The impact of Alcohol Advertising: ELSA project report on the evidence to strengthen regulation to protect young people. Utrecht: National Foundation for Alcohol Prevention.
BZgA. (2012). Die Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland 2011. Köln.
Jerusalem, M. (1997). Gesundheitsförderung und Gesundheitserziehung in der Schule. In R.
Schwarzer (Hrsg.), Gesundheitspsychologie (S. 575 – 593). Göttingen: Hogrefe.
Jerusalem, M. (2006). Theoretische Konzeptionen der Gesundheitsförderung im Kindes –
und Jugendalter. In A. Lohaus, M. Jerusalem & J. Klein – Heßling (Eds.). Gesundheitsförderung im Kindes – und Jugendalter (S. 31 – 57). Göttingen: Hogrefe.
Jerusalem, M. (2007). Gesundheitspsychologische Prävention . In B. Röhrle (Ed.), Prävention und Gesundheitsförderung, Bd. III Kinder und Jugendliche (S. 127 – 149). Tübingen: dgvt – Verlag.
Krüger, A. (1991): Ritual und Rekord im Sport. In: A. Luh, E. Beckers (Hrsg.): Umbruch und Kontinuität im Sport – Reflexionen im Umfeld der Sportgeschichte. Festschrift für Horst Ueberhorst. Brockmeyer, Bochum, S. 92.
Womack, M. (1992): Why Athletes Need Ritual. A Study Of Magic Among Professional Athletes). In: Shirl J. Hoffman (Hrsg.): Sport and Religion. Human Kinetics Books, Champaign (Illinois), S. 192 & S. 196.
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