Julia Cetin: “Ich habe das Gefühl, in der Sportpsychologie angekommen zu sein”
Mit Julia Cetin begrüßen wir bei Die Sportpsychologen ein weiteres neues Gesicht. Julia hat einen spannenden Weg hinter sich, der sie in die Türkei und über die Ziellinie des New York Marathons führte. Im Interview mit Mathias Liebing, Redaktionsleiter des Netzwerks, gibt sie einige Einblicke.
Julia, 2018 hast du erstmals an einem Laufwettbewerb teilgenommen. Damals über 5 Kilometer. Nur vier Jahre später hast du den New York Marathon gefinished. Was bedeutet diese Reise für dich und deine Arbeit?
Manchmal bin ich gerne verrückt und gehe nicht den „Standardweg“. Die Reise von 5 auf 42 Kilometer war für mich unglaublich lehrreich. Ich glaube, vor allem habe ich mich selbst auf diesem Weg gefunden. Ich bin eine sogenannte Laufschnecke und habe viele, viele Stunden mit langen, langsamen Läufen verbracht. Dabei hatte ich eine Menge Zeit, nicht nur über mich nachzudenken, sondern auch über meine Zukunft. In meiner Marathonvorbereitung bin ich mit dem Thema Mentaltraining in Berührung gekommen und habe mich dazu fortgebildet. Ich hatte viel Zeit, einiges an Methoden und Techniken an mir selbst zu testen. Das hat mir so viel Freude gemacht, dass ich auch anderen helfen wollte, diesen Weg zu gehen.
Der Weg zum Erfolg war für mich voller Höher und Tiefen und teilweise bin ich sehr tief gefallen. Mit dem Wissen, das ich heute habe, könnte ich das vermutlich größtenteils verhindern. Aber zum Glück war das Hoch am Ende jedes Tief wert.
In den vergangenen Jahren hast du in der Türkei gelebt. Wie steht es in der Türkei um die Sportpsychologie und inwiefern hat dich die Zeit inspiriert oder bereichert?
Die Psychologie außerhalb der klinischen Psychologie ist da, wo ich gewohnt habe, noch in den Babyschuhen. Unter dem Begriff der Sportpsychologie kann sich noch kaum jemand etwas vorstellen. Immerhin haben die vor Ort für Olympia trainierenden Tennisspieler online sportpsychologische Hilfe, denn vor Ort, einer Stadt mit ca. 2 Mio. Einwohnern gibt es leider noch keinen Sportpsychologen. Ich hatte vor, die erste zu werden, doch mein Weg hat mich aus verschiedenen Gründen zurück nach Deutschland geführt.
Die letzten acht Jahre in der Türkei haben mich gelehrt, weltoffener zu sein, mehr Verständnis zu haben für alles, was „anders“ ist als das, was ich kenne. Ich denke, dass oft nicht nur die Sprache, sondern die kulturellen Unterschiede zu großen Missverständnissen führen. Es gibt so viele ungeschriebene Regeln, die man nicht kennt und auch kaum irgendwo nachlesen kann. Oft erfordert es eine Menge Geduld, „Aufklärungsarbeit“ zu leisten, auf verschiedensten Ebenen.
Bereichert in dieser Zeit haben mich vor allem das ständige Verlassen meiner eigenen Komfortzone. Egal ob kulinarisch, sportlich oder kulturell, ich musste so unendlich oft etwas Neues ausprobieren oder neue Wege finden, dass ich daran nur wachsen konnte, als Mensch und als Psychologin.
Was begeistert dich an der Sportpsychologie und was hast du für Pläne in der Sportpsychologie? Wie soll dir das Netzwerk Die Sportpsychologen dabei helfen.
Nachdem für mich die Sportpsychologie lange Zeit nicht existent war, der Sport aber immer Teil von mir war, habe ich jetzt das Gefühl, endlich angekommen zu sein. In einem so abwechslungsreichen und spannenden Feld zu arbeiten, habe ich mir immer gewünscht.
Mir macht es riesig Spaß, momentan mit so verschiedenen Menschen an so verschiedenen Stellen in ihrem Leben arbeiten zu dürfen. Von der 13-jährigen Schülerin, über Mitte 50er Hobbysportlerin bis zur 26-jährigen Profisportlerin ist alles dabei. Es ist so erfüllend, hier jeweils ein kleines Stück des Weges dabei sein zu dürfen.
Ich erhoffe mir durch das Netzwerk Die Sportpsychologen vor allem kollegialen Austausch und gegenseitige Unterstützung, den jeder von uns hat seine eigenen Stärken und ich glaube nicht daran, dass wir auf dem Markt Konkurrenten sein sollten, sondern nur voneinander profitieren können und das auch nutzen sollten. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit.
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