Marcus Mühlberger: “Spanien hat eine Vorbildrolle inne, sportpsychologisch im Team zu arbeiten”

Die Abschlussurkunde seines Master-Studienganges hat Marcus Mühlberger auf dem Rasen des Stadions Santiago Bernabeu bekommen. Zurück in Deutschland will der neue Profilinhaber von Die Sportpsychologen in und mit unserem Netzwerk durchstarten. Mit Mathias Liebing, dem Redaktionsleiter von Die Sportpsychologen, hat er die Zeit gefunden, über seine Ausbildung, seine Ansichten, seine Leidenschaft und seine Ziele zu sprechen. 

Marcus, kürzlich warst du in Madrid, wo du einen Masterabschluss gemacht hast. Die Rede ist von einem Studiengang, der eng an Real Madrid gekoppelt ist. Was hast du dort erlebt und inwiefern tickt die Sportpsychologie in Spanien anders?

Das Master-Studium in Psicologia Deportiva, zu Deutsch Sportpsychologie, war eine unglaubliche Erfahrung und die Erfüllung mehrerer Träume zugleich. So muss ich natürlich gleich das absolute Highlight dieses Studiums erwähnen, die Abschlusszeremonie und die Feierlichkeiten inmitten des Stadions Santiago Bernabeu in Madrid, an der große Persönlichkeiten teilnahmen, um uns Absolventen zu beglückwünschen. Allen voran natürlich der Präsident von Real Madrid, Florentino Perez oder auch der CEO von Adidas, Björn Gulden neben vielen weiteren Funktionären, Professoren und Doktoren der Uni Madrid. 

Audimax mal anders

Man kann es nicht anders sagen, da hat man einfach nur Gänsehaut, wenn man dieses Stadion betritt. Zeitgleich macht es mich natürlich unglaublich stolz, meine „akademische Reise“ genau da zu krönen, wo sich sonst das Who is Who des europäischen Fußballs die Klinke in die Hand gibt. Aber auch die jährlich stattfindende White Week von Real Madrid, der Austausch mit dem medizinischen Stab, den Physios und Athletiktrainern in regelmäßigen Q&A Sessions, sowie natürlich die umfassenden Lerneinheiten mit unseren Professoren und Dozenten waren unvergleichlich. Und dann wirst du noch zu Beginn des Studiums von Carlos Ancelotti begrüßt, dessen Worten man natürlich besondere Aufmerksamkeit schenkt. Zu guter Letzt muss natürlich der Campus der Universität erwähnt werden, sowohl in Villaviciosa de Odon als auch in Alcobendas, im Norden von Madrid. Alles in allem habe ich eine unvergessliche Zeit erlebt, tolle Menschen kennengelernt und natürlich den Master in Sportpsychologie erreicht. 

Und zum zweiten Teil deiner Frage: Ich glaube, dass die in den vergangenen Jahrzehnten von außergewöhnlichen Menschen erstellten sportpsychologischen Konzepte, Modelle und Erklärungsansätze einen gewissen universellen Wert besitzen. Und sowohl bei Sportlern in Spanien als auch in Deutschland und an vielen anderen Orten der Welt Anwendung finden. Deshalb tickt die Sportpsychologie dort erstmal nicht grundsätzlich anders. Möglicherweise anders ist, dass in vielen Vereinen in Spanien, unabhängig von der Sportart, sehr viel Wert darauf gelegt wird, dass mehrere Sportpsychologen zeitgleich in einem Team mit Spielern, Trainern und dem Management sowie Funktionären arbeiten und so die Möglichkeit haben sich ad-hoc auszutauschen, um bestmögliche sportpsychologische Strategien und Interventionen zu entwickeln. Diese Multiperspektivität wurde uns natürlich auch in der universitären Ausbildung vermittelt. Insofern finde ich es toll, dass ich dies im Kreise von Die Sportpsychologen so gleich mit einbringen kann, wo vergleichbar gearbeitet wird.

Du bringst eine beeindruckende Ausbildungvielfalt mit. Von der Sportpsychologie, über angewandte Neurowissenschaften bis hin zur klinischen Psychologie. Welche Rolle spielt in deiner Arbeit aber die Liebe zum Sport? Wofür brennt dein Sportlerherz?

Sport spielt schon immer eine sehr zentrale Rolle für mich. Die Möglichkeit, aus unterschiedlichen Perspektiven in die Welt der Bewegung einzutauchen, finde ich sehr spannend. Das Leben ist Bewegung und die Menschen, mit denen man tagtäglich arbeitet, haben bewegte Leben (meines natürlich eingeschlossen). Sport und Bewegung sind inspirierende und motivierende Energiequellen für mich. 

Marcus Mühlberger während der Abschlussveranstaltung in Madrid

Mein Sportlerherz schlägt für Underdog- und Erfolgsgeschichten, beispielsweise die eindrucksvoll gewonnene deutsche Meisterschaft von Bayer Leverkusen in diesem Jahr, für faszinierende Fan-Choreografien, die Menschen zusammenbringen, man denke nur an die EM im Sommer und die holländischen „nach-links-nach-rechts-Sprünge“ in den Straßen von Hamburg oder Leipzig, aber auch für die beeindruckende Biomechanik, die physikalische Grenzen überwindet, wie es beispielsweise im Skispringen zu sehen ist.

Ich bin begeistert von der Ästhetik im Sport, sei es die unvergleichliche Präzision der Pässe von Toni Kroos oder die über 40 Yards langen Würfe eines Quarterbacks, die diesen besonderen Wow-Effekt hervorrufen.

Gleichzeitig brennt mein Herz auch für die Spielintelligenz von Athleten, die die Dynamik des Spiels antizipieren und auf dieser Grundlage entscheidende Entscheidungen treffen, um Spielsituationen erfolgreich zu meistern. All diese Aspekte beginnen im Kopf der Athleten und sind für mich das Ergebnis komplexer neuronaler Prozesse. Vom ersten Planungsimpuls bis zur präzisen Ausführung der Bewegungsmuster – alles spielt eine Rolle. Hinzu kommen Faktoren wie Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Emotionen, die einen entscheidenden Beitrag zum Erfolg des Sportlers leisten. Die Vielzahl an Variablen im Sport eröffnet ständig neue, spannende Perspektiven, die meine Leidenschaft für diese Disziplin noch lange anfeuern.

Seit einigen Wochen bist du Teil von Die Sportpsychologen. Wie sind deine Eindrücke vom Netzwerk und wie willst du dich persönlich einbringen?

Ich konnte bereits mit einigen Sportpsychologen des Netzwerks in Kontakt treten und habe eine tolle Hilfsbereitschaft und guten Austausch wahrnehmen können, wofür ich sehr dankbar bin. Es hat mir ein gutes Gefühl vermittelt, bei den erfahrenen Kollegen um Rat zu fragen (auch spontan per Telefon). Sehr interessant und wertvoll fand ich die Supervision unter der Leitung von Prof. Dr. Oliver Stoll. 

Hier könnte und würde ich mich gerne ins Netzwerk einbringen und mögliche Fallbearbeitungen im Rahmen einer kollegialen Fallberatung initiieren. Auch die Erarbeitung gemeinsamer Workshops bis zur Durchführung kann ich mir gut mit den Kollegen vorstellen. Darüber hinaus freue ich mich natürlich über regen Austausch und stehe natürlich gleichermaßen den Mitgliedern des Netzwerks für Fragen zur Verfügung.

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