Nathalie Klingebiel: Kürzlich habe ich mit unseren NLZ-Fußballern geboxt

Ihr Weg ist ein besonderer. Nathalie Klingebiel hat in den vergangenen Jahren nicht nur einige, sondern wirklich zahlreiche Sportarten selbst ausgeübt und damit umfangreiche Erfahrungen gesammelt. Diese bringt sie nun in ihre Tätigkeit als Sportpsychologin am Nachwuchsleistungszentrum von Eintracht Braunschweig ein. Konkret bedeutet das so manche spezielle Trainigseinheit. So zeigt Nathalie Klingebiel (zur Profilseite) ihren Fußballern ganz konkret in der Trainingspraxis auf, inwiefern sie zum Beispiel von Boxern lernen können. Mehr dazu im Interview, welches unser Redaktionsleiter Mathias Liebing geführt hat.

Nathalie, du arbeitest an einem Nachwuchsleistungszentrum. Mit welcher Art von Fragen und Themen kommen die jungen Fußballer zu dir und wie kannst du sie unterstützen?

  • Das ist tatsächlich sehr unterschiedlich. Jeder Spieler ist anders und genauso verschieden sind auch ihre Anliegen. Der erste Unterschied liegt schon mal darin, mit welcher Motivation sie zu mir kommen – kommen sie von sich aus oder wird ihnen ein Gespräch mit mir von Eltern- oder Trainerseite empfohlen? Die Themen umfassen meistens den sportlichen Bereich, sprich Leistungsdruck, fehlende Motivation und Freude, mangelndes Selbstvertrauen, Angst vor einem Wiedereinstieg nach Verletzungen, Umgang mit (unangenehmen) Emotionen und und und… aber auch private Themen (z.B. Stress zuhause oder in der Schule) können Inhalte eines sportpsychologischen Coachings sein. Vielen Spielern hilft es oft schon, einfach mit einer neutralen Person wie mir darüber sprechen zu können und sich mal alles von der Seele zu reden. Ansonsten besteht meine Arbeit grundsätzlich darin, zusammen mit ihnen zu erarbeiten, wo vielleicht Ursachen liegen und wie sie lösungsorientiert handeln können, indem wir z.B. hilfreiche Strategien erarbeiten wie Atemtechniken, Achtsamkeitsmethoden oder Gedankenprotokolle.

Du selbst hast sehr unterschiedliche sportliche Erfahrungen gemacht. Ärgerst du dich heute, dass du dich persönlich nicht auf eine Sportart festgelegt hast oder profitierst du inzwischen sogar davon?

  • Ich ärgere mich gar nicht darüber, ganz im Gegenteil! Ich persönlich sehe es als großen Vorteil, mich in verschiedenen Sportarten ausprobiert zu haben – von Reiten, Hip Hop, Leichtathletik über Kraftsport, Boxen und Fußball. Teamsport und Einzeldisziplinen. Kraft, Kondition und Koordination. Durch diese unterschiedlichen Erfahrungen habe ich super viel lernen können, sei es z.B. zwischenmenschlich, indem ich dadurch viele verschiedene Leute kennengelernt habe, oder sportlich/körperlich, da jede Sportart unterschiedliche Muskelgruppen beansprucht und unterschiedliche Bewegungsabläufe erfordert. Ich würde sogar behaupten, dass mich diese vielseitigen Erfahrungen zu einer guten Hybridathletin gemacht haben – auf sportlicher, sozialer und mentaler Ebene. 
Zur Profilseite: https://www.die-sportpsychologen.de/nathalie-klingebiel/

Neben dem Fußball arbeitest du auch im Kampfsport, insbesondere im Boxen. Was können eigentlich Fußballer von Boxern und umgekehrt Boxer von Fußballern sportpsychologisch lernen?

  • Was können Boxer von Fußballern sportpsychologisch lernen?
    Da Boxen ein Einzelsport ist, können Boxer von Fußballern vor allem Aspekte der Teamarbeit und Kommunikation lernen. Boxer, die oft isoliert trainieren, können davon profitieren, mehr über Teamdynamik und den Nutzen von Unterstützung in stressigen Phasen zu lernen, z.B. durch engere Zusammenarbeit mit ihrem Trainerteam. Fußball erfordert Kreativität auf dem Spielfeld, um die sich ständig ändernden Situationen zu lösen. Boxer könnten von dieser Flexibilität profitieren, um ihr taktisches Repertoire zu erweitern und auf verschiedene Kampfsituationen kreativer zu reagieren.
  • Was können Fußballer von Boxern sportpsychologisch lernen?
    Ich habe erst vor Kurzem mit einer unserer Mannschaften am NLZ einen kleinen Exkurs ins Boxen gemacht und durfte eine kurze praktische Einheit dazu mit ihnen auf dem Platz durchführen. Ich finde es zum einen wichtig, dass die Jungs auch einfach mal andere Sportarten kennenlernen, da sich die meisten schon früh ausschließlich auf den Fußball festgelegt haben. So werden sie sowohl körperlich als auch kognitiv gefordert, indem sie neue Bewegungsabläufe erlernen, und können gleichzeitig im Fußballspiel davon profitieren, da beim Boxen z.B. viel Agilität trainiert wird (sprich beweglich und reaktionsschnell zu sein), was sie wiederum bei Zweikämpfen oder Standards gut gebrauchen können. 
    Zum Anderen können Fußballer auch aus mentaler Sicht vom Boxsport lernen. Ich versuche den Spielern u.a. zu vermitteln, dass sie jede Sekunde fokussiert sein und immer 100% geben müssen, wenn sie in einem Kontext wie einem NLZ erfolgreich sein wollen. Im Boxen ist das A und O, mental zu jeder Zeit on point zu sein; die kleinste Ablenkung der Aufmerksamkeit kann bereits den K.O. bedeuten. Außerdem lernen Boxer früh, Rückschläge und Niederlagen zu akzeptieren und sich mental schnell wieder aufzurichten. Diese Fähigkeit, sich nach Fehlern oder Rückschlägen zu regenerieren, ist auch im Fußball entscheidend, um nach einer Niederlage oder einem Fehler im Spiel sofort wieder in die richtige mentale Verfassung zu kommen. Besonders bei Motivationsfragen oder Umgang mit Frust wende ich diesen Vergleich zwischen Boxen und Fußball gerne an. 

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