Seit Jahren arbeite ich leidenschaftlich gern und mit viel Herz im Nachwuchs(leistungs)sport. Mit allem, was dazu gehört. Als Trainerin und Coach. Ich liebe das Training, aber auch das Spiel sowie das gesamte Drumherum. Mit Spieler:innen, Eltern und mit Kolleg:innen Gespräche zu führen, auch auf Landesverbandsebenen zu diskutieren und zu streiten. Eben alles, was dazu gehört. Aber es gibt auch Schattenseiten. Zwei Sachen will ich dazu nennen, die sich im Laufe der letzten 20 Jahre faktisch nicht verändert haben: Viele schimpfen auf das “System”. Dazu steigt aus meiner Erfahrung die Zahl der Jugendlichen, die mit dem (Leistung)sprt aufhören) stetig an, was mir echte Sorgen macht. Letzteres hat, wie ich immer wieder höre, häufig mit Ersterem zu tun. Wo setzen wir also an, wenn wir etwas ändern wollen: Beim System oder beim Verhalten?
Zum Thema: Verhaltensänderungen im Nachwuchs(leistungs)sport
Versuchen wir es mit unserem Verhalten. Mir ist ein Modell der Verhaltensänderung in den Sinn gekommen. Eines, was auf den ersten Blick nichts mit Sport zu tun hat. Im Zentrum des Modells steht die Bereitschaft zur Veränderung von (Risiko-)verhalten, welches durch fünf aufeinander aufbauender Stufen beschrieben wird. Ursprünglich wurde das TTM zur Therapie von Nikotinabhängigkeit entwickelt (DiClemente und Prochaska, 1982; 1983). Jahre später erfolgte eine Erweiterung auf die körperliche Bewegung.
In dem Modell geht es um sechs Stufen, die jeder im Sport kennt. Dabei muss erst eine Stufe bewältigt werden, um auf die nächste Stufe zu kommen – überspringen ist nicht möglich.
- Absichtslosigkeit (pre-contemplation)
- Absichtsbildung (contemplation)
- Vorbereitung (preparation)
- Handlung (action) und
- Aufrechterhaltung (maintenance)
- Stabilisierung (termination)
Unser Verhalten als Schlüssel
Die einzelnen Stufen erreicht man nur durch die eigenen Selbstwirksamkeitserwartungen. Langfristig ist ein Erfolg nur durch mentale und verhaltensbezogene Veränderungsstrategien erreichbar. In einer Studie aus dem Jahr 2001 von Keller, Kaluza und Basler kamen die Kollegen zu dem Schluss, dass verschiedene und unterschiedliche Strategien hilfreich wären und sie somit verändert werden müssen, um das gesteckte Ziel zu erreichen. Logisch, wenn wir bedenken, dass sich auch die technischen und taktischen Trainingselemente für die Sportler verändern! Wir kennen das alle aus unserem Sportalltag.
Was hat das aber nun mit den eingangs erwähnten Problemen zu tun: Der Systemkritik und der hohen Drop-out-Quote? Ganz einfach: Ich denke, liebe Trainer:innen, Sportler:innen und Eltern, lasst uns an unserem Verhalten arbeiten. Lasst uns mit unserem Verhalten etwas ändern!
Konstruktive Wege
Wie soll das gehen? Schauen wir uns dazu das eingangs erwähnte Modell noch einmal an: Punkt eins ist die Absichtsbildung. Formuliert also mit Blick auf eure individuelle Situation (für Sportler:innen: Trainingsumstände, Kosten, persönliche Dinge, für Trainer:innen: Kommunikation, Führung oder Methoden – holt euch gern Inspirationen aus anderen Sportarten, „Thinking outside the box“) eine klare Absicht, und euch daraufhin Unterstützung zu holen (2.+3 Punkt). Damit bereitet ihr euch vor und begebt euch in die Handlung (4.). Wenn es funktioniert, dann bleibt unbedingt dran. Realisiert die angestrebte Veränderung am besten gemeinsam, haltet die Anpassungen aufrecht, um diese somit langfristig zu stabilisieren (5.+6.).
Das beschriebene Modell, welches die Verhaltensänderungen erklärt und voraussagt, kann wirksam sein. Es zeigt, welche Schritte unternommen werden müssen, damit wir unser Verhalten erfolgreich ändern. Meine Erfahrungen aus über 20 Jahren Zusammenarbeit mit dem Nachwuchs zeigen mir, dass es sich lohnt. Ich habe es bereits angewandt und unterstütze Sportler:innen und Eltern gern, wenn sie sich ihrem Verein/Verband konstruktiv öffnen wollen, um etwas zu verändern.
Systemänderungen
Das Beste: Wenn diese Veränderungen greifen, dann hat das auch einen direkten Einfluss auf das zuvor kritisierte System. Es passiert etwas in Bezug auf:
- Problembewusstsein
- Selbstneubewertung
- Neubewertung der persönlichen Umwelt
- emotionales Erleben
- Wahrnehmung förderlicher Umweltbedingungen
Lasst uns also anfangen. Meine Kolleg:Innen im Netzwerk (zur Übersicht) und ich (zum Profil von Danijela Bradfisch) unterstützen euch gern. Nehmt Kontakt auf. Ich bin überzeugt, dass wir über diesen Weg einige Sportler:innen vom Verbleib im Sport oder im Leistungssport überzeugen können.
Quellen
- Keller, S., Kaluza, G. & Basler, H.-D. (2001). Motivierung zur Verhaltensänderung. Psychomed, 13, 101-111.
- Prochaska, J. O., & DiClemente, C. C. (1982). Transtheoretical therapy: Toward a more integrative model of change. Psychotherapy: Theory, Research & Practice, 19(3), 276–288. https://doi.org/10.1037/h0088437
- Prochaska, J. O., & DiClemente, C. C. (1983). Stages and processes of self-change of smoking: Toward an integrative model of change. Journal of Consulting and Clinical Psychology, 51(3), 390–395. https://doi.org/10.1037/0022-006X.51.3.390
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