Der Aufschlag im Tennis ist eine ziemlich automatisierte Bewegung. Ein zentraler Bestandteil ist der Ballwurf. Gelingt er, hat der oder die Aufschlagende gute Karten, den Ball perfekt dahin zu servieren, wo er hin soll. Was aber, wenn die Bewegung durch äußere Einflüsse verlässlich gestört wird? Mit dieser Frage kam eine Leserin auf und zu. Anke Precht und Danijela Bradfisch haben geantwortet.
Zum Thema: Umgang mit Stress im Tennis
Zur konkreten Situationsbeschreibung: In den vergangenen Wochen bin ich – auch privat – sehr gestresst. Dann ist es mir nicht möglich, einen vernünftigen Ballwurf für den Aufschlag zu werfen. Er geht nach links/rechts, ist zu niedrig oder komplett weg. Ich weiß nicht, wie ich diese „Blockade“ lösen kann. Liebe Sportpsychologen, könnt ihr mir helfen?
Antwort von: Anke Precht (zum Profil)
Liebe Mareike (Namen von der Redaktion geändert),
wenn du schon weißt, dass die Qualität deines Ballwurfs davon abhängt, ob du allgemein gestresst oder eher entspannt bist, ist die Lösung gar nicht so weit. Auch wenn wir Stress in der Regel gleichsetzen mit der Menge an Herausforderungen oder der Menge des Ärgers, mit dem wir uns im Alltag herumschlagen, ist dem doch nicht ganz so. Das machen wir uns in der Sportpsychologie zu Nutze: Wir lernen, den “inneren Stress” vom äußeren zu entkoppeln.
Zum Hintergrund: Alles, was Stress auslösen kann (im Fachsprech die “Stressoren”), also Druck, aber auch eigene Gedanken, kann, muss aber keinen inneren Stress bewirken. Ob das der Fall ist oder nicht, hat sehr stark damit zu tun, wie wir die Stressoren bewerten.
Der kanadische Sportpsychologe Michel Gagné zum Beispiel hat den Leitspruch “eat stress for breakfast!” und meint damit: Nutze Stress als Antrieb. Heiße ihn willkommen.
Damit das aber geht, müssen wir ihn begrüßen, zumindest den äußeren Stress. Konkret kann sich das so anhören: Statt bei knappen Terminen und dem Rennen zum Auto zu denken: “Hoffentlich ist jetzt nicht auch noch ein Stau, sonst komme ich komplett zu spät”, eher so heranzugehen: “Wow, neuer Rekord. Ich bin verdammt schnell. Mal schauen, ob das noch aufgeht. Falls nein, sage ich telefonisch beim nächsten Termin Bescheid.” Dass das nicht von heute auf morgen von alleine klappt, versteht sich. Heißt: Es gilt, die eigenen Gedanken über dein Leben und deinen Alltag immer wieder bewusst zu erkennen und gegebenenfalls umzuformulieren. Das ist Training, wer es regelmäßig tut, wird bemerken, dass es nach und nach einfacher wird.
Darüber hinaus gibt es Möglichkeiten, auch über den Körper Stress zu vermindern. Allem voran steht der Sport, der dabei hilft, Stressreaktionen abzubauen. Den betreibst du ja schon, und vielleicht hilft es, die ersten 20 Minuten erst einmal dem Spannungsabbau zu widmen und keinen Wert darauf zu legen, wie der Anwurf gelingt. Danach kann dann das Technische in den Vordergrund rücken.
Auch tägliche Meditation hilft dabei, dass der Körper auf die vorhandenen Stressoren nicht mehr mit so viel innerer Spannung reagiert. Sie ist ein Königsweg zur inneren Gelassenheit, auch im größten Chaos. Damit meine ich die klassische Meditation, also im Sitzen, täglich am besten zur gleichen Zeit, zum Beispiel direkt nach dem Aufstehen, anfangs nur drei Minuten, während du deinen Atem beobachtest und versuchst, so gut es geht dabei zu bleiben. Du wirst merken, dass du immer wieder abschweifst oder abgelenkt wirst – dann kommst du zum Atem zurück. Das Ziel ist nicht Wohlbefinden oder innere Leere, sondern das regelmäßige Training der aktiven Lenkung deiner Aufmerksamkeit. Nach ein paar Wochen Training geht es besser, nach wenigen Monaten sind drei Minuten immer besser machbar – dann verlängere auf fünf und trainiere weiter. Das Ergebnis: Du kannst dich besser auf das fokussieren, was jetzt gerade dran ist, egal was gerade passiert ist. Zum Beispiel auf deinen Aufschlag beim Tennis.
Antwort von: Danijela Bradfisch (zum Profil)
Liebe Mareike (Namen von der Redaktion geändert),
Danke für Deine Anfrage und ich hoffe, dass unsere Impulse Dich ein Stück weiterbringen. 🙂 Vorweg, finde ich es gut, dass Du Deinen Stress mit Sport löst, das fördert die Produktion von Glückshormonen. Allerdings klingt es für mich so, dass zwar dein Körper in der Halle steht, aber dein Kopf noch “irgendwo” anders ist?! Gerne würde ich noch mehr wissen beziehungsweise dich anregen, dir selbst Fragen zu stellen und bestimmte Zusammenhänge zu hinterfragen?
- Wann genau hast Du Training?
- Nimmst Du Dir genügend Zeit vorher?
- Welche Routinen hast Du, wenn Du hingehst, Dich vorbereitest?
Ich betreue viele Tennis-Athletinnen und stelle ihnen dieselben Fragen, denn wenn man mit einer bewussten Ruhe und Gelassenheit bereits zum Training erscheint, ist der erste Schritt bereits getan. Hier ein Bild, damit Du es besser verstehst, was ich meine:
Mach Dir vor der Halle bewusst, dass Du nun trainieren möchtest. Gerne in Verbindung mit einer bewussten Ein- und Ausatmung. Stell Dir ein Regal vor, das neben der Tür steht. Stelle Deine Sorgen, beruflichen und privaten Gedanken in dem Regal ab und sage ihnen, dass Du sie hier vorübergehend abstellst, aber anschließend wieder abholen wirst. Kopf, Geist und Körper sind miteinander verbunden und bedingen sich gegenseitig. Wenn Du wohlwollend mit den ersten beiden umgehst, entspannt sich dein Körper. Dadurch fällt es Dir bestimmt dann auch leichter, diesen mehr Aufmerksamkeit zu geben. Zum Beispiel beim Aufschlag. Anspannen der Körpermitte, Streckung des Rückens, Arms usw. um den höchsten Treffpunkt zu erlangen. Ggf. mit einer Ausatmung zu kombinieren.
Das von mir “gemalte Bild” ist eine von vielen Möglichkeiten und bedarf einer regelmäßigen Wiederholung, ggf. sogar mit Anpassungen, aber ich bin mir sicher, dass Du es schaffst.
Ich wünsche Dir jedenfalls viel Spaß und Erfolg mit Deinen Aufschlag und Spiel. Genieß es 🙂
VG – Danijela
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