Immer häufiger kontaktieren Eltern Kollegen*innen mit der Bitte um Hilfestellung Ihres Kindes bei Erbrechen und Bauchgrummeln vor Wettkämpfen. Die Beschwerden haben oft harmlose Ursachen und verschwinden nach kurzer Zeit. Aber auch ernsthafte Erkrankungen können dahinterstecken. Wie können Eltern oder Trainer*innen erkennen, dass sich etwas Ernstes dahinter verbergen könnte? Und welche Auslöser gibt es dafür und wie kann eine sportpsychologische Unterstützung des Kindes aussehen?
Zum Thema: Kindliche Magen-Darm-Beschwerden vor dem Wettkampf und was Sie als Eltern und Trainer*innen tun können?
Ein kindlicher Wettkampf steht bevor und schon drückt es im Bauch. Der eine reagiert mit leichter Übelkeit und Erbrechen auf solche Stresssituationen, der andere fühlt sich sehr unwohl. Dies liegt u.a. an der beeinflussenden Verbindung zwischen Gehirn und den Verdauungsorganen (Liem, Lenz, Ciranna-Raab, 2019). Im Magen-Darm-Trakt sitzen hundert Millionen Nervenzellen. Sie sind für die Abgabe von Verdauungssäften und der Aufnahme von Nahrung verantwortlich. Doch sie können durch das vegetative Nervensystem beeinflusst werden. Die Brücke des Gehirns zum Körper ist das Zwischenhirn. Über diese gut vernetzte Region werden alle Hormone gesteuert. In akuter Situation – also zum Beispiel vor einem Wettkampf – wird das Stresshormon Cortisol freigesetzt. Und das sorgt dann dafür, dass die Atmung beschleunigt wird, das Herz schneller schlägt und die Muskulatur durchblutet wird. Das Zwischenhirn sendet anschließend an die Nebenniere folgendes: „Setze sofort eine große Menge Stresshormone frei und reagiere auf mögliche Gefahren“. Für diese Abwehrbereitschaft brauchen das Herz, die Lunge und die Muskeln Energiereserven, die aus dem Magen-Darm-Trakt abgezogen werden. Wird der Sauerstoffträger Blut aus den Verdauungsorganen abgezogen, stellen diese ihre reguläre Tätigkeit ein und transportieren die Nahrung nicht mehr weiter. In einer milden Form löst das Bauchdrücken und Übelkeit aus, im Extremfall will der Körper die Nahrungsreste nach außen führen.
Warum Kinder unterschiedlich auf Belastungen reagieren, ist wissenschaftlich nicht abschließend geklärt. Es gibt aber verschiedene Ansätze zur Linderung der genannten Symptome (kindliche Zuwendung, leichte Kost und kleine Mahlzeiten (Stark et al. 2009), mediative Verfahren (Weydert et al. 2006), imaginative Verfahren (Barnes et al. 2008) und kombinierte Verfahren (Schneider 2009, S.248- 250).
Anregungen für Eltern und Trainer*innen
Das Wichtigste ist, dass das Kind spürt, dass es trotz körperlicher und mentaler Schwierigkeiten anerkannt und geliebt wird. Die Symptome vor Wettkämpfen haben weder mit fehlendem Willen oder Leistungseinschränkungen zu tun. Beachten Sie dabei, dass das Kind selten in der Lage ist, dies selbst näher zu benennen. Akzeptieren und leisten Sie als Eltern oder Trainer*innen eine fürsorgliche Haltung ohne Vorwürfe, dies ist ein erster wichtiger Schritt.
Sprechen Sie mit Kind über die Situation und konsultieren Sie vorsichtshalber einen Mediziner. Somit können Sie körperliche Erkrankungen vorab ausschließen. Sprechen Sie des Weiteren mit der zuständigen Lehrkraft in der Schule oder mit dem Trainer bzw. der Trainerin. Das Hinzuziehen eines Kollegen bzw. Kollegin mit klinischer Ausbildung wäre im Einzelfall auch ratsam.
Vor und nach dem Wettkampf
Das Erbrechen ist mit hohem Flüssigkeits- und Elektrolytverlust verbunden, daher sollten Sie darauf achten, dass diese Balance wieder hergestellt wird. Ausgleichen kann man diesen Verlust mit Trinklösungen. Steht ein Wettkampf bevor, setzen Sie das Kind nicht unter Druck. Extra Trainingseinheiten helfen kaum, wenn das Kind wegen körperlichen Beschwerden oder Ängsten nicht auf das Potenzial zurückgreifen kann.
Im Vordergrund sollte stehen, den Auslöser für die körperlichen und mentalen Beschwerden herauszufinden und zu lösen, das Kind in seinem Selbstwertgefühl zu stärken und ihm Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit zu geben. Ist die belastende Situation abgeschlossen, belohnen Sie Ihr Kind. Egal ob eine gute oder schlechte Leistung sich abzeichnet. Das Kind hat eine sehr schwierige Situation hinter sich gebracht und das ist entsprechend zu würdigen.
Weitere Anregungen für Sie:
- Angst im Nachwuchssport: https://www.die-sportpsychologen.de/2018/08/dr-rene-paasch-angst-im-nachwuchssport/
- Keine Angst vor der Angst: https://www.die-sportpsychologen.de/2021/04/dr-rene-paasch-keine-angst-vor-der-angst/
- Mentoren lassen Kinder Fehler machen: https://www.die-sportpsychologen.de/2020/12/dr-rene-paasch-mentoren-lassen-kinder-fehler-machen/
- Mentales Training im Jugendfussball: https://www.die-sportpsychologen.de/2015/06/dr-rene-paasch-mentales-training-im-nachwuchsfussball/
Fazit
Das Erbrechen oder Bauchgrummeln vor Wettkämpfen kann viele unterschiedliche Gründe haben. Um der Ursache der Beschwerden auf den Grund zu gehen, können Eltern und Trainer*innen gegebenenfalls auch das Kind aktiv mit einbeziehen. Im Anamnesegespräch mit Ihrem Kinder- und Jugendarzt kann es hilfreich sein, wenn Sie genau schildern können, wann, wo und in welcher Intensität die Symptome zum ersten Mal aufgetreten sind. Für Ihr Kind ist es jetzt besonders wichtig, zu wissen, dass Sie da sind. Nehmen Sie sich Zeit, kuscheln Sie, lesen Sie gemeinsam Geschichten und sprechen Sie nicht nur über den Sport. Auch sich der herausfordernden Situationen zu stellen, kann die Symptome verbessern und innerlich bestärken. Manche Kinder berichten nach dem Erbrechen, dass es Ihnen besser geht und sie beim Wettkampf keine Bauchschmerzen mehr hatten. Dennoch sollten Sie die Schmerzen Ihres Kindes ernst nehmen und weiteres veranlassen.
Der Weg zur Diagnose ist manchmal schwierig. Nicht immer kann Ihr Arzt eine klare körperliche Ursache feststellen. Deshalb sollten Sie auch psychische Auslöser wie zum Beispiel Stress in Betracht ziehen. Therapeuten*innen in gemeinsamer Zusammenarbeit mit Sportpsychologen*innen oder sportpsychologischen Experten*innen können Ihnen und Ihrem Kind dabei behilflich sein.
Literatur
Banez, G. (2008): Chronic abdominal pain in children: what to do following the medical evaluation. Curr Opin Pediatr 2008; 20(5): 571–575
Liem T., Lenz C., Ciranna-Raab, C. (2019): Differenzialdiagnosen in der Kinderosteopathie. Hrsg. 1. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2019. doi:10.1055/b-003-128220
Seiffge-Krenke, I, Lohaus, A (2007): Stress und Stressbewältigung im Kindes- und Jugendalter. Hogrefe Verlag, Göttingen
Schneider, M. (2009): Lehrbuch der Verhaltenstherapie. 3.Aufl., Heidelberg: Springer Verlag
Stark, L., Quittner, A., Powers S., Opipari-Arrigan, L., Bean J., Duggan C, Stallings V. (2009): Randomized clinical trial of behavioral intervention and nutrition education to improve caloric intake and weight in children with cystic fibrosis. Arch Pediatr Adolesc Med; 163(10): 915–921
Weydert, J., Shapiro D., Acra S., Monheim C., Chambers A., Ball T. (2006): Evaluation of guided imagery as treatment for recurrent abdominal pain in children: a randomized controlled trial. BMC Pediatr 2006; 6: 29
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