Seit 2018 spielt Lennert Klause im Nachwuchs des Fußball-Drittligisten Hallescher FC. Mit seiner Torgefahr und seiner außerordentlichen Schnelligkeit machte er die HFC-Verantwortlichen auf sich aufmerksam als er noch beim SV Sennewitz und anschließend beim VfL Halle 96 spielte. Seit seinem Wechsel zum HFC hat der 16-Jährige, der aktuell für die U17 die Schuhe schnürt, die Sportpsychologie kennen- und schätzengelernt: „Ich habe eine sehr positive Meinung zur Sportpsychologie. Sie gehört einfach dazu, denn man kann viele Erkenntnisse nutzen, die auch eine Leistungssteigerung zur Folge haben können. Mich bringt die Sportpsychologie weiter – als Sportler wie auch als Mensch in meiner Persönlichkeitsentwicklung. Sie kann beispielsweise dabei helfen, die Kommunikation innerhalb der Mannschaft auf und neben dem Platz sowie zwischen Mannschaft und Trainer zu verbessern. Einen Sportpsychologen im Verein zu haben, ist sehr hilfreich, weil es somit bei Problemen immer einen Ansprechpartner gibt und gemeinsam Lösungsmöglichkeiten erarbeitet werden.“
Beim Halleschen FC hat er sich im Zuge einer schulischen Facharbeit an den Sportpsychologen Janosch Daul (zum Profil) gewandt. Nach Absprache zwischen allen Beteiligten dürfen wie die von Lennert Klause entwickelten Fragen an seinen Sportpsychologen hier veröffentlichen. Und nicht nur das: Die Erkenntnisse seiner Arbeit möchte Lennert übrigens mit seinen Teamkameraden teilen. Keine Frage, die aktuelle Spielergeneration lernt mit der Disziplin Sportpsychologie zu arbeiten.
Lennert Klause: Um den Stresspegel zu senken, hört ein Großteil Musik, andere schlafen oder tauschen sich aus, um sich Luft zu machen. Viele meiner Mitspieler nutzen auch gleiche Abläufe und Rituale. Welche anderen Methoden gibt es noch? Was rätst du?
Janosch Daul (zum Profil): Es gibt zahlreiche Bewältigungsstrategien. Jeder Sportler sollte individuell für sich herausfinden, gern in der Zusammenarbeit mit einem Sportpsychologen, welche Strategien für ihn persönlich in welcher Situation passend sind. Wichtig ist, zahlreiche Strategien an der Hand zu haben, denn nicht jede ist in jeder Situation gleichermaßen anwendbar.
Weitere sinnvolle Methoden können sein:
- Anwendung von Entspannungsmethoden
- Meditation
- Spazierengehen oder Joggen
- Bewusste Ausrichtung der Aufmerksamkeit z.B. auf einen Gegenstand, die Natur, den Körper etc.
- positiv-unterstützende Selbstgespräche
- Umbewertung der Situation (die Situation z.B. positiv umdeuten)
Und viele mehr!
Lennert Klause: Die Mehrheit meiner Mitspieler hat angegeben, dass ihre Methode zur Stressbewältigung nur manchmal funktioniert, aber nicht immer. Keiner hat angegeben, dass es nie funktioniert hat. Was leitest du davon ab?
Janosch Daul (zum Profi): Diese Tatsache stützt meine Aussage zur Frage zuvor. Nämlich, dass es zahlreiche Bewältigungsstrategien braucht, damit in einer bestimmten auftretenden Stresssituation die für den Spieler passende Strategie angewandt werden kann. Hat man nur eine Strategie im persönlichen „Strategiekoffer“, macht man sich von dieser abhängig und kann nicht mehr flexibel mit der jeweiligen Stresssituation umgehen.
Lennert Klause: Die Frage, welchen Einfluss Stress auf die persönliche Leistung im Fußball hat, wird sehr unterschiedlich beantwortet: Acht Spieler haben angegeben, dass Stress sie wenig beeinflusst, sieben dagegen, dass er einen ziemlich großen Einfluss hat. Woher kommt das? Was glaubst du, sind die Ursachen dafür?
Janosch Daul (zum Profi): Stress ist nicht gleich Stress. Was ich damit sagen will: Es gibt verschiedene Formen von Stress. Ganz grob kann man zwischen positivem (also hilfreichem) und negativem (also weniger hilfreichem) sowie kurz,- mittel- und langfristigem Stress unterscheiden. Kurzfristig hilft Stress dabei, den Körper auf die anstehende Herausforderung vorzubereiten, indem (siehe Teil eins: Link) der Sympathikus für die nötigen körperlichen Voraussetzungen sorgt. Jeder Mensch braucht also vor einer Anforderungssituation ein gewisses Stresslevel. Wie hoch dieses sein sollte, ist wiederum individuell höchst unterschiedlich. Nimmt der Stress jedoch überhand, insbesondere wenn er langfristig und wiederkehrend auftritt, und finden wir keine Wege mehr zu Bewältigung, beeinflusst uns der Stress negativ – so sind nicht zuletzt Leistungseinbußen zu erklären.
In Bezug auf deine Ergebnisse: Zunächst einmal würde mich interessieren, ob der wahrgenommene Stress die Spieler in ihrer Leistungsfähigkeit positiv oder negativ beeinflusst hat. Falls der Stress negative Auswirkungen hatte, so ist aus deinen Ergebnissen u.a. zu schließen, dass die acht Spieler Mittel und Wege gefunden haben, um so mit dem Stress umzugehen, dass dieser keine (negativen) Auswirkungen auf ihre Leistungsfähigkeit hat, wohingegen die sieben Spieler noch nicht vollständig für sich herausgefunden haben, wie sie adäquat mit dem Stress umgehen können. Oder aber es fehlt noch an einer entsprechenden Anwendung der Strategien in der Praxis.
Lennert Klause: Kannst du überblicken, wie groß der Anteil der Gespräche zum Thema Stressbewältigung ist, die du führst (prozentual gesehen)?
Janosch Daul (zum Profi): Dies ist sehr schwer zu beantworten, da ich zum einen weder Statistik darüber führe, an welchen Themen ich prozentual wie oft mit Trainern und Spielern arbeite, zum anderen, weil „Stress“ so ein weites Feld beinhaltet. Um es aber mal in Zahlen zu umreißen: Vielleicht um die 15-25%. Auch in meiner Arbeit mit Trainern ist dieses Thema immer wieder Gegenstand der Coachings.
Lennert Klause: Kann man gewisse Rituale bzw. ritualisierte Abläufe erlernen und auch trainieren? Kannst du Beispiele nennen?
Janosch Daul (zum Profi): Rituale sind zumeist an Aberglaube geknüpft und haben oft einen symbolischen Charakter. Viele Weltstars – aber auch Profi-Spieler des Halleschen FC – wenden Rituale an (z.B. immer erst den linken Schuh binden, Bekreuzigung vor dem Betreten des Spielfelds, als Letzter einlaufen etc.). Jogi Löw hat bei der WM 2010 beispielsweise bis zum verlorenen Halbfinale seinen Glückspulli getragen – ein typisches Beispiel für ein solches Ritual.
Ich denke, deine Frage zielt aber eher auf Routinen ab. Hier kann man sich z.B. Vor-Wettkampf und Nach-Wettkampfroutinen erarbeiten. Also sich über Verhaltensabläufe Gedanken zu machen, die man gezielt vor (zur bestmöglichen Leistungsvorbereitung) und nach Spielen (zur bestmöglichen Spielnachbereitung) einsetzt. Allerdings lassen sich auch Routinen entwickeln, wie oben dargestellt, die unmittelbar auf dem Feld im Anschluss an bestimmte Situationen helfen können, z.B. um mit Ärger- und Stresssituationen auf positive Art und Weise umgehen zu können.
Den ersten Teil dieses Beitrages findet ihr hier: Link
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