Prof. Dr. Oliver Stoll: Beziehungsaufbau im Erstgespräch

Zurzeit habe ich wieder mehr Zulauf in meiner Praxis in der Leipziger Jahnallee. Also, verglichen mit den vergangenen 15 Monaten, in denen die Beratungs- und Trainingsgespräche mehr oder weniger in digitaler Form liefen. Die Athletinnen und Athleten, mittlerweile auch weitestgehend durch Impfungen immunisiert, trauen sich wieder „unter Menschen“, auch jenseits des Trainings- und Wettkampfgeländes. Diese Tatsache habe ich also zum Anlass genommen, um einen kleinen Blog-Beitrag zum Beziehungsaufbau von Sportpsycholog*in und Athlet*in zu schreiben, auch um hier für mehr Transparenz in der Öffentlichkeit zu sorgen. Nicht wenige SportlerInnen und TrainerInnen wissen manchmal nämlich nicht, was sie in einer solchen Situation erwartet.

Zum Thema: Werkzeuge für den Beziehungsaufbau 

Keine Frage: Eine professionelle Beziehung zwischen Athlet und Sportpsychologe ist immer ein sehr diskretes Verhältnis. In solchen Beratungs- und Betreuungsgesprächen werden oftmals Aspekte thematisiert, die ein Athlet eher selten mit einem Trainer besprechen würde, insbesondere dann, wenn es um eine mutmaßliche „Schwäche“ geht, denn das könnte ja evtl. bedeuten, dass man „nicht aufgestellt wird“ oder „kurzfristig aus der Mannschaft fliegt“. Auch wenn ein solches Denken mittlerweile eigentlich nicht mehr zeitgemäß ist, so ist dies mitunter, meiner Erfahrung nach, doch noch weit verbreitet. 

Ein Erstgespräch in einer sportpsychologischen Praxis dient in erster Linie dem Beziehungsaufbau. Erst nach einem solchen Gespräch wird in der Regel entschieden, ob es zu einer Zusammenarbeit kommt oder nicht. Man schaut, „ob die Chemie stimmt“. Und in diesem Zusammenhang kann man viel richtig, aber eben auch viel falsch machen. Aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich meinen Kolleginnen und Kollegen also folgende Hinweise mitgeben, die in der Regel auch zu einem positiven Beziehungsaufbau führen. Zu Beginn stehen immer die Hinweise, die uns Carl Rogers schon in den 1970er Jahren gelehrt hat und die zu den positiven Verhaltensweisen eines Therapeuten, Beraters oder Trainers gehören sollten:  

  1. Akzeptanz! Akzeptieren Sie den Athleten, so wie er ist und so wie er sich Ihnen gegenüber gibt. Vermeiden Sie zu „Urteilen“, lassen Sie den Athleten zunächst frei sprechen; Unterbrechen Sie nicht – nur wenn Sie etwas nicht verstanden haben und vergewissern Sie sich, dass Sie alles richtig verstanden haben. Das führt und zu Punkt zwei.
  2. Kongruenz! Zirkuläres Fragen sowie das konkrete Nachfragen, wenn man zu einem wichtigen Punkt kommt, hilft Vertrauen zu schaffen. Vergewissern Sie sich immer, ob Sie alles richtig verstanden haben. Fragen Sie nach, wenn Ihnen Wissen fehlt, um zum Beispiel eine bestimmte Situation korrekt einschätzen zu können. Fragen stört nicht, sondern zeigt Interesse.
  3. Empathie! Versuchen Sie sich, in den Klienten einzufühlen. Zeigen Sie Verständnis für negative, wie für positive Emotionen. Auch hier hilft immer wieder „im Gespräch zu bleiben“. So werden Sie zu einem Gefährten im Geiste des Klienten. Empathisches Zuhören ist m.E. das mächtigste Werkzeug, das wir für eine positive Beziehungsgestaltung, zur Verfügung haben.    

Verhalten, Technik und Materialien

Neben diesen Grundverhaltensweisen gelten aber auch die ganz „klassischen Verhaltenskriterien“. Dokumentieren Sie, was Sie tun. Und holen Sie sich natürlich dafür vorher die Erlaubnis ein. Gleiches gilt für Audio- und Videoaufnahmen. Für all diese eher formalen Aspekte gibt es gut schon vorbereitete Materialien. Es ist ganz egal, ob Sie dies handschriftlich tun, oder die Sitzung per Audio aufnehmen. Hauptsache ist, dass Sie wissen, was gesagt und getan wurde und was der Plan für die nächste Sitzung ist. Und abschließend: Bleiben Sie authentisch und ehrlich. Verstellen Sie sich nicht. Schauspielerei fällt in aller Regel auf. Und besonders wichtig: Versprechen Sie nie, was Sie nicht halten können („Wenn Du mit zusammenarbeitest, gewinnst Du eine olympische Medaille“) bzw. was ggf. unrealistisch ist („Ich bringe Dir in einer Woche bei, wie man mit Versagensdruck umgeht“).

Ein humanistisches Menschenbild

Das alles sind eigentlich ganz einfache Tipps, die man auch leicht beherzigen kann. Gut – die o.g. drei Grundhaltungen sind eben, dass was der Begriff auch meint: GRUNDHALTUNGEN. Diese hat man oder eben nicht. Man kann so etwas nur mit Mühe „erlernen“, wenn man nicht wirklich davon überzeugt ist. Und es ist ein Zeichen eines humanistischen Menschenbildes. Nichts hat die moderne Sportpsychologie wohl aktuell nötiger als das!      

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Prof. Dr. Oliver Stoll
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