Thorsten Loch: Abstiegskampf – Wie Angst Leistung beeinträchtigt

Am kommenden Samstag endet die Bundesligasaison. Im Fokus steht dabei allen voran der Abstiegskampf – noch nie waren so viele Vereine wie in diesem Jahr vor dem letzten Spieltag akut abstiegsbedroht. Zwischen Platz 13 und 18 ist nahezu alles noch möglich. Die betroffenen Spieler der Vereine aus dem unteren Tabellendrittel stehen vor einer der größten Herausforderungen ihrer Karriere. Ebenso die Trainer, denen die Aufgabe zukommt, die unweigerliche Angst ihrer Akteure auf einleistungsförderndes Level zu bringen.

Zum Thema: Angst, Selbstkontrolle und Emotionsregulation

Den meisten Sportlern ist diese Situation bekannt: Man befindet sich mitten in einem wichtigen sportlichen Wettkampf und plötzlich überkommt einen ein Gefühl von Angst. Die einfachsten motorischen Bewegungen, welche sonst im Schlaf beherrscht werden, möchten einfach nicht mehr gelingen. Die Folge davon ist, dass man sein „peak performance“ nicht abrufen kann und versagt. Neueste Studien liefern Hinweise darauf, dass man dem negativen Einfluss von Angst im Sportkontext entgegenwirken kann, wenn man über ausreichend Selbstkontrollkraft verfügt.

Was ist Angst überhaupt?

Ärger und Angst sind zwei wichtige Basisemotionen, die im sportlichen Kontext eine große Rolle spielen. Ebenso wie beim Umgang mit Stress sollten Sportler diese Emotionen erkennen und regulieren können. Aufgrund der hohen subjektiven Wertigkeit des Wettkampfes empfinden Sportler in solchen Drucksituationen häufig Angst, welche wiederum die Aufmerksamkeitsfähigkeit der Sportler beeinträchtigen kann. So führt dieser Zustand der stark emotionaler Erregung dazu, dass eine eigentlich gut beherrschte sportliche Bewegung nicht erfolgreich ausgeführt wird. So kann Angst bzw. Stress im Wettkampf zu einer Leistungsminderung führen. Unsere Kognitionen werden blockiert, sprich die Fähigkeit sich zu konzentrieren, wichtige (kritische) Situationen im Wettkampf zu analysieren und zielgerichtet zu handeln (Alfermann/Stoll, 2005). Im Fußball und vielen weiteren Sportarten ist für ein erfolgreiches Abschneiden jedoch selektive Aufmerksamkeit erforderlich (Vickers, 1996). Das bedeutet, dass für den motorischen Ablauf irrelevante Reize (z.B. die Zuschauer oder Konsequenzen des Spielausgangs) ausgeblendet werden müssen und der Aufmerksamkeitsfokus stattdessen auf den relevanten Zielreizen liegen muss (z.B. Torerfolg, -verhinderung).

Wie Angst im Sport entsteht

Angst im Sport entsteht nach dem Stressmodell von Lazarus (mod. nach Eberspächer, 2007) aus der kognitiven Bewertung der Situation. Hierbei schätzen die Sportler den Sachverhalt, z.B. eine Wettkampfsituation zunächst als „bedrohlich“ ein. Hinzu kommt, dass die eigenen Ressourcen, die hierfür zur Verfügung stehen, als „nicht ausreichend“ angesehen werden. Das Ergebnis ist ein Absinken der Selbstwirksamkeitserwartung und damit einhergehen eine verringerte Leistung. Bandura (1977) definiert Selbstwirksamkeitserwartung als Einschätzung der eigenen Fähigkeit/Fertigkeiten, Handlungen so zu organisieren und auszuführen, dass angestrebte Ziele erreicht werden können.

Ähnlich wie beim Stress enthält Angst eine externe (äußere Bedingungen) und eine interne Komponente (Einschätzung der eigenen Bewältigungsressourcen). Da die Wettkampfsituation nur schwer zu beeinflussen ist, ist es vor allem die interne Komponente, die Trainer nutzen müssen, um ihren Sportlern bei der Angstregulation zu unterstützen. Lob und positive Ansprache fördern das (Selbst-)Vertrauen und tragen dazu bei, „bedrohliche“ Situationen zu bewältigen.

Kraftspeichermodell der Selbstkontrolle

Um zu erklären, warum Menschen ihre Aufmerksamkeit nicht einfach von bedrohlichen Reizen weg und hin zu relevanten Reizen steuern können, kann das Kraftspeichermodell der Selbstkontrolle von vor Baumeister, Vohs und Tice (2007) zu Rate gezogen werden. Selbstkontrolle wird definiert als Fähigkeit, automatische Handlungstendenzen, Emotionen oder auch Aufmerksamkeitsprozesse zu unterbinden und stattdessen alternative Prozesse einzuleiten. Dies lässt sich am folgenden Beispiel genauer erläutern: Ein Spieler erhält von seinem Trainer die Anweisung, nach Ballverlust in der Offensive nicht an dem Fehler hängen zu bleiben, sondern schnellstmöglich in ein Gegenpressing umzuschalten. Da der Spieler jedoch die Tendenz dazu hat, stehen zu bleiben, muss dieser Selbstkontrolle aufbringen, um sich an die Vorgaben des Trainers zu halten. Die Praxis zeigt, dass die Sportler häufig die Vorgaben nicht umsetzen können (oder wollen). In diesem Fall scheitert die Selbstkontrolle. Das liegt laut Baumeister et al. unter anderem daran, dass sämtliche Selbstkontrollhandlungen auf einer begrenzten Ressource basieren – einem metaphorischen Kraftspeicher. Der Kraftspeicher liefert sozusagen den Treibstoff für Selbstkontrollhandlungen jeglicher  Art. Jedoch kann sich die Kapazität des Kraftspeichers vorübergehend erschöpfen. Nach vorangegangenen Selbstkontrollhandlungen ist unter Umständen vorerst nicht mehr ausreichend Kapazität für weitere Selbstkontrollhandlungen im Kraftspeicher verfügbar, was in der Folge zu schlechterer Selbstkontrollleistung führt. Diesen Zustand der Erschöpfung des Kraftspeichers bezeichnet man auch als Ego Depletion.

Selektive Aufmerksamkeit  

Ebenfalls vom Kraftspeicher abhängig ist die selektive Aufmerksamkeit, da man für sie Selbstkontrolle ausüben muss: Man muss dem Impuls entgegensteuern, ablenkenden irrelevanten Reizen Beachtung zu schenken. Oaten und Cheng (2006) konnten dies in ihrer Studie verdeutlichen: Die Teilnehmenden sollten drei zuvor festgelegte Quadrate aus einer Gruppe identischer Quadrate, die sich in zufälligen Mustern auf dem Computerbildschirm bewegten, mit den Augen nachverfolgen und am Ende jedes Durchgangs mit der Maus anklicken. Gleichzeitig lief ein Eddy Murphy-Video als Ablenkung. Wie erwartet konnten die Teilnehmenden die drei Quadrate seltener wiederfinden, wenn ihr Kraftspeicher zuvor durch eine Selbstkontrollaufgabe, die mit der Aufmerksamkeitsaufgabe nichts zu tun hatte, erschöpft worden war. Im Zustand von Ego Depletion konnten sie ihre Aufmerksamkeit vermutlich weniger erfolgreich von dem Video fernhalten und wurden deshalb bei der Aufgabenbearbeitung beeinträchtigt.

Fazit

Stress, Ärger, Angst – die Palette der Emotionen, mit denen Sportler in Wettkampfsituationen zu kämpfen haben, ist breit gefächert und kann damit die Leistungsfähigkeit spürbar beeinträchtigen. Die Trainer der abstiegsbedrohten Vereine sind gut darin beraten, bei der Regulation negativer Emotionen zu helfen. Dazu gehört, die optimale Spannung zu finden, Stress abzubauen und Angst oder Ärger in die richtigen Bahnen zu lenken. Stress und Angst erhöhen die Leistung, wobei ein zu hohes oder zu niedriges Level zu Leistungseinbußen führen kann. Wir dürfen gespannt sein, welcher Trainer die richtigen Worte findet, um seinen Spielern das nötige Selbstvertrauen zu geben, um den bitteren Gang in das Unterhaus doch noch abwenden zu können.

 

Literatur:

Alfermann, D./Stoll, O. (2005).

Baumeister, R. F., Vohs, K. D. & Tice, D. M. (2007). The strength model of self-control. Current Directions in Psychological Science, 16, 351-355.

Bandura, A. (1977). Self-efficacy: Toward a unifying theory of behavioral change. Psychological Review, 84, 191-215.

Eberspächer, H. (2007). Mentales Training. Das Handbuch für Trainer und Sportler. München: Copress.

Oaten, M./Cheng, K. (2006). Improved self-control: The benefits of a regular program of academic study. Basic and Applied Social Psychology, 28, 1-16.

Vickers, J. N. (1996). Visual control when aiming at a far target. Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance, 22, 342−354.

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Thorsten Loch
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