„Never change a winning team” (Trainer Alf Ramsey, 1966). Für eine siegreiche Performance im Leistungssport ist die Beziehung zwischen Trainern und Leistungssportlern essentiell und beeinflusst die Leistung und das Wohlbefinden der Athleten erheblich. Eine positive Trainer-Athlet-Beziehung, gekennzeichnet durch Nähe, Engagement und Komplementarität, ermöglicht es Trainern, Athleten zu Höchstleistungen zu führen. Effektive Trainer sind Lehrer, Organisator, Wettbewerber, Lernender sowie Freund und Mentor zugleich. Eine starke Trainer-Athlet-Beziehung basiert auf Vertrauen, Kommunikation und gegenseitiger Unterstützung und ist entscheidend für den Erfolg und das Wohlbefinden beider Seiten. Faktoren wie eine harmonische Leidenschaft für das Coaching, autonomieunterstützendes Verhalten und eine klare Trainingsphilosophie fördern diese Beziehung.
Zum Thema: Herausforderungen und Chancen für schwule, lesbische, bisexuelle Trainer*innen im Leistungssport
Im Kontext der Trainertätigkeit als schwuler, bisexuelle*r, lesbische Trainer*in mit heterosexuellen Athleten zu arbeiten, stellt sich jedoch die Frage, wie die sexuelle Orientierung und Identität des Trainers die Beziehung zwischen Trainer und Athleten beeinflusst? Außerdem ist es wichtig zu überlegen, wie diese Beziehung in diesem Rahmen so gestaltet werden kann, dass sie für den Athleten möglichst vorteilhaft ist?
Kontextsensitivität ist entscheidend für die Trainer-Sportler-Beziehung und umfasst umgebungsbedingte Merkmale, wie gesellschaftliche und institutionelle Rahmenbedingungen („Im männerdominierten Sport muss man ein richtiger Mann sein.“), persönliche Erfahrungen, etwa subtile homophobe Gespräche in Umkleiden (= diskriminierende Äußerungen gegenüber Homosexuellen), sowie deren individuelle Bewertung und Bedeutung. Diese Beziehung des Athleten zum Trainer und Team wird daher von Gedanken und Gefühlen, wie Traurigkeit, Unsicherheit und Scham begleitet.
Umgang mit der sexuellen Identität
Beziehungsdynamiken in der Arbeit von lesbischen, schwulen, bisexuellen Trainern und heterosexuellen Athleten sind alltäglich. Die heteronormativen Standards im Leistungssport bewirken, dass schwule, lesbische und bisexuelle Trainer*innen dieses Umfeld gut verstehen und sich anpassen. Die beruflichen Beziehungen zwischen schwulen, bisexuellen, lesbischen Trainern und heterosexuellen Athleten sind unabhängig vom biologischen Geschlecht einseitig. Dies stellt eine besondere Herausforderung dar, da die sexuelle Orientierung des Trainers oft nicht eindeutig erkennbar ist, was zu erheblicher Unsicherheit beim Trainer führt. Er könnte befürchten, dass der Athlet ihn als homosexuell wahrnimmt und Vorurteile auftreten. Diese unausgesprochene Frage kann die Trainer-Athleten-Beziehung beeinflussen und weist ein erhebliches Maß an Ablenkungspotenzial auf, was wiederum die Coaching-Effizienz verringern könnte.
Obwohl bei der Anerkennung von Lesbian-Gay-Bisexual-Trans*-Inter-Queere (LGBTIQ*) -Personen im Leistungssport, einschließlich Trainern, Fortschritte gemacht wurden, gibt es immer noch erhebliche Herausforderungen. Bei wichtigen zwischenmenschlichen Interaktionen außerhalb des beruflichen Umfelds, z.B. bei Gesprächen nach dem Training, können persönliche Fragen über Lebenspartner und Nachwuchs aufkommen. In diesen Situationen müssen schwule, bisexuelle und lesbische Trainer entscheiden, wie sie reagieren und wie viele persönliche Informationen sie preisgeben. Es lohnt sich, darüber nachzudenken, ob die Selbstauskunft eines Trainers den Anliegen der Athleten zuträglich sein könnte und ob das Ansprechen offener Fragen Störungen in der Trainer-Athleten-Beziehung verhindern könnte. Die Offenlegung der sexuellen Identität eines Trainers kann für die Dynamik zwischen Trainer und Athleten von Vorteil sein, da viele heterosexuelle Athleten geschlechtsspezifische Regeln verinnerlicht haben (z.B. dass Männer keine Gefühle zeigen, selbst wenn sie frustriert sind). Dies kann den Athleten helfen, über schambesetzte Gefühle oder Ängste zu sprechen, die sich auf ihre sportliche Leistungen auswirken (z.B. die Angst vor Konsequenzen, wenn sie bei den Olympischen Spielen ausscheiden, belastende Emotionen, wenn eine Technik im Training nicht funktioniert oder Probleme innerhalb der Mannschaft).
Wie kann die Sportpsychologin oder der Sportpsychologe unterstützen?
Die (diversitätssensible) Sportpsychologie kann schwule, bisexuelle und lesbische Trainer*innen durch gezielte Einzelsitzungen (die der Schweigepflicht unterliegen) begleiten.
Der „erste Schritt“ ist eine entscheidende Komponente, denn die Kontaktaufnahme kann mit der Sorge einhergehen, fremd-geoutet zu werden oder mit Gedanken wie „Was, wenn ich gesehen werde?“ Es ist wichtig zu wissen, dass die erste Interaktion anonym (oder unter einem Pseudonym) erfolgen kann, bis sich die anfänglichen Ängste gelegt haben. Außerdem ist es erwähnenswert, dass die Sportpsychologie ein breites Spektrum an Themen abdeckt, darunter Emotionsmanagement, Konzentration und mentale Bilder von Bewegungsabläufen, so dass es konkrete Schlussfolgerungen zur Sitzung nicht möglich sind. Außerdem besteht zu den Sitzungen selbst die Schweigepflicht und somit wird Sicherheit im Sinne eines „Save Places“ gewährleistet.
Zusammenarbeit bis hin zur Prozessbegleitung
Zunächst findet eine individuelle Auftragsklärung statt, die sich ganz auf die Anliegen des Trainers konzentriert. Weitere mögliche Themen können die persönlichen Erfahrungen mit heteronormativen Normen im Sport sein (z.B. die Unsicherheit als schwuler Trainer im Profifußball), die eigene sexuelle Identitätsentwicklung und offene oder subtile Erfahrungen mit Diskriminierung. Der Prozess kann die Entwicklung von Strategien zur Bewältigung persönlicher Gefühle wie Selbstzweifel, Unsicherheit oder Frustration aufgrund des Zögerns, sich selbst auszudrücken, sowie die Entscheidung darüber, ob und wie die oben erwähnte Selbstoffenbarung erfolgen könnte, beinhalten. Darüber hinaus kann ein spezifisches Kommunikationstraining durch Rollenspiele mit dem Sportpsychologen entwickelt und reflektiert werden. Die sportpsychologische Unterstützung kann auch darin bestehen, einen solchen Prozess zu begleiten. Eine weitere Möglichkeit, die ich als systemisch arbeitender Sportpsychologie und Psychologischer Psychotherapeut i.A. (Approbation) bieten kann, ist das Mehr-Personen-Setting, indem die Sitzung (nur in Einverständnis mit dem Trainer) um weitere Personen, wie etwa den betreuten Athleten oder einer Mannschaft erweitert wird und individuelle bestehende Themen (z.B. Unsicherheiten, diskriminierende Erfahrungen) bearbeitet und neue Perspektiven eröffnet werden können.
Sportinstitutionen können als Agenten des sozialen Wandels wirken, indem sie durch gezielte Angebote, etwa diversitätssensiblen Fortbildungen oder sportpsychologische Unterstützung einen sicheren Raum schaffen, in dem eine diversitätssensible Entwicklung innerhalb des Leistungssports entstehen kann und Strukturen zur Förderung von LGBTIQ*-Vielfalt und Inklusion schaffen.
Quellen:
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