Wenn ich Statistik darüber führen würde, mit welchen Anliegen Personen an mich herantreten, um mit mir als Sportpsychologin zu arbeiten, muss ich konstatieren, dass es doch zu 99% der Fall ist, das etwas aktuell nicht gut gelingt, Ziele nicht erreicht werden oder ein Unwohlsein vorherrscht.
Mein Wunsch wäre, dass es noch einen anderen Grund gebe.
Zum Thema: Mentale Stärke im Sport
Warum gelingt es uns in der Sportpsychologie noch nicht zu erklären, dass sich mit unserer Hilfe eine Stärke aufbauen lässt, die verhindert, dass bestimmte Probleme überhaupt erst aufkommen? Oder anders formuliert: Ich stelle mir die Frage, warum die psychische Gesundheit und die mentale Stärke noch nicht so präventiv angegangen wird, wie es längst wie selbstverständlich mit der körperlichen Gesundheit gehandhabt wird? Sportler nutzen die Ernährung, Rehabilitationsmaßnahmen und Schlafprotokolle, um bestmöglich mit der Anstrengung umzugehen. Vor dem Spiel oder vor dem Wettkampf wird sich erwärmt, gedehnt und aktiviert. Es wird alles getan, dass es läuft wie geschmiert.
Der Kopf unter dem Radar
Doch in den Gesprächen mit den Athletinnen und Athleten erfahre ich häufig, dass keine mentale Vorbereitung durchgeführt wird. Ich frage mich daher, woran das liegt, dass so ein wichtiger Bereich wie der Bereich zwischen den Ohren immer noch so unter dem Radar läuft?! Vielleicht tut es das auch gar nicht so sehr, wie ich es wahrgenommen habe… Möglich, aber meine Erfahrungen mit Sportlerinnen und Sportlern und Mannschaften zeigen mir eben ein anderes Bild.
Sportpsychologische Unterstützung wird in den meisten Fällen erst dann konsultiert, wenn etwas „nicht läuft“. Wenn ich mich zurücklehnen würde, könnte ich froh und dankbar sein, dass die Sportpsychologie als Dienstleistung zumindest mittlerweile als gängige Lösung gehandelt wird. Aber das Thema lässt mich nicht los.
Sportpsychologisches Training gehört in den Alltag
Wieso sind so wenige Menschen bereit, sich präventiv mit der mentalen Stärke auseinanderzusetzen und in ihr Training einzubauen? Aus meiner Sicht sollte sportpsychologisches Training Teil des wöchentlichen Trainingsplans sein. Nur wer etwas nachhaltig trainiert, wird Erfolge ernten können. Beim körperlichen Training stimmt einem da jeder zu, doch bei der Sportpsychologie ist das noch nicht so etabliert. Was können wir ändern und besser machen? Sicher können wir aus anderen Bereichen lernen.
Ich denke, dass es hilfreich ist, die Sportlerinnen und Sportler dabei zu unterstützen, dass sie auch beim sportpsychologischen Training ihre Effekte transparent machen können. Muskelzuwachs, bessere Werte bei Geschwindigkeit oder Reaktion, Fettanteil, Flexibilität… alles Dinge, die leicht messbar sind. Dinge, die über Fitnessuhren, diverse Tracker oder Trainingsauswertungen auf anderen Ebenen etabliert sind und uns mit unserer Disziplin vor eine Aufgabe stellen. Ich als Sportpsychologin versuche, die Fortschritte des mentalen Trainings sichtbar zu machen, um hier Motivation für den Weg zu generieren und auch Sicherheit zu erzeugen. Denn wenn man sich des Könnens bewusst ist, kann man es sinnvoll einsetzen, wenn es nötig ist.
Unser Auftrag
Aus meiner Sicht müssen wir noch mehr zeigen, was die Sportpsychologie leisten kann. Es muss noch mehr in die Sportwelt getragen werden, welche Effekte erzielt werden können. Neben der häufig gewünschten Leistungssteigerung sollten wir deutlicher machen, dass es auch darum geht, eine Wohlbefindenssteigerung zu erzielen, die im Anschluss auch zu einer verbesserten Leistung oder besseren Beziehung im Team führen kann. Wir müssen für mehr Raum für Präventionsarbeit kämpfen. Nicht zuletzt, weil die psychische Gesundheit ein wichtiger Baustein für jeden Menschen ist. Und auch weil psychische Krankheiten als Teil der Gesellschaft auch nicht vor der Gruppe der Sportler halt machen, müssen wir unser Augenmerk vermehrt darauf richten.
Schaut gemeinsam mit den Aktiven, wie es möglich ist, Sportpsychologie in ihre Trainingswochen zu integrieren, ohne sie zu überlasten. Die Freiwilligkeit und intrinsische Motivation für das Feld sollte genauso vorausgesetzt sein. In meiner Arbeit stelle ich zunehmend fest, dass Sportlerinnen und Sportler, die mit einem Anliegen den Kontakt aufsuchen, häufig im Anschluss in die präventive Arbeit übergehen wollen. Ich werte das als sehr gutes Zeichen. Lasst uns gemeinsam schauen, dass wir der Prävention und unserer ganzheitlichen Arbeit mehr Platz geben, um gesunde und mental fitte Sportlerinnen und Sportler zu haben, die für ihre Ziele und Träume arbeiten und kämpfen. TAG FÜR TAG!
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