Yvonne Dathe: Aus Rückschlägen lernen

Unsere Expertin Yvonne Dathe (zur Profilseite) hat ein Buch veröffentlicht: Aufwind im Kopf, heißt es. Es vermittelt das Wissen, mentale Fähigkeiten zu trainieren, um diese im Training und im Wettkampf anzuwenden. Yvonne Dathe, selbst erfolgreiche Gleitschirmfliegerin, nutzt dafür den Flugsport als Grundlage – die Anwendung beschränkt sich aber bei weitem nicht nur auf Piloten und Pilotinnen. An eindrücklichen Beispielen vermittelt sie Anwendungswissen zu Themen wie Lernen, Umgang mit Fehlern und Achtsamkeit. Dazu überführt sie zu Methoden aus der Akzeptanz und Commitment Therapie in den Sport.

Das Buch ist in diesem Jahr in der dritten Auflage erschienen und enthält umfangreiches Zusatzmaterial. Mathias Liebing, Redaktionsleiter von Die Sportpsychologen, hat mit Yvonne Dathe über das Buch gesprochen.

Yvonne, in der Werbung zu deinem Buch “Aufwind im Kopf” versprichst du, aus Rückschlägen Lernerfolge zu machen. Gib mal ein Beispiel, aus welchem Rückschlag du einen Lernerfolg machen kannst?

Beim Fliegen ist es ganz natürlich, dass wir auch immer mal wieder einen Rückschlag erleben. So könnte ich bei einem Streckenflug eine verfrühte Außenlandung haben. So mancher Pilot versucht sein Selbstwert zu schützen und sagt sich „da hatte ich Pech, die Thermik war einfach durch, so musste ich landen“. Wer aus solch einem Rückschlag einen Lernerfolg machen möchte, sollte anders vorgehen. So jemand sollte zunächst analysieren, was war gut, was war schlecht? Lag Stress oder Druck vor? Gab es andere Piloten, die am selben Tag weiter geflogen sind? – Im Wettbewerb zeigt sich sehr leicht, ob ich wirklich „Pech“ hatte, oder ob ich an einer Stelle eine Fehlentscheidung getroffen habe. Bei einem Flug ohne Wettbewerb ist die Analyse etwas schwieriger, doch wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, kann ich auch hier erkennen, woran es wirklich gelegen hat. 

Nach der Analyse geht es darum sich Pläne für die Zukunft zu machen. Vielleicht sollte ich mir die Talwindsysteme besser ansehen oder lernen mit Druck und Stress besser umzugehen. Es kann hilfreich sein Flugkollegen um ein konstruktives Feedback zu bitten, um die eigenen Einschätzung mit der Realität abzugleichen. 

Rückschläge oder sogenannte „Fehler“ passieren. Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind werden aus „Fehlern“: Förderliche Erfahrungen, die Helfen zu Lernen Erfolg zu Realisieren. 

Warum sind mentale Fähigkeiten gerade im Flugsport essentiell?

Gerade im Flugsport gibt es viele Herausforderungen zu meistern. Im ummotorisierten Flugsport, wie dem Gleitschirm-, Drachen- oder Segelflug gilt es schnell Entscheidungen zu treffen. Piloten sollten in der Lage sein, schnell zu entscheiden, ansonsten stehen sie bald am Boden. Hier ist es wichtig, schnell zu denken und Probleme zu lösen. Das Element in dem wir uns bewegen ist unsichtbar, was zu manchen Unsicherheiten führen kann. Piloten sollten auch in stressigen Situationen ruhig und handlungsfähig bleiben, um mit klarem Verstand situationsadäquat zu handeln, bis sie sicher am Boden sind. 

Fliegen erfordert eine hohe Konzentration und Aufmerksamkeit. Sie müssen sich auf die Route konzentrieren, die nächste Thermik entdecken und den Luftraum im Auge behalten. Die Umgebung, einschließlich der Wetterbedingungen können sich schnell ändern. Es gilt mögliche Gefahren frühzeitig zu erkennen. 

Mentale Fähigkeiten helfen, mit Aufregung oder anderen Emotionen wie Angst umzugehen und dennoch fokussiert zu bleiben. Piloten sollten bereit sein, ständig zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Die Materialien der Fluggeräte ändern sich und so muss auch die eigenen Flugtechnik immer wieder angepasst werden. 

All diese Herausforderungen führen dazu, dass gute mentale Fähigkeiten wichtig im Flugsport sind. 

Dein Buch zielt auf das ACT-Prinzip ab. Was kannst du dazu erklären, ohne zu viel zu verraten?

ACT ist die Abkürzung für die „Akzeptanz und Commitment Therapie“. ACT beruht auf der Verhaltenstherapie und wurde ursprünglich für den Umgang mit Stress und Ängsten entwickelt. Inzwischen hat sich der Ansatz weiterentwickelt und wird auch im sportpsychologischen Kontexten eingesetzt um flexibel auf die Herausforderungen reagieren zu können. Im Prinzip geht es darum, konkrete Veränderungen im Umgang mit dem eigenen Erleben und mit bestimmten schwierigen Situationen zu fördern. Es geht also darum, besser mit den eigenen Emotionen und dem eigenen Fokus umzugehen. So z. B.:

  • Umgang mit Gefühlen: Anstatt sie loswerden zu wollen, was in der Regel nicht funktioniert, werden sie akzeptiert und es wird ihnen Raum gegeben.
  • Umgang mit Gedanken: Es geht darum hilfreiche Denkweisen zu entwickeln und nicht alles zu glauben, was wir denken, um Gedanken die Macht über unser Fühlen und Handeln zu nehmen.
  • Umgang mit der Aufmerksamkeit: Es gilt die Aufmerksamkeit flexibel auf das zu richten, was im Hier und Jetzt wichtig und hilfreich ist. Grübeln über die Vergangenheit oder mögliche zukünftige Ereignisse sind wenig hilfreich.
  • Umgang mit dem Ich: Sich selbst als Beobachter zu betrachten anstatt als Gefangener im eigenen Denken und Erleben. 
  • Klarheit über Prioritäten: Es geht auch darum, sich seiner Prioritäten und Werte klar zu werden. Also, as ist mir neben meinen Ergebniszielen noch wichtig in meinem Sport und meinem Leben?
  • Umgang mit Entscheidungen: Gute und kluge (Flug-)Entscheidungen zu treffen, im Einklang mit Bauch und Verstand.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es darum geht flexibel auf die jeweiligen Situationen zu reagieren. Die Flugumgebung ist flexibel und ändert sich ständig, somit sollten auch wir flexibel handeln und entscheiden können.

Profilseite von Yvonne Dathe

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Mathias Liebing
Mathias Liebinghttps://www.torial.com/mathias.liebing
Redaktionsleiter bei Die Sportpsychologen und freier Journalist Leipzig Deutschland +49 (0)170 9615287 E-Mail-Anfrage an m.liebing@die-sportpsychologen.de