Die Olympischen Spiele sind für die teilnehmenden Sportler und Sportlerinnen nicht irgendein Wettkampf. Mit dieser herausgehobenen Bedeutung gehen aber auch besondere Herausforderungen einher, mit denen sich die Aktiven in erster Linie nach dem Erlebnis Olympia konfrontiert sehen. Aus diesem Grund unterstützen wir von Die Sportpsychologen die Arbeit von Dr. phil. Gaby Bussmann, Dr. phil. Charlotte Behlau und Dr. med. Valentin Z. Markser. Die drei ExpertInnen haben ein Informationsschreiben des Olympia-Stützpunkts NRW/Westfalen veröffentlicht, welches wir hier als Gastbeitrag teilen, um noch mehr Aufmerksamkeit auf dieses wichtige Thema zu lenken.
Zum Thema: Informationen und Empfehlungen: Post-Olympic Blues (POB) und Post-Olympic Depression (POD)
Die Zeit nach den Olympischen Spielen ist schwer, weil sie meistens weniger geplant ist und sich nach dem Höhepunkt der letzten Jahre Arbeit sinnfreier anfühlt. Sie kann deswegen mit einem geringeren Wohlbefinden und mit depressiven Stimmungen einhergehen. Viele Monate oder gar Jahre waren die Gedanken, Ziele, Maßnahmen und das Training auf ein klar definiertes Ziel fokussiert – die Olympischen Spiele. Mit deren Ende fällt dies weg und ein Teil der eigenen Identität kann wegbrechen. Es entsteht eine Richtungslosigkeit. Erfahrene Olympiateilnehmer:innen empfehlen deshalb auch immer, denke und plane über die Olympischen Spiele hinaus. Denn während für einige der olympische Traum in Erfüllung geht, entwickeln sich für Andere die Olympischen Spiele auch zum Albtraum. Der Post-Olympic Blues (POB) beschreibt generell die Periode nach dem olympischen Spielen, in der Athlet:innen negative Emotionen und depressive Symptome verspüren und sich verloren fühlen können. Meistens wird der POB ausgelöst dadurch, dass man von dem Hoch der Olympischen Spiele und dem organisationalen Stress wieder runterkommt und in den Alltag zurückkehrt.
Weitere psychologischen und emotionalen Symptome, die beschrieben werden, sind: fehlende Motivation, Isolation und Einsamkeit, fehlende Energie, fehlender Antrieb bzw. fehlendes Interesse am Leben, höhere Ängstlichkeit, Reizbarkeit und interpersönliche Hypersensibilität, außerdem Fokussierungsschwierigkeiten und Schuldgefühle. Zusätzlich können Lustlosigkeit, Schlafstörungen und depressive Stimmungen auftreten.
Achtung
Post-Olympic Blues und Post-Olympic Depression verspüren nicht nur Athlet:innen, sondern auch Trainer:innen und Staff. Diese beschreiben nach den Olympischen Spielen ebenfalls das Gefühl eines abrupten Endes des sportlichen Alltags, auf einen emotionalen Tiefpunkt zu fallen und dann erstmals den Sinn und die Ziele redefinieren zu müssen.
Vorkehrungen und Umgang damit
Fast alle Teilnehmenden sind in gewisser Weise betroffen, jedoch in unterschiedlicher Stärke. Insgesamt, ist die Prävalenz höher bei mit der Leistung unzufriedenen Athlet:innen und niedriger bei sportlichen „Rentner:innen“ (Retirement) als bei weiter Aktiven. Die ersten vier Wochen nach den Olympischen Spielen kann zwischen Erschöpfung, Post-Olympic Blues und der Post-Olympic Depression unterschieden werden. Die zentrale Frage lautet daher nicht, wie kann es umgangen werden, sondern wie kann angemessen damit umgegangen werden. Eine wichtige Bedeutung in der Gestaltung hat dabei das Umfeld und psychosoziale/finanzielle Unterstützung durch Familie, Freunde, Trainer:innen und weitere Supporter:innen (wie z.B. Sportpsycholog:innen oder bei depressiven Stimmungen Sportpsychiater:innen bzw. Sportpsychotherapeut:innen).
Folgende Empfehlungen können helfen:
- Akzeptanz der Emotionen ist der erste wichtige Schritt. Die emotionalen Zustände können von unterschiedlichen Personen individuell unterschiedlich erlebt werden. Akzeptanz als grundlegende Voraussetzung heißt, die Gefühle nach dem Wettkampf nicht mehr zu verleugnen und ernst zu nehmen. Dann können notwendige helfende Maßnahmen in Anspruch genommen werden.
- Das Bewusstmachen der Vergänglichkeit von Gefühlen ist auch wichtig und sorgt dafür, dass die Phase besser und schneller überwunden werden kann.
- Die reale und empfundene Erschöpfung dient dem Auftanken und der Erholung nach einer langen Trainings- und Wettkampfphase. Sie bekommt damit einen hohen Stellenwert. Sich die Erholung zu erlauben und zuzulassen ist jetzt wichtig.
- Verpflichtungen aufs Wesentliche zu reduzieren und im Alltag ankommen, das dient der weiteren Erholung.
- Einen Plan für die Zeit nach Olympia erstellen: Wofür soll der Raum jetzt genutzt werden? Besonders erfahrenen Olmypiateilnehmer:innen („Wiederholungstäter:innen“) empfehlen diese Strategie.
- Der Körper und Psyche brauchen langsame Übergänge. Trainingsprogramm mit Trainer:innen erarbeiten, wo Erholung und andere Sportarten ohne Wettkampfcharakter immer größeren Raum einnehmen.
- Das eigene Verwöhnprogramm einleiten. Dinge machen, die der jeweiligen Person guttun wie Ruhe, gesundes Essen, Massagen und Yogaübungen. Jetzt ist auch die Zeit reif für Dinge, auf die vorher verzichtet werden musste. Neben dem Sport neue Freizeitaktivitäten und Interessensgebiete aufbauen und pflegen, beispielsweise im kreativen und/oder kulturellen Bereich. Diese Tätigkeiten können dann verstärkt nach einem aktiven Wettkampf ausgeübt werden und sorgen für ein Gleichgewicht neben der Fokussierung auf den Sport.
- Die eigene Zeit und den Freiraum zunehmend selbst bestimmen, weg von festgesetzten Terminen.
- Unterstützung durch Sportpsycholog:innen, Sportpsychiater:innen und Sportpsychotherapeut:innen bei der Rückkehr nutzen bzw. suchen. Eine Normalisierung und Wiederanpassung an den Alltag sollte erfolgen. Oft hilft es, drüber zu reden oder sich auszutauschen mit Anderen, die ähnliches empfinden oder erlebt haben.
- Kontakt zu den wichtigsten Bezugspersonen suchen und aufrechterhalten, um die zu lange Isolation zu vermeiden.
- Eine angemessene Leistungsbeurteilung im Verhältnis zur gesetzten Leistungserwartung sollte erfolgen. Ein sorgfältiges Debriefing mit einer detaillierten und umfassenden Auswertung der eigenen Olympia-Mission ist hilfreich. Debriefing (hier Nachbereitung der Olympischen Spiele) dient der mentalen und emotionalen Erholung und es wird eine Wissensbasis aufgebaut, was für zukünftige Erfolge getan werden kann.
- Erfahrungen nutzbar machen und für die Zukunft umsetzen, z.B. durch Aufschreiben.
- Die Chance zur Entwicklung neuer oder alternative Karriereoptionen analysieren und dazu auf Unterstützung setzen und auf das funktionale Netzwerk zurückgreifen.
- Sinn, Ziele und Werte im Sport neu definieren. Hier den Wechsel von „knallharten“ Ergebniszielen zu Leistungs-/Handlungs- und Prozesszielen einleiten.
- Selbstbestimmt Handeln: die Privatsphäre genießen und einen eigenen Umgang mit den Medien für sich festlegen.
Kontakte zu den AutorInnen:
- Dr. phil. Gaby Bussmann – bussmann@sportpsychologie.com
- Dr. phil. Charlotte Behlau – charlotteraue@gmail.com
- Dr. med. Valentin Z. Markser – valentin.z.markser@dgspp.de
Link zur Originalveröffentlichung: https://www.osp-westfalen.nrw/wp-content/uploads/2024/08/Post-Olympic-Blues.pdf
Literatur:
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