Olympische Eröffnungsfeier – Ist dabei sein alles?

Manche Sportler und Sportlerinnen, die im Olympischen Dorf residieren, stehen vor einer kniffligen Entscheidung: Sollten sie persönlich an der Eröffnungsfeier teilnehmen? Oder besser nicht, um nicht die Vorbereitungsphase auf den in den kommenden Tagen zu stören? Oft muss bei solchen Ereignissen lange gewartet und gestanden werden, was für die physische Vorbereitung nicht optimal ist. Andererseits hat die Eröffnungsfeier spezielle Momente zu bieten. 

Woran sollten Sportler und Sportlerinnen ihre Entscheidungen festmachen?

Markus Gretz, Die Sportpsychologen
Markus Gretz, Die Sportpsychologen

Antwort von: Markus Gretz (zum Profil)

Gordon Herbert hat in einem Podcast Interview davon berichtet, dass er den Spielern die Entscheidung überlassen will, ob die deutsche Herren Basketball Mannschaft zur Eröffnungsfeier gehen wird. Bei seinen Überlegungen spielte vermutlich auch eine Rolle, dass der Kapitän des Weltmeister-Teams, Dennis Schröder, als Fahnenträger ausgewählt wurde. Da die Vorrunde in Lille, aber knapp drei Autostunden von Paris entfernt stattfinden wird und die Mannschaft am nächsten Tag um 13:30 Uhr dort ihr erstes Gruppenspiel gegen Japan spielt, ist es schon ein Risiko am Abend vorher diesen Weg und die damit verbundenen Strapazen auf sich zu nehmen. 

Obwohl die Mannschaft im Vorbereitungsspiel vor den Olympischen Spielen deutlich gegen die Japaner gewonnen hat, sollten diese nicht unterschätzt werden. Besser sollte man mit optimaler Verfassung und Fitness ins Spiel gehen, da im Basketball in einem Spiel der Läufe alles möglich ist und eine Niederlage die Chancen auf das Viertelfinale stark beeinträchtigen würde.

Jedoch zielt Herbert, der selbst Sportpsychologie studiert hat, vermutlich auf das Autonomie-Bedürfnis der Spieler ab und erhofft sich durch das geschenkte Vertrauen und die Entscheidungsfreiheit an die Spieler, dass die Mannschaft ihm das mit extra Motivation zurückzahlen wird, oder zumindest nicht frustriert und demotiviert ist, wenn er als Bundestrainer den Besuch verbieten würde.

Die Selbstbestimmungstheorie nach Ryan und Deci und diverse Studien zeigen nämlich, dass gerade das Fehlen von Entscheidungsfreiheit zu Demotivation bei Sportlern führen kann. Gleichzeitig werden auch die anderen beiden Grundbedürfnisse der Theorie bedient, nämlich das der sozialen Eingebundenheit durch den Teamausflug und dem Vertrauen in die Kompetenz, da der Trainer das Signal sendet, die Mannschaft könne das Spiel auch trotz einer ungünstigen Vorbereitung gewinnen.

Prof. Dr. Oliver Stoll, Die Sportpsychologen

Antwort von: Prof. Dr. Oliver Stoll (zum Profil)

Als jemand, der schon selbst live bei einer Olympischen Eröffnungszeremonie dabei war, fremdele ich mit dem Plan der Organisatoren in Paris. Für mich klingt das nach zu viel Show und zu wenig Sportsgeist. Aus meiner Sicht und abseits des Tamtams: Das größte für die Athletinnen und Athleten ist eben nach dem Einmarsch der Nationen die direkten Kontakte zu den anderen Athlet*innen und das feiern im innenraum des Stadions. Das wird, laut meinen jetzigen Informationen, dieses Mal so nicht stattfinden, was mehr als schade ist. Aber für die Zuschauer am Fernseher wird das bestimmt eine tolle Show.

Noch zu unseren Basketballern: Großartig, dass Bundestrainer Gordon Herbert seinen Spielern die Entscheidung überlässt. Ich finde es super, wenn unsere Athleten Verantwortung übertragen bekommen. Sie werden damit gut umgehen. Da bin ich mir sicher.

Anke Precht, Die Sportpsychologen
Anke Precht, Die Sportpsychologen

Antwort von: Anke Precht (zum Profil)

Ich stimme Oliver Stoll zu. Es ist ungeschickt, die Feier so zu planen, dass Sportler überhaupt vor diese Wahl gestellt werden. Die Feier zu erleben ist magisch und verbindet Sportler aus aller Welt. Genau das ist der Geist von Olympia. Genau dieser Geist hat schon manchen Sportler über seine Grenzen hinauswachsen lassen. Es ist auch mental ein wichtiger Hebel, gerade dann, wenn es darum geht, ganz besondere Spitzenleistungen abzurufen, Rekorde zu brechen und Medaillen zu gewinnen.

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Mathias Liebing
Mathias Liebinghttps://www.torial.com/mathias.liebing
Redaktionsleiter bei Die Sportpsychologen und freier Journalist Leipzig Deutschland +49 (0)170 9615287 E-Mail-Anfrage an m.liebing@die-sportpsychologen.de