Natürlich weiß ich, wie wichtig und wie attraktiv es für Studierende ist, einen Praktikumsplatz im Bereich „Sportpsychologie“ zu bekommen. Jede Woche bekomme ich mehrere Anfragen und ich schreibe immer wieder das Gleiche. Aus diesem Grund möchte ich mit diesem Beitrag erklären, warum das mit einem Praktikum in unserem Feld nicht ganz so einfach ist.
Zum Thema: Praktika-Plätze in der Sportpsychologie
Ich unterscheide in zwei Bereiche. Im ersten Absatz geht es um Praktikumsplätze in der sportpsychologischen Forschung, nachfolgend um Plätze in der praktischen Anwendung.
- Ein Praktikum in der sportpsychologischen Forschung
Ich schätze die Chance, in der Forschung einen Platz für ein Praktikum zu bekommen, bei mindestens 80% ein, wenn die grundlegenden Qualifikationen passen, d.h. wenn du gerade in einem akademischen Studiengang in Psychologie oder Sportwissenschaft eingeschrieben bist. Professor*innen brauchen immer Unterstützung in der Forschung, weil die öffentlichen Mittel eben häufig sehr begrenzt sind.
Interessent*innen empfehle ich, alle Lehrstühle anzuschreiben. Also eine „Blindbewerbung“ hinzuschicken und zu schauen, was passiert. Ich bin mir sicher, dass da einige positive Rückmeldungen kommen werden. Eine Übersicht über Lehrstühle in Sportpsychologie in Deutschland, Österreich und der Schweiz findest du auf der Seite der Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie (www.asp-sportpsychologie.de).
- Ein Praktikum in der praktischen (angewandten) Sportpsychologie
Die Chancen, im angewandten Bereich einen Praktikumsplatz zu bekommen, sind deutlich geringer. Und das hängt von vielen Faktoren ab, die einerseits bei den Kolleginnen und Kollegen liegen, aber auch andererseits bei den potenziellen Praktikant*innen.
Das Feld in der angewandten Sportpsychologie ist komplett anders strukturiert als das in der klinischen Psychologie oder im Bereich der Psychotherapie. Das Problem habe ich in meinem Tedx-Talk thematisiert: „Applied Sport Psychology – our work is different“:
Gründe für die schwierige Bewerbungslage
Kommen wir also zu den Gründen, die es erschweren, ein Praktikum in der sportpsychologischen Praxis zu ergattern:
- Das Feld der sportpsychologischen Beratung und Betreuung ist bei weitem noch nicht so groß wie das der Psychotherapie, angefangen bei der gesellschaftlichen Wahrnehmung und der politischen Wertschätzung sowie im Bereich der gesellschaftlichen Bedeutung und damit natürlich auch nicht in der infrastrukturellen Verankerung in der Gesellschaft. Wenn ich hier gerade ehrlich bin: Die sportpsychologische Beratung und Betreuung in Deutschland ist (noch) ein Randgebiet in der professionellen Aufstellung des Berufsbildes in unserer Gesellschaft. Das heißt dann eben auch, dass es nicht viele institutionalisierte Stellen gibt, in denen man einen „Monday thru Friday – 9 to 5 Job“ machen kann (und hier eben dann auch so ggf. hospitieren könnte). Die wenigen institutionalisierten Stellen gibt es meines Wissens (Stand Februar 2024) an zwei Olympiastützpunkten in Deutschland (Berlin und Hannover) sowie an einigen Nachwuchsleistungszentren der im DFB organisierten Vereine. Hier sind vornehmlich die Clubs der 1. Bundesliga, die da am besten aufgestellt sind, aber mitunter lohnt sich da auch ein Blick in die NLZ`s der 2. Bundesliga oder vereinzelt in den Ligen darunter.
- Eine weitere Möglichkeit wäre ja auch eine Bewerbung bei einem Sportpsychologen oder -psychologin, die in der Selbstständigkeit agieren. Und hier wird es jetzt deutlich schwieriger, denn wir „Praktiker“ haben eigentlich nur selten eine „Praxis“, weil wie die eigentlich nicht ständig brauchen, denn ganz häufig arbeiten wir dort, wo die Athlet*innen trainieren oder ihre Wettkämpfe haben oder aber wir sind unterwegs zu Traineraus- und -fortbildungen oder zu Netzwerktreffen. Eine „Praxis“ brauchen wir eigentlich nur zum Erstgespräch und zur Psychoedukation, wenn die dann überhaupt nötig ist. Und nur dafür eine Praxis „anzumieten“ ist dann einfach eine Kostenfrage. Es gibt natürlich einige wenige Kolleginnen und Kollegen, die so etwas haben (ich im übrigen auch), aber das ist dann meist so gestrickt, dass man sich Kosten teilt oder wegfallen, weil man diese in der eigenen Immobilie hat oder auch noch andere Arbeitsbereiche bedient werden. Und hier wird jetzt schnell deutlich, weil das mit dem Praktikum so schwierig ist.
- In der Angewandten Sportpsychologie haben wir keinen „Monday through Friday – 9 to 5 Job“. Wir arbeiten kurzfristig, mitunter auf „Zuruf“, also sehr schnelllebig, und schon gar nicht – oder nur selten zwischen 9 und 17 Uhr mit Athlet*innen. Es braucht hier ein hohes Maß an Flexibilität und Mobilität, um auch wirklich sportpsychologisch wirksam werden zu können. Kolleginnen und Kolleginnen in der praktischen Arbeit müssen ihre gesamte Aufmerksamkeit auf dieses Selbstmanagement fokussieren, um ihren Job gut zu machen und das kann man nicht wirklich auch einem Praktikanten zumuten. Natürlich machen wir auch „Büroarbeit (Rechnungen schreiben und Zahlungseingänge kontrollieren, Falldokumentation, Supervision und Intervision), aber auch das passiert terminlich immer nur dann, wenn es gerade passt.
- Und schließlich haben wir es ja auch noch mit Berufsethik zu tun. Schweigepflicht ist das oberste Gebot. Gerade der Spitzensport steht in einer ganz besonderen medialen Betrachtung und die Psychologie im Spitzensport ist ein zunehmend attraktives Feld für Medienschaffende. In unserer Arbeit – unter anderem auch mit Spitzen-Athletinnen und Athleten – ist es wichtig, zunächst Vertrauen aufzubauen und eine gute Beziehung zu etablieren. Das wollen natürlich viele Kolleginnen und Kollegen nicht riskieren, indem sie einfach mal eben schnell einen Praktikanten zuschauen lassen, denn diese Sportpsychologen-Athleten-Beziehung ist eine sehr diskrete und diese setzt man nicht so ohne weiteres aufs Spiel.
Dies sind aus meiner Sicht die Hauptgründe, warum es so schwierig ist, einen Praktikumsplatz in der Anwendung zu bekommen. Es ist aber nicht so, dass es unmöglich ist. Ich selbst akzeptiere immer wieder mal einen Praktikanten oder eine Praktikantin – aus genannten Gründen aber eher im Bereich Forschung als im Bereich Anwendung.
Potenzielle Kandidatinnen müssen sich der o.g. Gründe sehr bewusst sein und ggf. etwas mehr Zeit einplanen, um ihr „Pflichtpraktikum“ zu absolvieren und sie sollten sich auch viel Zeit dafür nehmen, sich mit dem oder derjenigen intensiv auszutauschen, bevor Sie eine Chance erhalten, ein solches Praktikum bekommen zu können.
Unterstützung von Die Sportpsychologen
Wir bei Die Sportpsychologen wissen nur zu gut, um den Bedarf, den es in Bezug auf Praktika gibt. Entsprechend bilden wir auf unserer neuen Unterseite zum Thema jeweils aktuelle Angebote ab. Link zur Seite: https://www.die-sportpsychologen.de/praktika/
Darüber hinaus haben wir ein Formular erstellt, in dem ihr eure Bereitschaft in Worte fassen könnt. Neben Informationen zu eurem Ausbildungsstand geht es um einige zentrale Fragen: Warum wollt ihr das Praktikum absolvieren, was qualifiziert euch? Welche Erfahrungen bringt ihr bereits mit? Was wollt ihr in der Sportpsychologie erreichen, was wollt ihr im Praktikum lernen? Jede Einsendung wird den Profilinhaber*innen von Die Sportpsychologen zur Verfügung gestellt. Bei Interesse und entsprechenden Kapazitäten melden wir uns. Wir bitten euch allerdings, von Nachfragen an einzelne Profilinhaber*innen und die Redaktionsleitung abzusehen!
Sende uns deine Praktika-Bewerbung!
Füll bitte das Formular gewissenhaft aus. Wir informieren die ProfilinhaberInnen von Die Sportpsychologen regelmäßig über die eingehenden Bewerbungen. Falls du ein Kandidat oder eine Kandidatin für einen Praktikumsplatz bist, nehmen wir selbstständig Kontakt zu dir auf.
Wir bitten dich allerdings, von Nachfragen an einzelne Profilinhaber*innen und die Redaktionsleitung abzusehen!
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