Während meiner Arbeit mit Athleten, Trainern und Eltern unterstütze ich sie auf ihrem Weg, mit „herausfordernden Situationen“ reguliert umzugehen. Aber wie sieht das genau aus? Dies will ich am Beispiel einer Trainerin zeigen, die allein bei der Ansetzung eines bestimmten Schiedsrichters schon emotional wird. Im Text skizziere ich, wie ihr das Fahrstuhlfahren geholfen hat.
Zum Thema: Vom Gedankenkarussell zum Gedankenaufzug
Wir alle haben mit inneren Saboteuren zu tun. Diese Saboteure können viele Gesichter tragen und sich gegen die eigene Person richten oder auch gegen andere. Nur unter uns: Mir ist bewusst, dass ich teilweise unter Fremdsabotage stehe, aber auch sehr intensive Selbstsabotage betreibe (Precht, 2023). Mein Verständnis könnte also kaum größer sein. Als sportpsychologische Expertin, Mutter und Frau, sind meine (eigenen) Anforderungen hoch und (fast) gleichzeitig habe ich auf viele Herausforderungen einzuwirken. Wie ein Trainer oder ein Athlet auf dem Feld während eines Trainings oder Spiels.
Wenn also bekannte Auslöser vorhanden sind, z.B. ein Misserfolgserlebnis, ein sich anbahnender Konflikt oder sei es die Präsenz einer bestimmten Person, kann dies zu unerwünschten Verhaltensweisen führen. Quasi unbemerkt, bringt sich unser innerer Saboteur in solchen Situationen in Stellung.
Mein Beispiel
Wie gerade beschrieben, ergeht es meinem Coachee. Einer Trainerin, die schon bei der reinen Ankündigung, dass ein bestimmter Schiedsrichter für die nächste Partie angesetzt ist, auf “180” beschleunigt. In unserer vertrauensvollen Zusammenarbeit habe ich versucht, ihr Gedankenkarussell gegen einen Gedankenaufzug auszutauschen. Dafür nutze ich methodisch den hypnosystemischen Ansatz, um das sogenannte Reframing ein- und anzuleiten.
Reframing bedeutet, in bestimmten Situationen aus deinen üblichen Mustern auszubrechen, diese aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und ihnen dadurch eine andere, eine weniger negative oder sogar positive Bedeutung zu zuschreiben. Es geht also um die Umlenkung der Aufmerksamkeit (Fokus) auf die eigenen Kompetenzen und Fähigkeiten. Ziel ist es, den Blick mehr nach innen zu richten, um das unbewusste Wissen der Trainerin kompetenzfördernd für ihre Ziele zu Tage zu fördern.
Einblick in die Coaching Session
Im konkreten Fall habe ich der hypnosystemischen Coaching Session eine Ressourcen- und Stärkenanalyse vorausgeschickt. Am Rande: Das Wort Hypno hat wirklich nichts mit Hypnose-Shows zu tun. Um Ängste abzubauen und darzulegen, dass der Coachee immer die volle Kontrolle behält, zitiere ich hier aus dem Gespräch. Den Namen habe ich natürlich geändert:
Coach: Hallo Frau Gutbrodt, wie geht es Ihnen heute? Auf einer Skala von 1-10?
Klientin: Gut, Danke. So eine 7.
Coach: Schön 7. Was braucht es für eine 8?
Klientin: Schlaf und Ruhe (lächelt verlegen)
Coach: Haben Sie heute ein besonders Anliegen oder sollen wir beim letzten mal weitermachen? Mir scheint, dass wir auch dann auch schon beim Thema wären?
(schmunzeln)
Klientin: Ja, stimmt. Ich schaffe es immer noch nicht, mich in Ruhe für fünf Minuten hinzusetzen. Das regt mich auf, staut sich über den Tag und dann platzt es wieder heraus… (Kopf und Schultern hängen, Blickt schweift ab).
Coach: Gut, wie sind die heute so drauf? Möchten sie heute eher malen oder sich bewegen?
Klientin: (stille) Malen und bewegen.
…
… nachdem die Konfliktsituationen nochmals besprochen worden sind. Nun geht es daran, das Gedankenkarussell (Schiedsrichter, Fußball) in einen Aufzug umzuwandeln.
Coach: So, Frau Gutbrodt, bitte malen Sie doch einen Aufzug auf das Papier.
Klientin: (malt, ist unsicher)
Coach: Sehr gut, nun die Stockwerke… nehmen wir 4?
Klientin: (malt 4 Stockwerke, wirkt sichtlich entspannter)
Coach: Top. Nun bitte fügen Sie jedem Stockwerk Wörter und Farbe hinzu, mit denen Sie sich identifizieren können.
Klientin: 1 Lobby: Grün – Still
2 Lagerraum: Gelb – ok, gleich (Körperbewegungen)
3 Parkhaus: ROT – „Herr Gott, Margot“ (Körperbewegungen)
4 Keller: LILA – H2O
(betrachtet es nochmals von weiter weg)
Coach: Fühlt es sich für Sie so gut an? Passt das so?
Klientin: (stille) Ja.
Coach: Ok… nun möchte ich Sie dazu einladen, sich im Raum hinzustellen. Sie stehen stabil mit beiden Beinen auf dem Boden, fest verankert. Ja?
Klientin: Ja.
Coach: Ok. Bitte nehmen Sie 4-5 tiefe Atemzüge durch die Nase ein und durch den Mund aus. Wenn Sie möchten, schließen Sie die Augen danach.
Klientin: (atmet und schließt die Augen)
Coach: Sie stehen nun bei sich im Stadion. Heute ist ein normaler Spieltag. Sie sind ganz entspannt und gut vorbereitet mit Ihrem Team an der Spielstätte angekommen.
Der Schiedsrichter ist schon da. Sie begrüßen sich freundlich.
Klientin: (atmet bewusster ein und aus)
Coach: Sie stellen sich an ihre Bank, fest verwurzelt mit dem Boden und spüren Ihre Zehen in den Boden versinken, ja?
Klientin: Ja.
Coach: Nehmen Sie Gerüche wahr?
Klientin: (benennt)
Coach: Nehmen Sie Geräusche wahr?
Klientin: (benennt)
Coach: Nehmen Sie sonst noch etwas wahr?
Klientin: (benennt Körperempfindungen)
…
Coach: Der Schiedsrichter kommt auf Sie zu. In welchem Stockwerk sind sie?
Klientin: 1.
…
Coach: Das Spiel wird ruppiger. Der Schiedsrichter hat falsch entschieden. In welchem Stockwerk sind Sie jetzt?
Klientin: 2 (Körperbewegung – Energie abschütteln)
…
… Durchspielen mehrere Szenarien unter der Anleitung des Coaches. Der Coach wiederholt immer wieder die Aussagen des Coachees, um die Situation authentisch erlebbar zu gestalten.
Coach: Das Spiel ist vorbei. Der Schiedsrichter pfeift ab. In welchem Stockwerk sind Sie jetzt?
Klientin: 2 (Körperbewegung – Energie abschütteln)
Coach: Sie stehen wieder an ihre Bank, fest verwurzelt mit dem Boden und spüren Ihre Zehen in den Boden versinken, ja?
Klientin: Ja.
Coach: Sie stehen nun bei sich im Innebraum. Der Spieltag ist vorbei. Sie sind ganz entspannt und glücklich.
Klientin: (atmet bewusster ein und aus)
Coach: Ok. Ich bitte Sie, nehmen Sie sich 4-5 tiefe Atemzüge durch die Nase ein und durch den Mund aus und wenn von 5 runtergezählt habe, öffnen Sie ihre Augen. Oder wie Sie möchten, gern schon vorher. 5… 4… 3…
Klientin: (atmet und öffnet die Augen)
Coach: Hallo und willkommen. Wie geht es Ihnen?
Ziel der Übung war es, Frau Gutbrodt Ihre bereits vorhandenen Signalwörter mit Ihrem Körper bewusst in Einklang zu bringen. Es ging darum, Körpersignale zu erkennen, anzunehmen und positiv zu nutzen, wenn Stresssituationen (Konflikte) aufkommen. Frau Gutbrodt arbeitet bereits seit Jahren aktiv im Fußball als Trainerin und hatte eine persönliche Herausforderung mit „diesem einen“ Schiedsrichter. Nach mehrmaliger Anwendung des Aufzugs ist es Frau Gutbrodt gelungen, in der Lobby zu bleiben. Auch in ihren privaten und geschäftlichen Konflikten, ist es ihr möglich, nun höchstens noch bis ins Parkhaus zu fahren.
Zusammenfassung
Für mich als Frau, Mutter und Unternehmerin, habe ich alles, was ich brauche, und bringe dieses auch mit, für eine Veränderung. Ob im Privaten, im Business oder Sport, Konflikte schaukeln sich entsprechend „hoch“, können aber durchbrochen werden, wenn man sich vorher z.B. Signalwörter oder Gegenstände in Gedanken verankert. Aber ohne einen Impuls von außen, fällt uns die Anwendung manchmal schwer. Vielen von uns gelingt es nur mühsam, sich auf sich zu konzentrieren, sich auf das eigene Wissen zu fokussieren und die Aufmerksamkeit auf die eigenen Ziele zu richten. Die Selbsterkenntnis und sich die Zeit aktiv hierfür zu nehmen, fällt den meisten schwer, mich eingeschlossen. Aber: Es steht einem zu, sein eigenes und das System außerhalb, ganzheitlicher zu gestalten.
Wir haben es selbst in der Hand, mit unseren Emotionen und Handlungen besser umzugehen, wenn Stress aufkommt. Wenn ihr dazu Fragen habt oder aktiv werden wollt, nehmt gern Kontakt auf:
Stell Danijela Bradfisch deine Frage einfach hier:
Literatur
Bohart, A. C., & Tallman, K. (2010). Clients: The neglected common factor in psychotherapy.
Precht, A. (2023). Selbst- und Fremdsabotage stoppenInnere Saboteure therapeutisch transformieren. Stuttgart: Klett-Cotta Verlag J.G. Cotta sche Buchhandlung Nachfolger GmbH.
Rohrhirsch, F. (2011). Führen durch Persönlichkeit: Springer.
Storch, M., Cantieni, B., Hüther, G., & Tschacher, W. (2006). Embodiment. Die Wechselwirkung von Körper und Psyche verstehen und nutzen. Bern: Huber.
Tschacher, W., & Bannwart, B. (2021). Embodiment und Wirkfaktoren in Therapie, Beratung und Coaching. Organisationsberatung, Supervision, Coaching, 28(1), 73-84.
Ulrich, B. (2014). Wettkampf und Wettbewerb. Semantiken des Erfolgs zwischen Sport und Ökonomie. Paper presented at the Erfolg.
Webers, T. (2015). Systemisches Coaching: Springer.
Willutzki, U., & Teismann, T. (2013). Ressourcenaktivierung in der Psychotherapie: Hogrefe Verlag GmbH & Company KG.
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