Die Sportpsychologen stehen für einen offenen Umgang mit den Medien zu sportpsychologischen Themen. Warum? Weil wir überzeugt sind, dass sich die Disziplin längst noch nicht erklärt hat. Dass sie, die Sportpsychologie, im Umkehrschluss, trotz aller Bemühungen, noch nicht komplett von Sportlern, Sportlerinnen, TrainerInnen und vor allem von EntscheiderInnen verstanden wird. Aber: Im Umgang mit Medien ist auch Vorsicht geboten. Eben auch, weil JournalistInnen oft viel zu wenig von der Materie Sportpsychologie verstehen. Oder Dinge in Erfahrung bringen beziehungsweise Einschätzungen bestätigt wissen wollen, die so nicht gehen.
Für medial aktive ExpertInnen ist es oft schwierig, wenn sie von Seiten der Medien zu Einschätzungen zu SportlerInnen, Clubs und Verbänden gebeten werden, die sie nur aus der Außenperspektive kennen. Wo verlaufen für dich die Grenzen, wenn du medial Stellung beziehen sollst?
Janosch Daul (zum Profil)
Für mich ganz persönlich ist es ein No Go, mich zu anderen SportlerInnen, Clubs und Verbänden zu äußern. Ich finde, dass mir dies einfach nicht zusteht. Mehr als (gewagte) Hypothesen zu bilden, könnte ich sowieso nicht – da ich eben kein Teil des jeweiligen Systems bin, sondern ein Außenstehender, der überhaupt nicht einschätzen kann, was intern passiert. Und Ferndiagnosen abzugeben, finde ich einfach schwierig und wird den Systembeteiligten einfach nicht gerecht. Daher verhalte ich mich in diesem Zusammenhang sehr zurückhaltend und versuche in meinen Texten lieber auf meine eigene Arbeit in der Praxis einzugehen – hier kann ich entsprechende Einblicke geben, die sowohl KollegInnen im Feld interessieren könnten, aber auch außenstehende TrainerInnen, Teams, SpielerInnen, Eltern etc.
Anke Precht (zum Profil)
Wenn ich um Insights gebeten werde, die ich nicht habe, sage ich natürlich auch nichts dazu. Auch nicht dazu, warum eine hoch gehandelte Mannschaft in einem bestimmten Wettkampf geloost hat. Wie sollte man das auch wissen? Was ich tun kann: Verschiedene Gründe nennen, die in solchen Fällen vorkommen können. Und darauf hinweisen, dass die Frage, ob eine Mannschaft abrufen kann oder nicht von sehr vielen verschiedenen Faktoren und deren Wechselwirkungen abhängt. Bei Einzelsportlern ist es genauso. Einer hat schlecht geschlafen, der andere eine Infektion noch nicht ganz überwunden… der andere ist total beflügelt, weil er frisch verliebt ist. Also raushalten. Wenn Medien wissen wollen, warum die Performance war, wie sie war, müssen sie jene befragen, die sie erbracht haben.
Prof. Dr. Oliver Stoll (zum Profil)
Ich gebe solche Einschätzungen und Ferndiagnosen in der Öffentlichkeit grundsätzlich nicht ab. Aus meiner Sicht ist das unseriös, aus den Gründen, die Anke und Janosch schon dargelegt haben. Was man mit Einschränkungen machen kann, ist so etwas wie eine “medial aufbereitete Psychoedukation”, auf einer eher allgemeinen Ebene und ggf. mit fiktiven Fallbeispielen, aber so etwas ist natürlich für Medienvertreter uninteressant, wenn es um konkrete Personen oder Vereine gehen soll. Also: Dann lasse ich es eben lieber, mich in der Öffentlichkeit dazu zu äußern. Mein sehr persönliches “Bauchgefühl” signalisiert ohnehin immer, nicht unbedingt die große, mediale Bühne zu suchen. Da sind andere Kolleg*innen anders als ich, aber um die Probleme damit habe ich mich ja schon in den beiden anderen Fragen geäußert.
Yvonne Dathe (zum Profil)
Ich kann mich hier den Vorrednern nur anschließen. Ferndiagnosen oder Urteile über andere kann und möchte ich nicht abgeben. Es können nur allgemeine Aussagen getroffen werden, die im Allgemeinen eine Rolle spielen. Aber ob diese in einem konkreten Fall waren, kann wohl kaum irgendwer beantworten. Wenn überhaupt, dann die Sportler:innen selbst.
Kyle Varley (zum Profil)
Ich lehne mich hier ein wenig aus dem Fenster gegenüber meinen Arbeitskollegen. Natürlich, definitive Aussagen über Fremdpersonen kann niemand tätigen und sollte deshalb in der Öffentlichkeit als professionelle Fachkraft unterlassen werden. Gleichzeitig sind wir Sportpsychologen aber auch die Experten für Psychologie im Sport. Mit Expertenwissen mögliche Erklärungen für Outcomes in der Sportwelt zu teilen, sehe ich als einen für Laien spannenden und edukativen Einblick in die Psyche des Menschen. Natürlich handelt es sich dabei, wie es Oliver schon erwähnt hat, um eher allgemeingültige Fakten, die situationsspezifisch vielleicht etwas an Bedeutung verlieren. Trotzdem müssen wir verstehen, dass in der allgemeinen Öffentlichkeit noch ganz viele Mythen und Annahmen über das Verhalten gelten, die in einer solchen Situation mit Expertenwissen gut angereichert werden könnten. Mein Grundsatz dabei ist aber immer, den Sportler als Mensch darzustellen (und nicht als sportpsychologischen Superhelden) und den Lesern das Gefühl zu vermitteln, eine Akzeptanz gegenüber Fehlern und nicht-perfektem Verhalten zu zeigen.
Durch diese Strategie der öffentlichen Kommunikation erhoffe ich mir zum Einen, dass Leute ein besseres Verständnis für die Psyche gewinnen können und dies ihnen auch im eigenen Leben hilft und zum Anderen, dass die Akzeptanz gegenüber Sportler steigt und mehr Verständnis ihnen gegenüber gezeigt werden kann. Meine ganz klaren Grenzen sind also:
- Behaupten, dass ich weiss, was genau zum sportlichen Erfolg/Misserfolg geführt hat – Nein
- Allgemeine psychologische Phänomene in ähnlichen Situation beschreiben – Ja
Über solche Themen diskutieren wir immer wieder, dass nächste Mal in einer internen Fortbildung am 18. Dezember 2023. Wenn du das Netzwerk Die Sportpsychologen auch deshalb spannend findest, dann überleg doch mal, ob du ein Teil dieser internationalen ExpertInnengruppe werden willst.
Alle Teile der Serie:
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