Frage und Antwort: Angst nach dem Kreuzbandriss

Nach schweren Verletzungen ist es alles andere als einfach, wieder durchzustarten. Diese Situation macht Lisa (Name von der Redaktion geändert) gerade durch. Die junge Rollkunstlaufathletin hatte sich vor einigen Monaten das Kreuzband gerissen. Inzwischen trainiert sie wieder und ist auf ein Problem gestoßen, welches sie im Moment daran hindert, ihren erfolgreichen Weg weiterzugehen. Konkret: Nach einem kleineren Sturz im Training hat sie eine Blockade beim Absprung entwickelt. Es hat sich eine Angst entwickelt, den Axel zu springen. 

Zum Thema: Problem bei der Rückkehr ins Training

Für unsere zahlreichen Experten und Expertinnen im Netzwerk Die Sportpsychologen gehört es dazu, Sportler und Sportlerinnen nach Verletzungen auf ihrem Weg zurück zu begleiten. Anke Precht (zum Profil) und Danijela Bradfisch (zum Profil) haben sich also gern der konkreten Frage der Sportlerin angenommen: Wie bekomme ich diese Blockade weg, damit ich den Sprung wieder springen kann?

Anke Precht, Die Sportpsychologen

Antwort von: Anke Precht (zum Profil)

Liebe Lisa (Name von der Redaktion geändert), 

eine Verletzung kann neben den bekannten körperlichen Folgen, die du ja offenbar überwunden hast, da du wieder trainieren kannst, auch weitere haben: Einerseits ist es möglich, dass während der Regeneration bestimmte komplexe Bewegungsabläufe “verlernt” oder durch das mit der Verletzung verbundene veränderte Körperbewusstsein überlagert werden. Andererseits gibt es Fälle, in denen wegen eines Traumas, welches die Verletzung ausgelöst hat, bestimmte Bewegungsabläufe körperlich blockiert werden. Dann sind Bewegungen nicht mehr wie gewollt abrufbar, weil der Körper gleichzeitig dagegen arbeitet.

Die Frage ist nun: Um was handelt es sich bei dir? Mein Vorschlag: Erst einmal so arbeiten, als wäre Variante eins der Fall. Das ist nämlich möglich mit mentalem Training. Fruchtet das nach einigen Wochen nicht, solltest du entweder einen Sportpsychologen (zur Übersicht), der sich auch mit der Behandlung von Traumata auskennt, aufsuchen, alternativ einen Psychotherapeuten mit entsprechender Zusatzausbildung. 

Wie geht das mentale Training? Du stellst dir in Ruhe, also außerhalb des normalen Trainings, in Gedanken Lisa (Name von der Redaktion geändert) vor, wie sie den Axel springt. Und zwar in Perfektion. Damit meine ich nicht nur die körperliche Perfektion, sondern auch den Ausdruck, die Ausstrahlung, also so, dass man ihr ansieht, dass sie ihn nicht nur gut springen kann, sondern sich auch dabei wohlfühlt. Das tust du immer wieder, und zwar in Zeitlupe, sodass du einige Sekunden dafür nutzt. Damit bahnst du im Gehirn den Bewegungsablauf erneut, allerdings erst aus der Außenperspektive, als “Zuschauerin”. 

Nach etwa drei Wochen wirst du bemerken, dass dieser innere Film mit Leichtigkeit abgespielt werden kann, und dass sich das, was du siehst, wieder “normal” anfühlt. Dann ist es Zeit für die zweite Stufe: Nun lässt du den Film erneut ablaufen, allerdings aus der Innenperspektive. Du stellst dir vor, du steckst in der Haut von Lisa. In deiner Vorstellung (wieder in Zeitlupe) spürst du, wie sich der perfekt gesprungene Axel anfühlt, wie es dir geht, wie du fokussiert und gleichzeitig positiv unterwegs bist und wiederholst auch das so lange, bis es sich gut und natürlich anfühlt.

Dann trainierst du ihn wieder komplett. Bis zu diesem Zeitpunkt ist es sinnvoll, im Training nur einzelne Elemente des Axel zu üben, bei denen die Gefahr zu stürzen nicht besteht, die sich aber einzuüben lohnen.

Sollte das nicht zum Ziel führen, such dir Unterstützung dabei, den Moment der Verletzung bzw. ihre Folgen noch einmal aufzuarbeiten. Dazu gibt es inzwischen einige Methoden, die sehr schnell wirken, in der Regel reichen ein paar wenige Termine.

Alles Gute und vor allem: Bleib zuversichtlich. Dein Problem ist lösbar!

Danijela Bradfisch, Die Sportpsychologen
Danijela Bradfisch, Die Sportpsychologen

Antwort von: Danijela Bradfisch (zum Profil)

Hallo Lisa (Name von der Redaktion geändert), 

zuerst einmal möchte ich Dir gratulieren, dass Du nach Deinem Kreuzbandriss den Mut gefunden hast, weiterzumachen. Obwohl ich keine Rollkunstläuferin bin, habe ich dasselbe erlebt wie Du (doppelt) und weiss, wie viel Überwindung und Arbeit es für den Körper und den Kopf kostet. RESPEKT hierfür! 

Es ist normal, dass negative Gedanken und Gefühle im Hochsteigen aufkommen. Gerade nach deinem erneuten Sturz. Mein Vorschlag an Dich ist es, es zu akzeptieren, dass die Gedanken und Gefühle da sind. Gib Ihnen eine Berechtigung, da zu sein – klingt komisch, ist aber so. Versuch die Gefühle und Gedanken im Körper zu “lokalisieren”, ggf. auf ein Blatt zu malen und sie dir einmal anzusehen – so veränderst Du die Perspektive und erhältst vielleicht eine neue Sicht darüber. Probiere es ca. zwei Wochen aus (vor und nach dem Training).

Eine andere Möglichkeit wäre, an den Sprung selbst heranzugehen, durch Visualisierungstechniken (Vorstellungsübungen), ggf. auch unterstützt durch Videoaufnahmen. Schritt für Schritt, um dann zu schauen, ab welchem Punkt genau diese “Angst” sich einstellt. 

Deine Frage ist lösbar, aber es braucht Zeit und Geduld, neue Gedanken und Gefühle für den Sprung anzulegen. Wie Anke bereits geschrieben hat, such Dir am besten eine Person deiner Wahl (zur Übersicht) aus, damit Du das Thema und das Vorgehen mit jemandem besprechen kannst.

Kleine Idee noch, um Dich selbst zu bestärken: Wie wäre es, Deinen bisherigen Weg Dir selbst zu verdeutlichen? “Was” hast Du bis jetzt schon alles geschafft? Mal Dir doch eine Zeitschiene, blick dann “zurück” und lass mal die Eindrücke auf Dich wirken, die Du während der Zeit über Dich selbst ggf. neu gesammelt hast. Alles Gute, viel Geduld 🙂 und hab eine tolle Woche. Du bekommst das hin!

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    Mathias Liebing
    Mathias Liebinghttps://www.torial.com/mathias.liebing
    Redaktionsleiter bei Die Sportpsychologen und freier Journalist Leipzig Deutschland +49 (0)170 9615287 E-Mail-Anfrage an m.liebing@die-sportpsychologen.de