Kennst du deinen Traumjob? Ich bin sehr dankbar, ihn gefunden zu haben. Als Sportpsychologe arbeiten. Seit inzwischen knapp sechs Jahren darf ich die Trainer, Teams und Spieler des Halleschen FC in ihrer mentalen Weiterentwicklung unterstützen. Vielleicht ist es sogar meine Berufung, die ich leben darf. Für mich jedenfalls weit mehr als einfach nur ein Beruf. Aktuell macht mir die Arbeit, die sich nicht nach Arbeit anfühlt, mehr Spaß als jemals zuvor. Es fühlt sich an wie ein enormes inneres Brennen in mir. Ich empfinde eine große Leidenschaft für die Weiterentwicklung junger Fußballer, die es verdienen, bestmöglich gefördert zu werden. Nicht zuletzt, da sie enorm viel (Frei)zeit in ihre fußballerische und menschliche Weiterentwicklung investieren und zielstrebig ihren großen Traum verfolgen. Die Spieler dabei zu unterstützen, diesem Traum näher zu kommen, ist für mich eine Leidenschaft, die mich magisch in ihren Bann zu ziehen scheint und mich keine Anstrengung scheuen lässt. Doch dieser enorme Antrieb, den Spielern der bestmögliche Unterstützer zu sein, hat auch seine Schattenseiten.
Zum Thema: Sportpsychologie in der Saisonvorbereitungsphase
Nicht selten wache ich um drei Uhr nachts auf, mit einem Impuls, mit einer (sportpsychologischen) Idee, der ich dann nachts nachgehe, bis ich mit dem Ergebnis zufrieden bin. Ein liebevoller, fürsorglicher Umgang mit mir selbst sieht anders aus. Doch meine ungebrochene Begeisterung für die Trainer und Spieler, die ich als extrem wertvolle Menschen wertschätze, gibt mir derzeit so viel Energie, dass ich trotz durchgängig nur vier Stunden Schlaf pro Nacht tagsüber einfach nicht müde bin. Sondern mich elanvoll und energiegeladen fühle.
Als einziger angestellter Sportpsychologe im Nachwuchs des Halleschen FC muss ich mir vor jeder Saison bewusst Gedanken darüber machen, wo ich inhaltlich und zeitlich Prioritäten setze. Acht Teams und somit ca. 160 Spieler und über 25 (Spezial)trainer können nicht gleichermaßen bedient werden. Da ich ein konzeptionell denkender und handelnder Mensch bin, bestand meine Absicht eigentlich darin, ein langfristiges Konzept zur Implementierung der Sportpsychologie im Nachwuchs umzusetzen. Doch aufgrund gewisser Umstände, die ich an dieser Stelle für mich behalten möchte, ist damit nach bereits einer Saison, der vergangenen, Feierabend.
In der Rolle eines Teampsychologen
Ich versuche, das Beste daraus zu machen. Gewissermaßen Widerstände zu überwinden. Einen anderen Weg zu gehen, der sich nun sehr stimmig anfühlt. Ich lege in dieser Saison einen besonderen Fokus auf die sportpsychologische Betreuung der U17, arbeite hier sozusagen als „Interner“ in der Rolle eines Teampsychologen. Für die Teams der U16 und U19 arbeite ich auftragsorientiert als „Externer“, der die Spieler und Trainer im Falle auftretender Anliegen unterstützt. Zudem stehe ich allen Trainern, Mannschaftsleitern, Scouts sowie Funktionären unserer Nachwuchsabteilung für Coachings und Beratungen zur Verfügung.
Zurück zur U17: Sehr früh erkannte ich, dass diese Mannschaft das Team ist, in das ich meine Fähigkeiten am zielführendsten einbringen kann. Die Trainer dieser Truppe kenne und schätze ich seit Jahren, sie sehen die Sportpsychologie als unverzichtbaren Bestandteil ihres Ausbildungskonzepts. Sie sind zudem in höchstem Maße interessiert daran, – im Sinne eines eigenen Wachstums – ehrlich gespiegelt zu werden. Ich darf meine Meinung, die Gehör findet, aktiv einbringen. Auch mit dem Kader habe ich in der Vorsaison fast ausschließlich positive Erfahrungen gemacht. Unsere U17 ist geprägt von Spielern, die in höchstem Maße lernwillig, wissbegierig und offen für Neues sind. Viele Beziehungen zwischen Spielern und mir sind durch die vergangene Saison geprägt von Vertrauen, gegenseitiger Wertschätzung und Sympathie. Eine gute Grundlage für eine gelingende sportpsychologische Zusammenarbeit. So trat ich also Anfang August meine sportpsychologische Reise mit unserer U17 an. Die Freude, die ich dabei seitdem empfinde, ist für mich kaum in Worte zu fassen. Die Tatsache, dass ich mich noch niemals zuvor von einem Team so wertgeschätzt und wohl gefühlt habe, vergrößert mein inneres Brennen zusätzlich. Es fühlt sich an, als sei es eine zweite Familie für mich.
Schwerpunkte meiner Arbeit
Was sind die bisherigen Schwerpunkte meines sportpsychologischen Wirkens in der U17 seit Anfang August, also seit Anfang der Vorbereitung?
- Gespräche mit den Trainern zur Konkretisierung meiner Aufgabenbereiche
- Vorstellung vor dem Kader mit Darstellung meiner Aufgabenbereiche
- Mitentwicklung eines „verbindlichen Rahmens“ zur Generierung einer Leistungssportkultur
- Austausch- bzw. Kennenlerngespräche mit den Spielern unseres Kaders (aktuell noch ca. 10 Gespräche ausstehend)
- mindestens zwei Meetings pro Woche mit den Trainern, um die jeweilige Woche vorzubereiten, die vergangenen Spiele und Einheiten aus einer psychologischen Perspektive zu reflektieren und um lösungsorientiert über Spieler und auftretende Situationen im Austausch zu sein
- Entwicklung eines Konzepts zur Förderung von Prozessen der Teamentwicklung
- Mitplanung eines Teambuildingevents mit Teamübungen sowie Durchführung eines „Run & Bike-Halbmarathons“
- aktive Beobachtung von Einheiten und Spielen mit anschließenden Feedbackprozessen gegenüber Spielern und Trainern
- Durchführung eines Workshops zur Definition unserer Mannschaftsziele
Nun geht es ins Trainingslager ins Saarland, ehe am 26. August unser erstes Ligaspiel gegen unseren großen Rivalen aus Magdeburg ansteht. Mit einem weiteren Text möchte ich euch Einblicke in unser Trainingslager und in meine dort stattfindende Arbeit als Sportpsychologe geben. Und nur so viel: Wir starten gleich mit einer Extremsituation ins Trainingslager. Einige Spieler sehen im Fluss eine Leiche vorbei treiben.
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