Negative Gefühle wie Unzufriedenheit, Enttäuschung und Mutlosigkeit zeigen sich häufig in gekrümmter Haltung, hängenden Schultern und hängendem Kopf, während der Blick die meiste Zeit nach unten gerichtet ist. Unser inneres Erleben drückt sich in unserer Körperhaltung aus – das ist vielen von uns bewusst. Andersherum besteht aber auch ein Zusammenhang: Unsere Körperhaltung beeinflusst unser psychisches Erleben. Und das können wir nutzen.
Zum Thema: Inneres Erleben zeigt sich im Körper
Ein elfjährige Junge spielt den Ball bei einem Badminton-Turnier zum wiederholten Male ins Netz. Seine Mutter sieht von der Tribüne aus, wie er Spannung verliert und in sich zusammensackt, während er gleichzeitig ärgerlich den Schläger auf den Boden wirft. Sie weiß nun schon, dass jetzt höchstwahrscheinlich die Fehlerrate steigen wird und er seine Leistung nicht zeigen kann – sie hat es schon so oft miterlebt.
Aber das muss nicht sein. Die Sportpsychologie bietet passende Werkzeuge, die sich in aller Regel sehr schnell erlernen, beherrschen und selbstständig anwenden lassen. Dazu später mehr, jetzt geht es erst einmal um die Grundlagen:
Von der Körpersprache zur Feinkoordination
Emotionen wie Ärger und Frustration, aber auch Freude und Zuversicht – die ganze Bandbreite der Gefühle – zeigen sich im Körper. Nur allzu leicht passiert es, dass wir uns über eigene Fehler ärgern, mit uns selbst hadern und unsere Konzentration nicht aufrechterhalten können. Ein veränderter Körperausdruck mit veränderter Körperspannung geht damit einher.
Schaffen wir es nicht, uns wieder in eine positive, konzentrierte Stimmung zu versetzen, ist meist eine Abwärtsspirale von wiederholten Fehlern und wachsender Unsicherheit in Gang gesetzt. Das gilt nicht nur für negative Gefühle. Auch ein übermäßig positiver Gefühlsausdruck kann in gleicher Weise ablenken und unsere sportliche Leistung beeinflussen. Ziel ist es, im Hier und Jetzt zu bleiben, die Konzentration auf der Aufgabe zu belassen und die gleiche Körperspannung wie im Training zu haben, damit unsere Feinkoordination nicht gestört wird.
Körper beeinflusst inneres Erleben
Auch andersherum besteht eine Wirkung, die allerdings bei Weitem nicht so geläufig ist: Unsere Körperhaltung hat Einfluss auf unser inneres Erleben; also auf unsere Emotionen, auf unsere Einstellungen, auf unsere Kreativität und – besonders wichtig – auf unser Durchhaltevermögen in einer frustrierenden Situation. Einfache Faustformel: Eine gerade, aufrechte Haltung wirkt positiv auf unsere Psyche.
Dieses Wissen können wir nutzen. Indem wir eine entsprechende Körperhaltung einnehmen, können wir aktiv dazu beitragen, störende Gefühle schneller loszulassen und uns in eine zielführende Stimmungslage zu versetzen. Eine individuell positive Haltung einzunehmen will aber geübt sein. Wir sollten also diese Technik auch in entspannten Situationen üben und in aufsteigend schwierigeren Situationen immer wieder trainieren.
Körperhaltung beeinflusst den/die Gegner/in
Die Fähigkeit, uns durch unsere Körperhaltung zu regulieren, ist umso wichtiger, wenn wir bedenken, dass unser Körperausdruck auch Einfluss auf den Gegner bzw. die Gegnerin hat. Denn unsere sportliche Konkurrenz nimmt unsere Körperhaltung wahr und schätzt uns dementsprechend ein.
Sehen die Kontrahenten uns in dominanter, aufrechter Körperhaltung, so wirken wir selbstbewusst und kompetent auf sie. Sieht uns der Gegner dagegen in unterwürfiger, hängender Körperhaltung, so wirken wir unsicher und ängstlich auf sie. In letzterem Fall wird ihre Überzeugung gestärkt, dass sie gegen uns gewinnen können. Und diese positive Überzeugung hilft ihnen, ihre optimale Leistung abrufen zu können und über sich hinaus zu wachsen. So können wir also mit einer unterwürfigen, hängenden Körperhaltung unsere Gegner dabei unterstützen, gegen uns zu gewinnen. Das wollen wir natürlich nicht. Was können wir also konkret tun?
Tipps und Tricks
Was kann ich tun, um diese Wechselwirkung von Körper und Geist zu meinem Vorteil zu nutzen?
Grundsätzlich ist es hilfreich, eine stolze, aufrechte Haltung einzunehmen, bei der man die Schultern locker zurücknimmt, die Brust nach vorne oben zieht und den Blick geradeaus richtet. Diese Haltung wird häufiger als „Gang des Matadors“ bezeichnet. Diese Haltung wirkt positiv auf unser inneres Erleben.
Damit der Körperausdruck, der ja nun mal sehr persönlich und individuell ist, wirklich zur Person passt, ist es besonders sinnvoll, sich in eine Situation hineinzuversetzen, in der man die Gefühle von Stolz, Sicherheit etc. selbst erlebt hat. Sich diesen Moment wirklich zu vergegenwärtigen und die körperlichen Reaktionen wiederzuerleben, hilft dabei, den Körperausdruck wieder einzunehmen und uns dadurch selbst positiv zu beeinflussen.
Alternativ hilft es auch, sich in jemand anderen hineinzuversetzen, der die gewünschte Ausstrahlung hat, also beispielsweise Sicherheit, Gelassenheit, Ruhe und Souveränität verkörpert. Dieses intensive Hineinspüren in eine andere Person kann es uns ermöglichen, auch die dazugehörigen körperlichen Empfindungen wahrzunehmen und in unseren körperlichen Ausdruck zu übernehmen.
Es gilt zu bedenken, dass es nicht das Ziel ist, Gefühle zu unterdrücken. So sollte eine im Wettkampf wiederkehrende Selbstunsicherheit gründlich besprochen werden, um dahinter zu kommen, wo sie herrührt und wie das sportbezogene Selbstbewusstsein langfristig gestärkt werden kann. Ziel ist es vielmehr, eine Körperhaltung einzunehmen, die es mir erleichtert, meine Stärken zu spüren und zu einem ausgeglichenen Zustand zurückzufinden, in dem ich meine Leistung abrufen kann.
Hinweis und Feedback
Die Arbeit am körperlichen Ausdruck ist sehr vielseitig und hoch individuell. Meine Kollegen von Die Sportpsychologen (zur Übersicht) und ich (zum Profil von Dr. Julia Boie) sind gerne für Sie da, falls Sie Beratung wünschen.
Literatur:
Furley, P., Dicks, M., & Memmert, D. (2012). Nonverbal Behavior in Soccer: The Influence of Dominant and Submissive Body Language on the Impression Formation and Expectancy of Success of Soccer Players. Journal of Sport and Exercise Psychology, 34, 61-82.Storch, M.; Cantieni, B.; Hüther, G. & Tschacher, W. (2017). Embodiment. Die Wechselwirkung von Körper und Psyche verstehen und nutzen. hogrefe.
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