Kürzlich habe ich ein Jubiläum gefeiert. 2000 Tage Streakrunning. Zweitausend Tage, an denen ich jeweils mindestens eine Meile (so wenig war es natürlich nie) gelaufen bin – ohne einen einzigen Tag Pause. In Summe kommen vom 01.01.2018 bis Mitte Juni 2023 insgesamt 14.860 Kilometer zusammen. Und wie geht es mir damit? Hervorragend! Hervorragend betone ich deshalb, weil ich rund um das Jubiläum mehrfach privat oder von Seiten der Presse auf das Thema „Sportsucht“ angesprochen worden bin. Und um es kurz zu machen: JA – ich war das sicher mal. Und NEIN – ich bin es nicht mehr. Trotz der Tatsache, dass ich jeden Tag laufe. Das sagt mir zumindest meine Selbstdiagnose in Sachen Sportsucht. Aber was ist das eigentlich, eine „Sportsucht“?
Zum Thema: Woran sich Sportsucht erkennen lässt
Wir unterschieden zwischen primärer und sekundärer Sportsucht. Bei der primären Sportsucht steht die sportliche Aktivität im Vordergrund, die sich in einem Suchtverhalten äußert. Diese Form der Sportsucht kommt eher selten vor (Stoll & Roushdy Saad, 2018). Es handelt sich dabei um eine Verhaltenssucht, bei der keine weiteren psychopathologischen Störungen vorliegen. Häufiger wird bei Betroffenen von einer sekundären Sportsucht gesprochen. Diese tritt dann häufig in Kombination mit einer Essstörung auf (Stoll, 2017). Neben der Kalorienrestriktion durch die Ernährung wird auch durch exzessives Sporttreiben versucht, so viele Kalorien wie möglich einzusparen. Im Allgemeinen geht es also bei der sekundären Sportsucht um das eigene Gewicht beziehungsweise das Erreichen eines Idealgewichts.
Das Wort Sportsucht kennen wir alle aus diversen medialen Darstellungen. Leider wird es immer wieder falsch verwendet. In den „Boulevardmedien” muss häufig der „von der Midlife-Crisis“ getroffene Ehemann herhalten, der sich akribisch für einen Marathonlauf vorbereitet und deswegen eben viel vernachlässigt, weil er so auf diesen Lauf fokussiert ist. Dieses Beispiel taugt aber keinesfalls, um das Phänomen zu erklären.
Sportsucht als Verhaltenssucht
Vielmehr verstehe ich unter Sportsucht allgemein eine Verhaltenssucht, deren „Medikament“ die sportliche Aktivität ist, nämlich das Medikament, was dann hilft, wenn eine ansteigende Anspannung bis hin zu einer Schmerzwahrnehmung verschwindet, wenn man sportlich aktiv ist. Sportsucht kann somit als eine substanzunabhängige Form von psychischer und körperlicher Abhängigkeit verstanden werden. Sportsüchtiges Verhalten geht einher mit einem starken Drang, Sport treiben zu müssen, mit einer gewissen Maßlosigkeit im Umfang oder hinsichtlich der Intensität der Sportausübung und mit einem Leidensdruck, der entsteht, wenn es nicht möglich ist, Sport zu treiben.
Kürzlich war ich zu einem Interview beim Radio-Sender Bayern 2 (siehe unten) eingeladen. Da diskutierten wir auch über die Gefahren die Läufer*innen ausgesetzt sind, wenn draußen extreme Bedingungen herrschen (Große Hitze, Unwetter, etc.), denn Sportsüchtige können sich in einer akuten „Attacke“ nicht mehr wirklich kontrollieren. Sie folgen dann einfach einem inneren Impuls.
Bin ich sportsüchtig?
Treffen diese Definitionen nun alle für mein aktuelles Verhalten zu? Nein, denn ich laufe, weil es mich zufriedener, gelassener und entspannter macht, meistens früh morgens für einen guten Start in den Tag. Am Wochenende darf es dann, was die Kilometer angeht, auch gern mal etwas länger sein. Oder eben auch nicht. Ganz abhängig davon, was ansteht. Und das ist aus meiner Sicht unbedingt empfehlenswert!
Link zum Audio-Beitrag von Bayern 2:
Literatur:
Stoll, O. (2017). Sportsucht – Theorie, Forschungsstand und Gedanken zu Interventionsmöglichkeiten. Psychotherapie im Dialog, 18 (1), 66-69. https://doi.org/10.1055/s-0042-121706.
Stoll, O. & Roushdy Saad, A. (2018). Primäre Sportsucht – Forschungsstand und aktuelle Diskussionen. Suchtmagazin, 44 (2), 35-37.
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