Wer von uns kennt sie nicht, die Situation, in der uns unser Verstand, der wohl mächtigste Geschichtenerzähler der Welt, mal wieder ungefragt die heftigsten Storys auftischt? Die Situation, in der uns etwas misslingt und wir dann in negativen Gedankenspiralen gefangen sind? Die Situation, in der wir uns innerlich so stark kritisieren, dass wir fast der Verzweiflung nahe sind? In diesem Blogbeitrag möchte ich auf die Bedeutung positiver Selbstgespräche im Sportkontext eingehen und Wege aufzeigen, wie wir uns mit unserem Geschichtenerzähler anfreunden können.
Zum Thema: Selbstgespräche im Sport
Unsere Gedanken kommen oft in Form von Selbstgesprächen zum Ausdruck, die uns unser größter Geschichtenerzähler der Welt, unser Verstand, auftischt. Oftmals erfolgt dies gar nicht bewusst, sondern automatisch. Manche Geschichten, die er uns erzählt, sind wahr und hilfreich, indem er uns dabei unterstützt, Pläne zu formulieren, uns selbst Anweisungen zu geben, die eigenen Gedanken zu ordnen oder das eigene Handeln zu kommentieren. Andere jedoch sind unwahr, helfen uns weniger und stellen eher Ansichten, Überzeugungen, Vorstellungen, Urteile, Einstellungen und Vorhersagen dar. Unser Geschichtenerzähler ist niemals still, sondern weiß immer eine Geschichte zu erzählen. Immer wieder versucht er, unsere Aufmerksamkeit zu erlangen – was ihm auch meistens gelingt.
An dieser Stelle lade ich dich, lieber Leser, zu einem kleinen Experiment ein: Schließe mal deine Augen und lausche für 30 Sekunden auf neugierige und offene Art und Weise deinem Geschichtenerzähler: Welche Storys erzählt er dir?
Typische Selbstgespräche
Gerade in Situationen, in denen es im Sport mal nicht so läuft, beginnt unser Verstand oftmals unentwegt zu plappern. „Shit, ich hab verkackt!“, könnte so ein typisches Selbstgespräch lauten. Gedanken wie diese sind typische Selbstgespräche, die z.B. Fußballspielern nach misslungenen Aktionen durch den Kopf schießen. Entscheidend ist es, dass du dir dessen bewusst bist, welche Auswirkungen diese Gedanken auf deine eigene Leistung haben können. Negative Gedanken sorgen in der Regel dafür, dass deine Aufmerksamkeit abgelenkt wird von dem, was gerade wirklich wichtig ist, nämlich die anstehende Handlung. Im Ergebnis werden bei dir negative Gefühle hervorgerufen und dein Selbstvertrauen wird in Mitleidenschaft gezogen. Letztlich leidet deine Leistungsfähigkeit und demgegenüber steigt die Wahrscheinlichkeit, dass du erneut einen Fehler machst. Wie heißt es so schön: „Du kannst nicht negativ denken und Positives erwarten.“
Das Gute ist: Als Sportler bist du deinem Geschichtenerzähler keineswegs hilflos ausgeliefert! Vielmehr hast du die Möglichkeit, ihn gezielt zu steuern. Einerseits, indem du ihn gezielt stoppst, wenn er mal wieder zu viel plappert. Und andererseits, indem du lernst, für bestimmte Situationen unterstützende Selbstgespräche zu entwickeln und in der Praxis anzuwenden – also gezielt lernst, deine innere Sprache so zu steuern, dass sie der Leistungserbringung dient.
Gedankenstopptechnik
An dieser Stelle möchte ich dir die Gedankenstopptechnik vorstellen. Diese Technik kannst du im und außerhalb des Sportkontexts wirkungsvoll einsetzen – insbesondere dann, wenn du Stress empfindest und dein Geschichtenerzähler dich mal wieder zutextet. Als Fußballspieler kannst du diese Technik z.B. nach einem Gegentor oder in einer Unterbrechungssituation, in der der Ball gerade im Aus ist, anwenden; als Schüler z.B. in der laufenden Klausur, wenn du dank deines Geschichtenerzählers den Fokus verloren hast. Die Technik umfasst folgende Schritte:
Diese Technik hilft dir gegen negative Stresszustände, unterbricht deine störenden Gedankenketten und lenkt deinen Fokus auf das wirklich Wichtige. Doch damit du diese Technik insbesondere im Wettkampf stabil abrufen kannst, braucht es Übung. Genau wie du auf dem Feld z.B. Flugbälle trainierst, muss auch eine solche mentale Technik regelmäßig trainiert, ggf. auch für dich individuell passend modifiziert und stabilisiert werden.
Entwicklung positiver Selbstgespräche
Wie kann es dir nun gelingen, konkret unterstützende Selbstgespräche für bestimmte Situationen zu entwickeln – wie gelingt es, dass du dir den eigenen Geschichtenerzähler also zum Freund machst? An dieser Stelle braucht es zunächst einmal eine Differenzierung in heiße und kalte Selbstgespräche, am Beispiel eines Fußballspielers:
Beide Formen des Selbstgesprächs haben situationsabhängig ihre Berechtigung. Auch hier geht es für jeden Sportler darum, sich auszuprobieren: Welche Form des Selbstgesprächs hilft mir in welcher sportartspezifischen Situation? Brauche ich gerade eher eine emotionale Unterstützung oder geht es gerade eher darum, mich per Selbstgespräch konkret auf die anstehende Anforderungssituation einzustimmen?
Checkliste für gute Selbstgespräche
Damit dein Selbstgespräch auch wirklich seine Wirkung entfaltet, solltest du als Sportler einige Aspekte beachten:
Gute Selbstgespräche sollten…
- positiv formuliert sein, z.B.: „Ich schaffe das!“
- das Wort „ich“ enthalten, z.B.: „Ich fokussiere mich auf den Ball.“
- die eigenen Stärken betonen, z.B.: „Ich bin verdammt schnell.“
- lösungsorientiert und handlungsrelevant sein, z.B.: „Ich achte auf meine Vororientierung.“
- sich auf die Gegenwart oder Zukunft beziehen, z.B.: „Wir werden das Spiel drehen!“
Es ist ratsam, dass du diese Checkliste als Orientierungsstütze immer im Hinterkopf behältst.
Die ersten Schritte in der Praxis
Um nun konkret an der eigenen inneren Sprache zu arbeiten, macht in einem ersten Schritt die Protokollierung deiner eigenen Gedankenwelt in sportartspezifischen Situationen Sinn. Dieser Gedankencheck kann dir hierfür als Orientierung dienen. In diesen kannst du als Sportler eben jene Storys, die dein Geschichtenerzähler dir in entsprechenden Situationen in Spielen und Trainingseinheiten erzählt, notieren.
Situation | Meine Gedanken & Selbstgespräche |
eigener Fehler | |
Gegentor | |
Kritik von Mitspielern und Trainern | |
Fehler, bedingt durch Rasenplatz | |
direkt vor Anpfiff des Spiels | |
gelungene Aktion | |
Schiedsrichterentscheidung gegen mich & mein Team |
In einem zweiten Schritt kannst du nun überprüfen, ob deine eigenen Gedanken einem förderlichen Selbstgespräch entsprechen. Dafür kannst du die Checkliste (s. oben) sowie die nachfolgende Tabelle nutzen. Auf einer Skala von 10 (=extrem) bis 1 (=überhaupt nicht) kannst du nun bewerten, wie hilfreich die Selbstgespräche gewesen sind, die du als Sportler in den entsprechenden Situationen geführt hast.
Situation | Bewertung meine Gedanken & Selbstgespräche (10 – 1) |
eigener Fehler | |
Gegentor | |
Kritik von Mitspielern und Trainern | |
Fehler, bedingt durch Rasenplatz | |
direkt vor Anpfiff des Spiels | |
gelungene Aktion | |
Schiedsrichterentscheidung gegen mich & mein Team |
Nun besteht die Möglichkeit, dass du deinen eigenen Geschichtenerzähler durch gezielte Beeinflussung steuern kannst. Notiere in dieser Tabelle, welche Gedanken und Selbstgespräche dir in den entsprechenden Situationen in Zukunft helfen werden!
Situation | Meine hilfreichen Gedanken & Selbstgespräche |
eigener Fehler | |
Gegentor | |
Kritik von Mitspielern und Trainern | |
Fehler, bedingt durch Rasenplatz | |
direkt vor Anpfiff des Spiels | |
gelungene Aktion | |
Schiedsrichterentscheidung gegen mich & mein Team |
Nun geht es um Übung, Übung, Übung: Auch wenn es dir anfangs vielleicht komisch vorkommen mag, deine Gedanken und Selbstgespräche aktiv zu steuern, wirst du schnell merken: Es lohnt sich! Durch eine regelmäßige Anwendung dieser für dich hilfreichen Selbstgespräche, ganz konkret in diesen Trainings- und Spielsituationen, kannst du deine Gefühle und letztlich dein Handeln und somit deine Leistungsfähigkeit positiv beeinflussen. Durch ein fleißiges Training kann es dir gelingen, deinen Geschichtenerzähler immer mehr zum Freund zu machen und deine beste Leistung abzurufen.
Aktueller TV-Beitrag mit Janosch Daul:
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