Frage und Antwort: Die Angst vor einer Übung loswerden

Eine junge Turnerin hat uns geschrieben, die sich seit Jahren eine bestimmte Bewegung nicht mehr zutraut. Es geht um einen Flick-Flack. In der Mail heißt es dazu: “Am Tag, als ihn gelernt habe, alleine zu springen, wollte ich ihn meinen Eltern nach dem Training noch unbedingt zeigen. Allerdings hatte ich keine Kraft mehr und bin deshalb mit meinem Arm umgeknickt und habe meinen Ellbogen verstaucht. Ich denke, dass das die Ursache ist, warum ich mich nicht traue. Sobald ich einmal abgesprungen bin, kann ich ihn, aber ich traue mich einfach nicht, nach hinten zu springen.” Die junge Turnerin weiß, dass sie das Element eigentlich beherrscht, es scheitert jedoch daran, dass sie sich nicht traut, die Bewegung komplett auszuführen.

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Im Netzwerk Die Sportpsychologen haben wir zahlreiche Experten und Expertinnen, die einiges an Erfahrungen im Umgang mit vergleichbaren Themen haben. Anke Precht (zum Profil) und Dunja Lang (zum Profil) haben sich der konkreten Frage angenommen: Wie kann ich tun, um es mir zu trauen, nach hinten abzuspringen?

Anke Precht

Antwort von: Anke Precht (zum Profil)

Liebe Nancy (der Name wurde von der Redaktion geändert), 

zwei Möglichkeiten fallen mir spontan ein, die schon vielen SportlerInnen in ähnlichen Situationen geholfen haben. Die erste ist aus der Hypnose abgeleitet. Du imaginierst den Sprung in einer leichten Trance, und zwar so, wie er optimal läuft, stellst ihn dir also möglichst konkret vor. Aber Achtung: zwei Regeln gilt es dabei zu beachten:

  • Erstens beginnst du damit, ihn von außen anzuschauen. Du schaust dir also Nancy an, wie sie den perfekten Flick-Flack springt. 
  • Zweitens: Du stellst dir diesen “Film” nicht vorwärts vor, sondern rückwärts! Also: Ab da, wo sich Nancy richtig freut, dass sie den Flick-Flack gesprungen ist, am besten in einer wichtigen Situation. Dann läuft der Film rückwärts: das stabile und sichere Landen auf beiden Beinen, das Aufrichten im Flug, und so weiter. Bis du Nancy am Absprung siehst, und dann davor. Diesen Film lässt du immer wieder durchlaufen: Die stolze und selbstbewusste Nancy nach der Flick-Flack bis zum Anfang vor dem erfolgreichen Flick-Flack. Schau dir jede Etappe genau an: Woran erkennst du, dass dieser Flick-Flack gut ist? Woran erkennst du, dass sich Nancy dabei sicher fühlt und vielleicht sogar Spaß hat? Und erst, wenn sich das alles ganz normal anfühlt und selbstverständlich, dann drehst du die Laufrichtung des Films und schaust ihn dir von vorne nach hinten an: Nancy, die sich bereit macht zum sicheren und erfolgreichen Flick-Flack, mit einem selbstbewussten und souveränen Gefühl. Auch diesen Film lässt du einige Zeit immer wieder laufen, bis du auch da das Gefühl hast: Das ist ganz normal und selbstverständlich. 
  • Dann beginnt die dritte Etappe: Du lässt den Film assoziiert laufen, du schaust dir also nicht mehr von außen zu, sondern stellst dir vor, wie es sich anfühlt, diesen Flick-Flack zu springen. Achte dabei vor allem auf die Details, die dein Selbstbewusstsein ausmachen. Das fokussierte Gesicht vor dem Absprung, vielleicht mit einem winzigen Lächeln in den Mundwinkeln, du weißt schon, wie du aussieht, denn du hast es ja vorher schon so oft “gesehen”. Und wenn sich dann die Etappe 3 ebenfalls ganz natürlich anfühlt, hat dein Gehirn den Flick-Flack schon wirklich oft durchgeführt. Dann ist es Zeit, ihn im Training zu machen, immer wieder, bis er wirklich sicher sitzt. Sollte dann immer noch eine kleine Unsicherheit sitzen, vereinbare mit einem Psychologen eine trauma-therapeutische Sitzung. Die hilft vielleicht noch bestehende letzte Spuren von dem missglückten Versuch zu löschen. Aber in vielen Fällen ist das dann gar nicht mehr notwendig.
Dunja Lang

Antwort von: Dunja Lang (zum Profil)

Hallo Nancy (der Name wurde von der Redaktion geändert),

Du beschreibst eine Situation, die viele SportlerInnen kennen: in der Vergangenheit ist etwas nicht optimal gelaufen oder man hat sich vielleicht sogar verletzt. Du beschreibst zudem eine Situation, die für Dich emotional bedeutsam war „wollte es meinen Eltern unbedingt zeigen!“ – und dann hat es nicht geklappt, Du bist enttäuscht. Unser Unbewusstes bewertet das als „negativ“ und verknüpft das Springen des Flick-Flacks mit „negativen“ Erfahrungen. Es installiert quasi eine innere „Alarmanlage“, indem es versucht, Dich vor einer neuen, unangenehmen emotionalen und körperlichen Erfahrung zu bewahren. Es sagt „Achtung! Pass auf, dass Dir das nicht noch einmal passiert!“. Im inneren „Erlebnisnetzwerk“ entsteht eine neuronale Verknüpfung, die fortbesteht, auch wenn das Ereignis an sich vorbei ist. Das „bewusste Ich“ nimmt das als Zögern wahr und sagt „ich weiß doch, dass ich es kann, es liegt doch in der Vergangenheit!“.

Schritt 1 besteht also in der Einsicht, dass das Unbewusste prinzipiell eine gute Absicht verfolgt, also quasi als „Bodyguard“ agiert und Veränderungen daher nur MIT dem Unbewussten möglich sind, nicht dagegen. Sich also nur bewusst zu sagen „Ich kann das!“ reicht hier nicht.

Als Schritt 2 empfehle ich daher die Verarbeitung des Erlebnisses, um die gespeicherten „negativen“ Verknüpfungen und Emotionen aufzulösen. Hier gibt es verschiedene Ansätze und Techniken aus der Hypnotherapie, der Traumatherapie und auch soenannte. „embodiment-orientierte“ Techniken, die den Körper mit einbeziehen und meiner Erfahrung nach oft sehr schnell und direkt, oft schon in einer einzigen Session, wirken.

Dazu gehören auch sogenannte „Klopftechniken“, bei denen man bestimmte Punkte im Körper durch das Beklopfen mit den Fingern stimuliert, während man an das vergangene Erlebnis denkt. Dadurch wird an das limbische System, das für die Emotionen zuständig ist, eine Art Sicherheitssignal weitergegeben, der Körper wird „entstresst“ und emotionale „Entwarnung“ gegeben. Die Einbeziehung des Körpers in die Verarbeitung macht sehr viel Sinn, weil Emotionen eine starke körperliche Komponente haben. 

Auf meiner Website findest Du weitere Infos, Erfahrungen von SportlerInnen und auch Links zu Videos mit Anleitung dazu:

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Bei all den Möglichkeiten und Mentaltechniken ist es erfahrungsgemäß am einfachsten, eine Sitzung mit einem dafür ausgebildeten und erfahrenen Coach bzw. einem sportpsychologischen Experten (schau mal, ob Anke oder ich oder einer oder eine unserer KollegInnen bei dir in der Nähe zu finden sind, zur Übersicht) zu vereinbaren. Der oder diejenige kann Dich im Prozess begleiten, anleiten und emotionale Sicherheit geben, damit Du Dich bei der Bearbeitung ganz auf Dich konzentrieren kannst. Du erhältst während des Prozesses konkrete Anweisungen und zusätzliche Tipps, z.B. worauf Du Dich fokussieren solltest und welche Atmung am besten passt. Idealerweise macht Dein Coach es Dir vor und Du machst synchron mit. Dein Coach sieht sofort, was Du jetzt genau brauchst und unterstützt Dich auf den Punkt.

Danach kannst Du die gelernte Mentaltechnik des „Klopfens“ eigenständig nutzen, auch für andere Angst, Druck-,  Stress- oder Schmerzzustände, die es im Sport immer wieder gibt.

Als Schritt 3 empfehle ich einen inneren Film des „Optimalen Erlebens“ zu kreieren, indem Du bestmöglich den Flick-Flack springst, und in diesen Film einsteigen und ihn direkt zu erleben, zu fühlen, mit all den Elementen, der Freude, Selbstbewusstsein, Flow eines optimalen Erlebens. Dazu findest Du in dem Beitrag von Anke Hinweise oder Du nutzt auch hierfür deinen Coach mit Expertise in Sporthypnose.

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Mathias Liebing
Mathias Liebinghttps://www.torial.com/mathias.liebing
Redaktionsleiter bei Die Sportpsychologen und freier Journalist Leipzig Deutschland +49 (0)170 9615287 E-Mail-Anfrage an m.liebing@die-sportpsychologen.de