Seine Kollegen können es auch nicht so richtig in Worte fassen „Der fährt einfach in einer anderen Liga!“ – und meinen damit „Odi“ Marco Odermatt, einen absoluten Ski Alpin Ausnahmesportler. Er gilt vielen als das „Maß der Dinge“. Beim ersten Riesenslalom nach der Ski Alpin WM im Februar 2023 in Palisades Tahoe/USA wird Marco Schwarz mit drei Hundertstel (!) Vorsprung erster vor Marco Odermatt. Eine der ersten Fragen an ihn „wie ist es, vor Marco Odermatt zu sein?“. Und dann fielen in der emotionalen Situation noch zwei Worte, die zu Diskussionen führten…
Zum Thema: Emotionen, Sprache und Metaphern im Sport
Der SRF-Reporter Paddy Kälin, der Marco Odermatt bei der WM im Februar 2023 direkt nach der Erlangung seines Weltmeistertitels interviewt, fragte – mit einer vorangehenden Entschuldigung für die Wortwahl – nach, ob es „nicht einfach ‹huere geil›“ sei, so einen Erfolg zu erleben. Die Antwort von Marco Odermatt: „Ja, unglaublich. Es ist ‹huere geil›!“ Die ganze Schweiz freute sich mit ihm, ein SRF-Zuschauer störte sich aber an der Wortwahl und beanstandete diese bei der Beschwerdestelle des Schweizer Fernsehens (SRF).
«Wieso muss in einer Live-Sendung an einem Sonntagmittag, die ich mir mit meinen kleinen Kindern anschaue, sogar der Moderator explizit ‹huere geil› sagen und vom Idol meiner Jungs wiederholen lassen?», wurde gemäss Kleinreport.ch angeprangert. Die Kinder seien mit fragenden Blicken zurückgeblieben. Weiter lieferte der Elternteil eine doch etwas weit hergeholte Begründung, warum die Aussage unzulässig sei: «Dies widerspricht den Anforderungen in Bezug auf Grundrechte und Menschenwürde und Schutz Minderjähriger.»
Treten wir einmal einen Schritt zurück und fragen uns: Wofür (nicht warum!) machen wir Sport, was motiviert uns (wirklich!) und warum fiebern wir gerne mit unseren „Helden“ im Sport mit?
Es ist die Faszination, die Emotion im Sport, etwas, das nicht gut mit „elaborierten“ Worten zu beschreiben ist. Und das aus gutem Grund!
Wenn ich bei Minus 15 Grad frierend und dick eingepackt am Rande einer eisigen Weltcup Piste, einem Athleten, den ich coache, fasziniert bei seinem Lauf zuschaue, wie er im dünnen Rennanzug binnen 50 Sekunden die Piste bewältigt (die man eigentlich als „Eisbahn“ bezeichnen müsste und die kein noch so guter Freizeitfahrer unfallfrei bewältigen würde), dann fasziniert mich das. Und das Wort “Faszination” beschreibt es auch nicht annähernd!
Ich weiß, wie viel Arbeit, technisch wie mental, welch gigantische Fokussierungsleistung hinter einem solchen Auftritt steckt und wie man im Detail daran tüftelt, dies zu erreichen. Abliefern auf den Punkt!
Das ist nicht nur ein Sport, das ist ein ganzes Leben, eine Lebensphilosophie, mit der man sein komplettes Dasein auf den Sport fokussiert. Eine gute Leistung, richtig „Abliefern“, mit dem richtigen Fokus, und den Moment des Erfolgs genießen, das ist die Belohnung des Athleten, und all das liegt in diesem Moment. Einem Moment, den man oft nicht so richtig in Worte fassen kann.
Emotionen und Empathie
Als ehemaliger Profi im Reitsport weiß ich auch, welche Leistung es ist, einen anspruchsvollen Springparcours mit dem Pferd als Einheit optimal zu bewältigen, und ich weiß, wie es sich anfühlt zu „fliegen“ und dieses Gefühl finde ich nirgends sonst.
Und ich erlaube mir auch als „sportpsychologische Expertin“, als „Mentalcoach“ mit professioneller akademischer Ausbildung, besondere Momente und Emotionen, egal ob bei Erfolgen oder auch Niederlagen, mit den Sportlern die ich coache, zu teilen. Das heißt für mich auch: Emotionen und Empathie zu zeigen, ohne Grenzen zu verletzen, „übergriffig“ zu sein oder auch darin zu „versinken“. Als Mensch da sein und nicht nur als „distanzierter Experte“ mit kühlem Kopf.
Warum Emotionen das „Salz in der Suppe“ sind!
Die Faszination an der Perfektion, die Emotion im Sport, die Freude über den gelungenen Moment, ist es nicht das, wofür wir den Sport lieben und brauchen?
Marco Büchel, ehemaliger TOP-Skirennfahrer und jetzt ZDF Experte im Ski Alpin im Podcast „Parlez-vous PLÜ“ vom 27.2.2023 bei Minute 30 zum Thema „Emotionen“:
„Man könnte meinen, man fordert es heraus, man sei lebensmüde. Das Gegenteil ist der Fall, darum bin ich ja so gern Skirennfahrer gewesen. Ich will es genießen, das Maximum herausholen. Ich will das Leben intensiv genießen, und Emotionen sind das größte Abenteuer!“
https://linktr.ee/maximilianbaumann
Sprache ist mehr als Worte! Über den systematischen Einsatz von Metaphern in der Sporthypnose
Nähern wir uns damit dem wesentlichen Punkt: Metaphorische Sprache in Form von Sprachmetaphern transportiert Emotionen jenseits des rationalen Inhalts des Gesagten, es verbindet uns Menschen in den Emotionen. Wir teilen die Emotionen eben auch durch das Teilen von Sprachmetaphern und signalisieren damit dem Gegenüber „ich begreife und fühle mit dir diesen besonderen Moment“.
Metaphern sind auch noch viel mehr als das!
Metaphern sind in der Sportpsychologie Wegweiser für Probleme und Themen, für die es auf einer bewussten Ebene oft keine gute, rationale Lösung gibt, weil sie auf einer unbewussten Ebene liegen!
Wir müssen „nur“ die Bildsprache der SportlerInnen und die dazugehörigen Emotionen lernen, zu „decodieren”. Dann gibt es oft überraschend einfache Lösungen, auch für „hartnäckige“ Themen!
Schmerzen, Verspannungen, Ängste, Panikattacken und auch Stagnation in der Leistung, dafür gibt es nicht immer eine rationale Erklärung, oft gibt es aber klare Hinweise und Gründe auf einer unbewussten Ebene.
Mit den Möglichkeiten der modernen Sporthypnose und Hypnotherapie kommen wir mittels Sprachmetaphern an den „Kern“ der Sache. Ein Beispiel aus meiner Praxis: Ein 20-jähriger Ski alpin Profisportler fragt nach „Mentalcoaching“. Er sagt „mein Kopf lässt mich nicht“ und sagt, er fühle eine „innere Handbremse“.
Natürlich gibt es im Körper keine physisch vorhandene „Handbremse“, aber wir alle können das innere Gefühl nachvollziehen, wenn wir einerseits etwas wollen, aber „irgendetwas“ uns unbewusst bremst. Wie kommt man jetzt an „des Pudels Kern“ und was hilft hier weiter?
Mein eigenes Framework
Ich habe Techniken aus der Sporthypnose in ein spezielles, von mir entwickeltes Framework „gegossen“.
Im Prinzip ist für mich, nach einem sorgfältig geführten Erstgespräch, die Sprachmetapher und das dazugehörige Gefühl der „Kompass“ und die „innere Brücke“, womit ich gemeinsam mit dem Sportler die „eigentlichen“ Themen finden und bearbeiten kann.
Meiner Erfahrung nach trifft das besonders bei hartnäckigen Schmerzen, Verspannungen, Ängsten oder inneren „Handbremsen“ zu, für die es (scheinbar!) keinen Anlass (mehr) gibt, z.B. nach einer Reha oder Verletzung, die „eigentlich“ ausgeheilt ist.
Für alle, die jetzt neugierig sind: Mehr zum konkreten Vorgehen findet ihr im folgenden Blogbeitrag „Mein Kopf lässt mich nicht! Oder auch: die „Reise zu mir selbst“!
Sprache ist eben weit mehr als Worte, die immensen Möglichkeiten, die in dieser Aussage stecken, gilt es systematisch zu nutzen!
PS: Die Ombudsstelle des SRF hat entschieden, dass die Verwendung des Wortes „huere geil“ in dem genannten Kontext als unproblematisch anzusehen ist und auf den „emotionalen“ Moment und die wahrgenommene Bedeutung der Worte verwiesen. Vielleicht hätte der Vater, der sich beim SRF beschwert hat, einfach gemeinsam mit seinen Kindern über den Triumph des „Idols seiner Kinder“ freuen und den Moment genießen sollen 😉
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