Weniger Stress und mehr Zeit für sich und die Familie. Diese Wünsche für das neue Jahr sind laut einer Umfrage im Auftrag der DAK-Gesundheit (2022) mehrheitlich in der Gesellschaft erwünscht. Ein Schlüssel liegt in der Arbeit mit uns selbst: Anstatt klassischerweise auf die körperlichen und mentalen Widrigkeiten von Stress zu antworten und Auslöser durch Vermeidungsstrategien zu umgehen, erlaubt die Philosophie und die Positive Psychologie dem Menschen ein besseres Verständnis seiner Möglichkeiten. Dies ermöglicht die einzelnen Stresssituationen widerstandsfähiger und vorausschauender gegenüberzutreten und die Verwirklichung der eigenen Ziele nicht aus dem Auge zu verlieren. Der Fokus liegt dabei auf der Förderung von individuellen und kollektiven Tugenden, wie beispielsweise Integrität, Mäßigung und Dankbarkeit. Diese Denk- und Handlungsweise ist anfangs eine umfassende Bürde, die möglicherweise Ihre Werte und Haltung zu anderen Menschen verändern können. Doch wenn Sie offen und beherzt dranbleiben, kann dies eine tragende Säule in Ihrem Leben werden.
Zum Thema: Die individuellen und kollektiven Tugenden fördern
In Ihrem Leben begegnen Sie Menschen, die Ihnen wohlgesinnt sind, andere wiederum verfolgen ihre eigenen Interessen. Aber auch Sie zeigen aus verschiedenen Gründen vielleicht nicht immer Ihre wahre Seite. Wäre es dann nicht an der Zeit, Ihr Inneres und Äußeres besser zu verstehen und sich folgende Frage dabei zu stellen: Wie agieren Menschen in Ihrem Umfeld und was nehmen Sie an sich wahr? Nehmen Sie sich einen Moment, um sich mit dieser Frage zu beschäftigen….
Es gibt Menschen, die Sie schätzen, genauso wie Sie sind, ohne etwas zu erwarten. Wenn Sie fallen, dann richtet Sie diese Person auf und ermutigt Sie, weiter an sich zu glauben. Diese Nähe sollten Sie unbedingt suchen. Erst in dem Moment, in dem wir anfangen, unsere sozialen Kontakte, Wegbegleiter, Gedanken, Gefühle und sogar unseren täglichen Sprachgebrauch zu hinterfragen, können wir uns weiterentwickeln und Gelassenheit erfahren. Wenn Sie sich jetzt mit dieser großen Aufgabe alleingelassen fühlen, dann nutzen Sie Ihren Mentor:
Ich möchte Ihnen folgendes anbieten: Orientieren Sie sich an einem persönlichen Vorbild, einem Mentor oder Mentorin, die Sie respektieren und bewundern. Kennen Sie jemanden? Großartig! Tragen Sie dieses Vorbild im Geiste mit Ihnen herum und lassen Sie sich von dieser Person begleiten. Es ist ein unfassbares Geschenk für Ihren weiteren Lebensweg!
Here and now – your Job
Stellen Sie sich folgende Situation vor: Feierabendverkehr, es ist 15:30 Uhr. Sie sind spät dran! Jetzt sitzen Sie in Ihrem Auto und sind noch fünf Kilometer von der DFB-Akademie entfernt. Um sechzehn Uhr wollten Sie pünktlich auf dem Platz stehen, um das Training vorzubereiten. Heute ist ein besonderer Tag. Sie stehen kurz vor Abschluss Ihrer Prüfung als Fußballlehrer DFB. Während Sie das noch denken, sehen Sie schon die Warnblinker im Auto vor Ihnen: Stau. Es gibt kein Vorankommen mehr. Sie können sich jetzt wahnsinnig aufregen, auf Ihr Lenkrad einschlagen, fleißig hupen, rumschreien u.v.m. – oder sich klarmachen, dass Sie die Situation jetzt einfach nicht ändern können. Nun folgt der erste wichtige Schritt zu mehr Ruhe und Gelassenheit in Ihrem Leben: „Konzentrieren Sie sich auf die Dinge, die Sie beeinflussen können“.
Das moderne Leben bombardiert Sie täglich mit Ablenkungen und fremde Unternehmen buhlen um Ihre Aufmerksamkeit. Höchste Zeit, in die Gegenwart zu kommen. Doch wie geht das? Ein großartiges Beispiel aus dem Sport ist Bill Belichick. Belichick ist der Coach der American-Football-Mannschaft New England Patriots. Er hat sechs Mal den Superbowl gewonnen und ist damit der erfolgreichste Cheftrainer in der Geschichte der US-Profiliga NFL. Sein Erfolg beruht auf einem einfachen Prinzip: Er bringt seine Mannschaft dazu, im Jetzt zu leben und alle überflüssigen Reize auszublenden. Dazu nutzt er eine klare Losung: „Here and now – your Job.“ Das hilft den Spielern, sich auf die unmittelbar anstehende Aufgabe zu konzentrieren. Alles, was zählt, ist der Moment. Alles andere spielt keine Rolle. Wenn Sie so einen Arbeitsethos haben, dann sind all die kleinen Nebensachen der Welt plötzlich bedeutungslos.
Observation and Perception
Kennen Sie diese Gedanken: „Wenn dieser Kollege bzw. diese Kollegin die Schulung hält, wird das bestimmt langweilig.“ – „Ich bin einfach nicht gut genug, da kann ich machen, was ich will.“ – „Ich bin einfach so, das war schon immer so. Das habe ich von meinem Vater.“ All das sind keine durchdachten Überzeugungen, sondern es handelt sich um Impulse und Vorurteile. Sie stimmen manchmal, aber oft stimmen sie eben auch nicht. Und genau darin liegt das Problem. Wir Menschen sind in der Lage, innerhalb von Sekundenbruchteilen Entscheidungen zu treffen. Das ist erstmal gut! Diese Fähigkeit hat aber auch eine Schwierigkeit. Denn je mehr Sie routinemäßige Entscheidungen treffen, desto mehr verfestigen sich Ihre vorhandenen Überzeugungen. Und hier kommt die zweite Anregung für mehr Ruhe und Gelassenheit in Ihrem Alltag: „Hinterfragen Sie Ihre Vorurteile.“ Was meine ich damit? Auch hier geht es wieder darum, sich selbst zu beobachten: Wie kommt dieser spontane Impuls zustande? Kann es sein, dass ich etwas übersehen habe? Also zum Beispiel: Woher kommt eigentlich Ihr Gefühl, dass Sie glauben, nicht gut genug zu sein? Gilt das für alle Lebensbereiche oder beruht meine Wahrnehmung nur auf Vermutungen oder fremden Äußerungen? Die Vorteile einer solchen Selbsteinschätzung liegen auf der Hand. Besonnenheit kann Sie auf Dauer vor vielen peinlichen Fehlentscheidungen bewahren. Wir alle haben den Drang, sofort zu bewerten, was wir sehen. Wie gehe ich damit um? Hier ein passendes Beispiel zum Thema Bewertung:
Ich unterscheide zwischen Beobachtung und Wahrnehmung: Das beobachtende Auge sieht die Dinge so, wie sie wirklich sind. Das wahrnehmende Auge misst den Dingen hingegen sofort Bedeutung bei. Doch diese Bedeutung ist fast immer durch vorgefertigte Überzeugungen getrübt. Das führt zu Konflikten, wo keine sein müssten. Die sogenannte Kognitive Dissonanz.
Home Port
Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie bewerben sich als Trainer oder Psychologe im leistungsorientierten Sport. Beim ersten Vorstellungsgespräch finden Sie alle nett und die Stimmung ist gut. Aber kaum haben Sie Ihre neue Stelle als Trainer oder Psychologe angetreten, lernen Sie einen Vorgesetzten kennen, der Ihnen bisher unbekannt war. Und dieser kann Sie einfach nicht leiden. In den folgenden Wochen macht er Ihnen das Leben schwer, wo er nur kann. Sie erfahren, dass diese Person zum Saisonende gehen wird. Sie beschließen, bis dahin durchzuhalten, trotz der sichtbaren Verfehlungen Ihnen gegenüber. Aber wie soll das gehen?
Damit kommen wir zum dritten Schritt: Ich glaube an die absolute Integrität: Egal was Ihnen passiert, Sie können immer die Kontrolle darüber bewahren, wer Sie sind. Für jeden von uns gibt es einen unüberwindbaren Rückzugsort für das Ich: den inneren Heimathafen. Was auch immer Ihnen widerfährt, in Ihrem Heimathafen ist Ihr Inneres sicher. Diese Überzeugung hat einen entscheidenden Vorteil: Sie macht Sie unabhängig von äußeren Umständen. Damit Sie diese Widrigkeiten aber gut überstehen können, ist eines wichtig: Ihr innerer Heimathafen muss schon vorher stehen. Das heißt, Sie sollten sich nicht verlieren und sich klarmachen, wofür Sie stehen und was Ihre Werte sind. Wenn Sie jemand herausfordert oder schlecht behandelt, dann können Sie jederzeit an diesen sicheren Ort zurückkehren.
Fazit
Sicherlich gibt es weitere Tugenden, die zu nennen wären. Doch für mich und meine Arbeit sind Philosophie und Positive Psychologie wichtig und wegweisend. Stellen wir uns zum Abschluss noch einmal die Frage: Warum sind menschliche Erfahrungen und Annäherung sowie Reflexion so relevant? Und inwiefern sind unsere Vorgänge, unsere Eltern, Freunde und Bekannte selbst mit gutem Beispiel vorangegangen? Ist das heutige Leben Ihr eigenes oder von fremder Bedeutung? Die Selbstbeherrschung, die Wahrnehmung, der innere und äußere Blick, der Heimathafen und die Integrität – solche Werte sind mehr denn je gefragt. Und die Welt wäre ein besserer Ort 😉
Literatur und Leseempfehlungen
Sohr, S., Wilms, A. (2023): Lebe anders! Life Coaching mit Achtsamkeit und Positiver Psychologie
Sohr, S., Roesler, S. (2009): Feel Good! Eine Reise mit der positiven Psychologie
Sohr, S. (2008): Alles Rogers? Hommage für den Vater der Humanistischen Psychologie
https://www.dak.de/dak/bundesthemen/gute-vorsaetze-2023-2594612.html#/
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