Cristina Baldasarre: Atmung, Selbstgespräch und Visualisierung – Drei Werkzeuge des mentalen Trainings

Eine gute Leistung oder Erfolg wird oft mit einem Podestplatz gleichgestellt, wer dahinter nur zu den Top Acht gehört, hat es nicht auf den Punkt bringen können. Diese gängige Meinung wird in der Sportpsychologie nicht geteilt. Für uns ist es ein Erfolg, wenn der Sportler oder die Sportlerin einen persönlichen Fortschritt erreicht. Oder wenn die anfänglichen Probleme überwunden sind – ganz egal, wo er/sie sich in der Rangliste einreiht. Im Mittelpunkt stehen somit die persönliche Weiterentwicklung und die individuelle Leistungsentwicklung. Genau hier setzt das mentale Training an.

Zum Thema: Mentales Training – Ein Puzzleteil auf dem Weg zu besserer Leistung

Das mentale Training bietet eine wichtige Stütze in Bezug auf die persönliche Weiterentwicklung und die individuelle Leistungsentwicklung – natürlich zusammen mit allen anderen leistungsrelevanten Faktoren wie z.B. der Kondition, der Kraft, der Ernährung und dem Umfeldmanagement. All diese Faktoren sind bereits bei jungen Athelt:innen im angemessenen Masse zu berücksichtigen, um dann am Wettkampf auf den Punkt genau bereit zu sein und die individuelle Bestleistungen abrufen zu können. 

Mentales Training heisst, den Kopf zu trainieren und so die mentalen Ebenen in die physische Leistungserbringung zu integrieren. Hierbei teilt sich die Arbeit in drei grundlegende Hauptbereiche ein: das Visualisieren, die Atmung und das innere Selbstgespräch. Welche Methode aus diesen Bereichen wann eingesetzt werden sollte, lässt sich nicht pauschal sagen. Dies erarbeite und kläre ich persönlich immer im individuellen Gespräch mit dem Sportler oder der Sportlerin. Nun will ich die drei Methoden etwas genauer beschreiben: 

Atmung

Ist eine Eiskunstläufer:in am Wettkampf sehr nervös und hat vielleicht am Abend vorher Probleme mit dem Einschlafen, hilft das Erlernen einer Atemübung, um Kopf und Körper ganzheitlich runterzufahren. Denn es gilt: Anspannung und schneller Atem gehören zusammen, so wie auch Entspannung und tiefer, langsamer Atem. Wer lernt, sich zu entspannen, fühlt sich gleich viel ruhiger, sicherer und klarer im Kopf. Die Leistung kann besser abgerufen werden. 

Die bekanntesten Entspannungsübungen zur besseren allgemeinen Grundentspannung sind das autogene Training sowie die progressive Muskelrelaxation PMR nach Jacobson. Für brenzlige Situationen vor einem Auftritt oder auch vor einer Prüfung eignen sich Techniken wie das Entspannungsatmen jedoch viel besser, weil sie sofort wirken.

Selbstgespräch

„Das schaffe ich eh nicht“, ist ein Satz/ein Gedanke, den wir alle kennen, und der sich negativ auf die Selbstkontrolle sowie auf die Überzeugung von Athlet:innen auswirkt. Ein viel besserer und leistungsfördernder Satz/Gedanke wäre „Ich habe das oft geübt, ich kann das!“. 

Praktisch alle Handlungen werden durch innere Selbstgespräche, eben solche Sätze/Gedanken begleitet. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass negative Gedanken 

den Sportler oder die Sportlerin unter Druck setzen. Sie fressen Energie und berauben jeglicher Selbstsicherheit. Zudem sind solche leistungsmindernden Glaubenssätze stets an Erlebnissen orientiert und somit immer vergangenheitsorientiert. Wer seine Handlungen positiv beeinflussen will, spricht am besten in der Gegenwart und in ICH-Form. Zum Beispiel: „Ich kann das, ruhig bleiben – los!“ oder „Rhythmus behalten, weiter!“. 

Positive, unterstützende Selbstgespräche orientieren sich stets an der Gegenwart und/oder an der Zukunft. Es gilt den Fokus auf hilfreiche Gedanken zur Handlungsausführung zu setzen und erfolgsorientiert in die nahe Zukunft zu blicken. Hier kann wunderbar auch von aussen unterstützt werden. Die Trainer:innen und das gesamte Umfeld können positiv oder aber negativ beeinflussen. Sie müssen sich das wie ein Glas Wasser vorstellen: positive Sätze füllen das Glas, negative Sätze leeren es – ist das Glas ganz leer, kann keine Leistung mehr erbracht werden. Darum gilt für alle: Lieber einmal mehr Loben und motivieren als Druck aufsetzen und Unzufriedenheit bekunden. 

Speziell der Trainer oder die Trainerin übernehmen am Wettkampf auch immer die Aufgabe, achtsam mit der Kommunikation umzugehen, und seine/ihre Worte stets gut abzuwägen. Denn aus der Sportpsychologie ist weiter bekannt, dass am Wettkampf ein gutes Selbstvertrauen der beste Prädiktor für eine gute Leistung darstellt. Korrekturen, Änderungen und Neues überhaupt gehören nur ins Training. Eine gute Leistungserbringung benötigt Ruhe in den Abläufen, Struktur, Rituale und ein gelungenes Zeitmanagement. 

Visualisieren

Beim Einüben von motorisch komplexen Bewegungsabläufen, (davon gibt es zum Beispiel im Eiskunstlaufen eine Unmenge), ist das Visualisieren ein zentrales Hilfsmittel. Zuerst wird der Bewegungsablauf z.B. eines Sprunges in allen Einzelteilen beschrieben. Nur schon diese Auseinandersetzung mit der Bewegung verbessert sie. Danach werden Schlüsselstellen definiert, sogenannte Keypoints. Sind diese festgelegt, wird für jede ein stellvertretendes Keyword erarbeitet. Solche Worte sind kurz, prägnant und meist handlungsorientiert, manchmal aber auch rein motivationalen Inhaltes. Sie unterstützen bei der Bewegungsausführung. Unnütze, ablenkende Gedanken werden vermieden. Dabei ist es wichtig, diese Worte in den korrekten Rhythmus der Bewegung einzupassen. 

Ein Sprung sollte in der Regel ein bis maximal drei solcher Worte enthalten, wie beispielsweise „links – Arm – GO!“. Ist eine gute Verschmelzung zwischen der Bewegung und den Schlüsselworten entstanden, gilt es diese zu üben – immer gleich –  über eine längere Zeitspanne hinweg: zu Hause, im Office und im Training. 

Fazit

Je grösser der Druck und der Stress für einen Sportler ist, desto stärker steht die Automatisation der mentalen Abläufe im Zentrum. Das richtige und gezielte Üben gehört deshalb zu einem erfolgreichen mentalen Training dazu. In der Regel braucht es mindestens 6-10 Wochen Training, bis eine Technik automatisiert ist und im Wettkampf angewandt werden kann. Das Puzzleteil Mentales Training kann bei zwei Eisläuferinnen, die technisch auf dem gleichen Niveau sind, eine zentrale Rolle bei der Leistungserbringung spielen. Die eine Läuferin ist z.B. voller Selbstvertrauen und die andere hingegen sehr nervös. Die Leistung und das Empfinden nach dem Wettkampf werden bei der ersten Eisläuferin wohl besser sein als bei der zweiten. 

Meine Kolleg:innen von Die Sportpsychologen (zur Übersicht) und ich (zum Profil von Cristina Baldasarre) helfen gern, um individuelle Techniken zu entwickeln und zu festigen.

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Cristina Baldasarre
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