Aufklärung über sexuelle, psychische und physische Gewalt ist ein unangenehmes Thema im Sport – nicht nur im Sport – auch in der Familie, ebenso auf der gesellschaftlichen Ebene. Ein bisschen läuft die Diskussion ja so: Es ist wichtig, aber wir reden am besten nicht zu viel darüber. Wir sind selbstverständlich gegen jegliche Gewalt, aber zu viel Aufmerksamkeit könnte auch eine gewisse Überempfindlichkeit auslösen – eine komplizierte Geschichte. Eine besondere Rolle kommt dabei Trainern zu. Denn nur selten wird bei Präventionsmaßnahmen gegen sexuelle, psychische und physische Gewalt im Sport thematisiert, inwiefern Schutzkonzepte auch Trainer schützen können.
Zum Thema: Sexuelle, psychische und physische Gewalt im Sport mit Blick auf die Trainerrolle
In der Tat erschüttert jede Schlagzeile über bekannt gewordene Fälle die Sportwelt und trifft sie in der Regel unvorbereitet. Nicht unbedingt unvorbereitet, weil keine Schutzkonzepte erarbeitet sind, sondern weil es unerwartet ist, verborgenes und menschliches Leid zum Vorschein bringt: Scham, Ohnmacht, Misstrauen, Konflikte, unangenehme Themen und sehr private, sensible Bereiche werden plötzlich öffentlich und auch öffentlich diskutiert – Themen, mit denen die meisten Menschen generell ungern und sehr schwer umgehen können.
In der Aufklärungsarbeit hört man oft das Argument der Verunsicherung: Ich traue mich mittlerweile nicht mehr dies oder jenes tun, was bis jetzt selbstverständlich zum Trainingsprozess gehörte. Die Grenze zwischen alltäglicher Arbeit im Training und Grenzverletzung wird unscharf. Was darf ich und was könnte die Grenze des anderen verletzen? Das zeigen auch die meisten Fragen der Teilnehmer solcher Veranstaltungen: Sie fragen nach ganz konkreten Handlungen aus ihrem beruflichen Sportalltag. Zum Beispiel: Wir müssen mal die Hüftstellung korrigieren. Wie mache ich es so, dass keine Grenzen überschritten werden? Betrachtet man dieses Problem aus der Vogelperspektive, ist es eine Unsicherheit über die eigene Handlung. Unsicheres Handeln verunsichert selbstverständlich jeden, daher möchte auch jeder, genaue Antworten oder Lösungen für ganz konkrete Situationen, quasi eine sichere Handlungsanleitung. Doch so einfach ist das nicht, denn es ist unmöglich jegliche sportliche Interaktion zwischen Trainer und Athlet einzeln durchzugehen. Ganz genaue Antworten sind auch unmöglich, weil Grenzen individuell sind, demzufolge auch Grenzverletzungen verschieden. Trainer wissen, nicht jeder Athlet tickt gleich, der eine hat kein Problem mit Berührung bei der Hilfestellung, dem anderen ist es unangenehm. So ist der Trainer mit zahllosen Interaktionen und vielen individuellen Grenzen konfrontiert und ja, zunächst vielleicht auch überfordert. Das Ende der Geschichte ist ein überstandener Workshop, ein Häkchen auf der Agenda und ein, zwei Punkte, die vielleicht noch etwas länger im Gedächtnis bleiben. Schade! Der Kern eines jeden Schutzkonzeptes wird nämlich allen rasch deutlich. Wegen der unendlichen Anzahl an Optionen im Sportalltag aber genauso schnell, vielleicht auch ein wenig genervt, beiseite geschoben. Der Kern ist aber nicht einige Punkte auf den Präsentationsfolien. Der Kern ist die eigene Handlung, die Reflexion über das eigene Handeln in alltäglichen Trainingssituationen. Die Reflexion über die eigenen Handlungsgrenzen und infolgedessen ein klares eigenes Handlungskonzept.
Grenzen für das beste Schutzkonzept
Vielleicht wird in der Aufklärungsarbeit und bei Workshops zu wenig thematisiert, dass eigene, klar definierte Handlungen und Grenzen im sportlichen Alltag die Sportler schützen – aber – sie schützen auch den Trainer. Trainer, die klar definierte Handlungsgrenzen haben, handeln nicht unsicher. Sie sind in ihrem Tun fundiert und sicher. Sie können es begründen, folglich problemlos thematisieren, mit den Athleten und Kollegen offen kommunizieren. Das Thema ist auch nicht mehr peinlich, sondern selbstverständlich und das Schutzkonzept transparent, weil lebendig.
Das beste Schutzkonzept eines jeden Verbandes und Vereins ist daher der Sportler, der Trainer, der Betreuer oder der Funktionär mit eigenen, klar definierten Handlungen und ihre Grenzen.
Vortrag zum Thema:
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