Teambuilding ist nicht immer einfach – vor allem dann nicht, wenn die Zeit knapp ist. Der Transfermarkt schloss auch dieses Jahr am 1. September. Viele Teams befinden sich bereits mitten in der Saison und müssen aufgrund von Verletzungen oder anderen Umständen neue Spieler integrieren, wobei die Mannschaft bereits Phasen der Teamentwicklung hinter sich hat. Für Trainer und Spieler bedeutet das eine zusätzliche Herausforderung auf dem Weg zu sportlichem Erfolg. Wie kann man neue Spieler schnell ins Team integrieren, damit das Team weiterhin erfolgreich ist? Mit dieser Leitfrage beschäftige ich mich in einer Mini-Serie. In diesem Blogartikel legen wir die Kontrolle, in zwei weiteren Teilen geht um konkrete Tipps und Hinweise für Teams und Trainer:
Teil 2: (online ab 20.9.2022)
Teil 3: (online ab 22.9.2022)
Zum Thema: Teambuilding unter erschwerten Bedingungen, Teil 1
Unter Teambuilding versteht sich im sportlichen Alltagsgebrauch häufig eine einmalige Aktivität in der Sommervorbereitung, die zur Kohäsion beitragen soll. Kohäsion wird als “innerer Zusammenhalt” oder auch “Gruppen-/Mannschaftszusammenhalt” beschrieben (Baumann, 2008). Sie kann ein Faktor sein, der auf die Leistung eines Athleten wirken kann. Unterschieden wird zwischen sozialer und aufgabenbezogener Kohäsion. Während bei der sozialen Kohäsion die gegenseitige Bindung und Sympathie im Vordergrund steht, ist bei der aufgabenbezogenen Kohäsion eher die Bindung und Attraktion auf das gemeinsame Gruppenziel im Fokus.
Positive Zusammenhänge zwischen Kohäsion und Leistung zeigen sich in Mannschaften, die gemeinsam ein hohes Maß an wechselseitigen Interaktionen aufweisen (Landers, 1982). Beispielsweise betrifft dies Teamsportarten wie Fussball, Basketball oder Handball. Während es Sportler gibt, die davon profitieren, wenn sie untereinander gut kooperieren und einen hohen Kohäsionswert aufzeigen, so gibt es auch Sportler, die herausragende Leistungen abrufen, wenn sie miteinander konkurrieren.
Ein fortlaufender Prozess
Unter Berücksichtigung der Kohäsion ist die „Teambildung“ ein fortlaufender Prozess im Mannschaftsgefüge und kommt nicht zum Stillstand. Wichtig: Teambuilding hat nur einen kurzzeitigen Nutzen, wenn es lediglich im Rahmen der Saisonvorbereitung aktiv bespielt wird.
Einen hervorragenden Überblick zum Thema bietet das Modell von Bruce Tuckman. Dieses nutze ich als Grundlage, um in den folgenden Texten mögliche Interventionsmöglichkeiten für den Trainer- und Spieleralltag abzuleiten. Der US-Psychologe Bruce Tuckman gibt vor, dass die Entwicklung einer Gruppe von Einzelsportlern zu einem Team in vier verschiedenen Stufen verläuft (Tuckman. B., Developmental Sequence in small Groups. In Psychological, Bulletin 63., 1965):
1. Forming – Kennenlernphase
In dieser Phase kommen die verschiedenen Teammitglieder anfänglich in Kontakt. Sie lernen sich untereinander kennen und bilden im Gespräch über private und sportliche Themen erste Sympathien und Antipathien. Ebenso werden erste Kontakte zu den Trainern und zum erweiterten Staff geknüpft. In dieser Phase sind die Regeln und Normen der Mannschaft noch nicht definiert. Ebenso besteht noch kein gemeinsames Ziel für das Team. In dieser Anfangsphase ist der Trainer, im Kontext von Mannschaftssport, äußerst wichtig. Hilfreich ist eine orientierungsgebende Kommunikation, die bestehende Erwartungen kommuniziert. Gespräche mit der Mannschaft und dem Team unterstützen dabei eine einheitliche Norm und helfen, eine hohe Motivation zu entwickeln, damit ein Zusammengehörigkeitsgefühl entstehen kann. Im Idealfall entsteht in dieser Phase das Teamziel, das es gemeinsam zu erreichen gilt.
Diese „Kennenlernphase” ist grundlegend und prozessleitend. In dieser Zeit ist in der Regel die Neugier Einzelner hoch und der Mensch offen für orientierungsgebende Rahmenbedingungen.
insbesondere am Anfang eines Teambuildinglprozesses kann auch die Rolle des Sportpsychologen/Sport-Mentaltrainers noch am schnellsten positiv und mit einer “Komm- und Gehstruktur” besetzt werden. Das mentale Training kann zu Beginn ein wertvoller Baustein sein, der dazu verhelfen kann, ein sinnstiftendes und mit hoher Motivation besetztes Teamziel zu erzeugen.
2. Storming – Konfliktphase
Aufgrund der verschiedenen Persönlichkeiten und Herangehensweisen der Einzelnen im Team kann es in der zweiten Phase zu einigen Konflikten untereinander kommen. Die zweite Phase im Teamentwicklungsprozess ist eine entscheidende, da sie maßgeblich dazu beiträgt, dass die einzelnen Spieler ihre Rolle im Team erkennen und sie, im Sinne des Mannschaftserfolgs, akzeptieren. Die Bedürfnisse eines jeden Einzelnen sind hier noch handlungsleitend und führen zu unterschiedlichen Auseinandersetzungen, welche Aufschlüsse über die Hierarchie geben. Das Konkurrieren um Plätze und Rollen ist hier noch zentral, was sich in Widerständen gegen Trainer, Spieler und Umsetzungen zeigen kann.
Der Trainer achtet hier insbesondere auf eine offene Kommunikation und stellt die erkannten Stärken und Schwächen als Profil zur Verfügung. Das Feedback und die Orientierung verhelfen zu einem respektvollen Umgang.
Die Erkenntnisse, dass die Unterschiedlichkeit innerhalb des Teams und das Vorhandensein von vielen verschiedenen Stärken,verhelfen zum Übergang in die dritte Phase.
Übrigens kann auch in Phase zwei der Sportspychologe/Sport-Mentaltrainer “besonders intensiv gefordert” sein, um den Trainer dabei zu unterstützen, ein Teamgefüge zu entwickeln, dass sich gegenseitig fordert und fördert. Der eigene konstruktive Umgang in den „stürmischen” Phasen mit Konflikten kann auch den Sportlern dazu verhelfen, untereinander Lösungen für die eventuellen Rollenkonflikte zu finden. In Zusammenarbeit mit den Spielern gilt ebenso, dass der Sportspychologe/Sport-Mentaltrainer dabei helfen kann, eigene Zielvorstellungen mit denen der Mitspieler in Einklang zu bringen.
Immens unterstützend kann in dieser Phase der Sportspychologe/Sport-Mentaltrainer, in Zusammenarbeit mit dem Trainer, sein, um dazu zu verhelfen nicht zu eilig das “Storming” als beendet zu erklären, wozu Teams und Verantwortliche, aus beispielweise harmonisierenden oder Konfliktvermeidenden Gründen, häufig neigen.
3. Norming – Festigungsphase
Die dritte Phase zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass das formulierte Mannschaftsziel über den persönlichen Zielen eines jeden Einzelnen steht. In dieser Phase respektieren und akzeptieren sich die Einzelnen in ihrer Unterschiedlichkeit. Die unterschiedlichen Rollen sind gefestigt und eindeutig markiert, womit das Team kooperativ agieren kann und einen hohen Zusammenhalt entwickelt.
4. Performing – Leistungsphase
Das Vertrauen zueinander und das “Wir-Gefühl” ist hier besonders stark ausgeprägt und verhilft zur Zielerreichung als gemeinsam empfundenes Team. In dieser Phase ist das Leistungsniveau hoch und die Teamprozesse sind optimal eingestellt. Damit diese Phase längere Zeit bestand hat kann der Trainer bei jedem Spieler ein Gefühl erzeugen, das ihm, unabhängig von der Rolle im Team, Bedeutsamkeit für den Gesamterfolg vermittelt. Das zu Anfang vorherrschende Konkurrenzdenken ist nach außen gerichtet und die grundlegende Motivation zur Teamzielerreichung kommt bei jedem von innen (intrinsische Motivation).
In Phase vier kann die Zusammenarbeit mit dem Sportspychologen/Sport-Mentaltrainer sehr intensiv stattfinden, da es äußerst herausfordernd ist, den optimalen Leistungszustand aufrecht zu erhalten. Sprich das gemeinsame Ziel im Fokus zu behalten und die kooperierende Haltung im Team immer wieder positiv zu konnotieren. Ebenso das Spannungsfeld zwischen Leistungsdruck und Erholung so zu begleiten, dass ein ausgewogener zieldienlicher Erregungszustand entsteht.
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