Bis in die letzten Stunden ging es auch in dieser Transferperiode hoch her. Fleißig wurden Kicker von A über B nach C transferiert. Der seit Jahren überhitzte Markt folgt dabei einer eigenen Logik aus Angebot und Nachfrage – aber auch aus Größenwahn, Eitelkeit und dem Prinzip Hoffnung. Noch immer gilt dabei mancherorts die Devise, dass es gar nicht genug an großen Namen, überbordendem Talent und sportlichem Glamour geben kann. Dabei kommt es doch vornehmlich auf die richtige Kaderzusammenstellung an – oder etwa nicht?
Zum Thema: Zauber der Kaderzusammenstellung im Teamsport
Wie wichtig die ideale Zusammensetzung einer Sportmannschaft im Vergleich zur individuellen Klasse von Einzelspielern ist, konnten französische Wissenschaftler feststellen. Die Forschungsgruppe um Swaab et al (2014) haben ein relativ neues Phänomen untersucht, den sogenannten too-much-talent-effect. Dieser Effekt besagt, dass die Gesamtleistung einer Gruppe nachlässt, wenn in der Gruppe zu viele Personen mit sehr hohen Fähigkeiten versammelt sind. Belege für diesen Effekt fand die Forschungsgruppe in mehreren Untersuchungen. In einer davon ermittelten sie zunächst den Anteil der Spieler in allen WM-Mannschaften von 2010 und 2014, die bei Top-Vereinen spielen oder für das FIFA-All Star Team 2010 ausgewählt wurden. Im Anschluss ermittelten sie anhand von FIFA-Daten, wie die verschiedenen Nationen in den Qualifikationsphasen vor beiden Weltmeisterschaften abschnitten.
Das Ergebnis: Passend zu der gängigen Annahme “je mehr, desto besser“, spiegelte das Abschneiden der Mannschaften tatsächlich den Anteil der Superstars in ihren Reihen wieder – aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Lag der Anteil der Topspieler in einer Mannschaft über 60%, sank die Teamleistung wieder ab.
Hierarchie als eine Erklärung
Als Beispiele werden die Nationalmannschaften von Frankreich bei der WM 2010 und die spanische Truppe der 2014er Turniers genannt, welche beide nach der Vorrunde ausgeschieden sind und die Heimreise antreten mussten. Nach Ansicht der Forschergruppe kann dies damit erklärt werden, dass in Gruppen, in denen die Hierarchie vor allem in den hochrangigen Bereichen nicht eindeutig geklärt ist, viel Energie auf Dominanzkämpfe verwendet wird, welche schlussendlich dann für die Gruppenleistung fehlt. Unter Umständen würden Gruppenmitglieder sich gegenseitig nicht unterstützen oder sogar behindern, um sich selbst Vorteile in der Hierarchie zu verschaffen (vgl. Oehlert/Zepp).
Interessanterweise tritt der Effekt jedoch nicht in Sportarten auf, in denen die Interaktion der Gruppenmitglieder untereinander während des Wettkampfes geringer ist. In der MLB (Amerikanische Baseball Liga) wurde ein linearer Effekt des Talents auf die Teamleistung gefunden. Bedeutet also im Klartext, dass die Mannschaften mit den besten Spielern demnach auch die besten Resultate hatten. Aufgrund fehlender Interaktionen können sich die Spieler scheinbar nicht in ihren Aktionen behindern.
Fazit
Diese Untersuchung zeigt also: Es kann auch zu viel des Guten, im vorliegenden Fall Talent, geben. Die Trainer der Nationalteams aber auch die Club-Manager dieser Welt sind also gut darin beraten, bei der Auswahl ihres Kaders nicht nur auf jeweilige Topspieler zu setzen, sondern auch ruhig Underdogs eine Chance geben. Die Sportpsychologie kann für die Praxis dabei wichtige Impulse geben – und die sportpsychologische Forschung findet in dem Bereich noch zahlreiche Ansatzpunkte, weiter in die Tiefe zu gehen.
Literatur:
Swaab, R. I., Schaerer, M., Anicich, E. M., Ronay, R., & Galinsky, A. D. (2014). The too-much-talent effect. Team interdependence determines when more talent is too much or not enough. Psychological Science, 25(8), 1581–1591.
Ohlert, J., Zepp, C. (2020) Gruppenleistungen im Sport. In: Sportpsychologie. Grundlagen und Anwendung. Schüler, J., Wegner, M., Plessner, H. (Hrsg.). Springer Verlag.
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