Wer hat in den vergangenen Monaten im Netz nicht das verheißungsvolle Format “Virtual Applied Sport Psychology Summit“ wahrgenommen? Aber was steckt dahinter? An wen richten sich die digitalen Events konkret? Und wie soll das Online-Angebot die angewandte Sportpsychologie und die Forschung auf neuen Wegen weiterbringen? Dies haben wir Dr. Christian Zepp gefragt, den Mann hinter der Buchstabenkombination VASPS und Macher des innovativen Digitalprojekts.
Dr. Christian Zepp, was gibt dein Eventformat “Virtual Applied Sport Psychology Summit” der Sportpsychologie, das bislang fehlte?
Ich bin der Überzeugung, dass mit dem Eventformat “Virtual Applied Sport Psychology Summit“ eine internationale, interaktive und gleichzeitig flexible Verknüpfung von Wissen und Erfahrungen von in der Sportpsychologie tätigen Personen erreicht werden kann. Der regelmäßige und auch internationale Austausch zwischen sportpsychologischen Expertinnen ist meiner Meinung nach notwendig, um die Qualität in der Arbeit für unsere Klient:innen so hoch wie möglich halten zu können. Dieser internationale Austausch ist aber meist nur auf Kongressen und Tagungen möglich, die sowohl zeit- als auch kostenintensiv sind, wenn man sich einmal An- und Abreise, Übernachtungen, Verpflegung und Tagungsgebühren anschaut. Da kommen für eine Teilnahme an der AASP Conference in den USA schnell 2.000 EUR zusammen – zusätzlich zum Zeitaufwand. Der Vorteil von virtuellen Angeboten ist, dass man von allen Orten auf der Welt daran teilnehmen kann und so örtlich und zeitlich flexibel bleibt – und auch einmal in einer freien Stunde einem aufgezeichneten Vortrag oder Workshop lauschen kann. Gleichzeitig ist aber ja auch klar, dass der persönliche Kontakt zwischen den Menschen (auf Tagungen und auch sonst) sehr wichtig ist – und dieser persönliche Austausch kann, wenn überhaupt, teils nur schwer in virtuellen Formaten erreicht werden.
Welche Potentiale verbindest du speziell mit dem Austausch zwischen ExpertInnen aus aller Welt?
Ich bin der Überzeugung, dass über eine starke internationale Vernetzung jede:r einzelne sportpsychologische Expert:in und Sportpsycholog:in für die eigene Tätigkeit profitiert, wodurch in Konsequenz die Klient:innen profitieren und sich die Sportpsychologie als Profession weiterentwickeln kann. Dies wird zwar selbstverständlich auch über die verschiedenen wissenschaftlichen Publikationen erreicht, aber meine Erfahrung ist mit VASPS dann doch in letzter Zeit geworden, dass vielen angewandt arbeitenden Kolleg:innen national wie international häufig die Zeit und Gelegenheit fehlt, entweder selber zu publizieren oder sich auch regelmäßig und intensiv mit den aktuellsten Publikationen zu beschäftigen. VASPS und VSP mit seinen verschiedenen Angeboten versucht diese Lücke dann als eine mögliche Brücke zu schließen.
Wie wird sich aus deiner Sicht die angewandte sportpsychologische Arbeit in den kommenden Jahren verändern und worauf sollten wir alle im Feld diesbezüglich achten?
Ich habe hierzu zwei Gedanken. Erstens denke ich, dass an vielen Stellen versucht werden wird, noch mehr Technologie und Apps in verschiedenen Formen zu nutzen. Insgesamt können diese neuen technologischen Angebote auch einigen Athlet:innen weiterhelfen. Gleichzeitig bin ich jedoch überzeugt, dass wir bei allem Fokus auf Technologie das Wichtigste in der Arbeit mit unseren Klient:innen nicht vergessen dürfen: den Menschen. Alle Technologie – und da schließe ich die verschiedenen VSP Angebote mit ein – funktioniert nicht, wenn der Kontakt und die Beziehung zum Menschen nicht vorhanden sind. Daher bin ich der Überzeugung, dass wir uns in der Profession gerade in der Ausbildung neuer angewandt arbeitenden Personen u.a. auch verstärkt auf die Vermittlung von inneren Haltungen in der Arbeit mit Menschen konzentrieren sollten. Der zweite Punkt bezieht sich unmittelbar auf die Zahl der in der angewandten Sportpsychologie arbeitenden Menschen: Die Zahl der Absolvent:innen verschiedener Ausbildungsstränge werden immer größer – gleichzeitig bleibt das Stellenangebot nahezu gleich. Ich habe die Befürchtung an einigen Stellen, dass das zu einer größeren Konkurrenz und vielleicht auch Missgunst zwischen den sportpsychologischen Expert:innen und Sportpsycholog:innen in Deutschland führt, oder zumindest führen kann. In diesem Klima werden dann Best oder Worst Practices, Workshoppläne oder andere Informationen nicht mehr geteilt, um selbst einen Vorteil den anderen gegenüber zu haben. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir nicht nur eine ethisch Verantwortung für die Athlet:innen, Trainer:innen sowie Vereine und Verbände, sondern auch für die Profession der Sportpsychologie haben. Dieser Verantwortung können wir aber meiner Meinung nach nur gerecht werden, wenn wir die Sportpsychologie gemeinsam weiterentwickeln und teilen was wir wissen und erlebt haben, damit andere davon profitieren und vielleicht nicht die gleichen Fehler machen wie wir. In Summe: es geht nur gemeinsam mit anderen Menschen für andere Menschen.
Link zur Homepage: https://www.virtualsportpsych.com
Bilder: Christian Zepp (c) Matthias Groppe, Christian Zepp (c) Corinna Cramer
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