Motivation ist bekanntlich unser Antrieb, unser Motor. Und damit zweifellos ein ganz wesentlicher Faktor, wenn es darum geht, Höchstleistungen zu erbringen und seine Ziele konsequent zu verfolgen. Kurz gesagt: Wenn die Motivation nicht da ist, geht’s nicht mehr weiter. Es kommt also nicht von ungefähr, dass die angewandte Sportpsychologie sowie das praktische Sport-Mentaltraining immer wieder um dieses Thema kreisen und es als eine ihrer Hauptaufgaben ansehen, bei Athleten motivationale Prozesse in Gang zu setzen. Allerdings sollte man es mit der Motivation nicht übertreiben. Oder besser die Bahnen kennen, in denen sie ihre ganze Kraft entfalten kann.
Zum Thema: Die wichtige Stellgröße Motivation im (Nachwuchs)Leistungssport
Wenn es darum geht, Athleten für ein Ziel zu begeistern und dieses mit Selbstvertrauen und Beharrlichkeit zu verfolgen, finden Sportpsychologen und Sport-Mentaltrainer in ihren „Werkzeugkästen“ meist eine große Auswahl an Instrumenten – ohne lange suchen zu müssen. Die Motivationsforschung bietet zahlreiche Techniken und Methoden, um die Leistungsmotivation zu aktivieren. Da ist die Rede von der SMART-Methode, vom WOOP-Prinzip, vom sensorischen, konkreten Vorstellen, vom inneren Dialog, von Stärken stärken und so weiter. Die Auswahl ist groß und die Techniken sind bewährt und erprobt. Einem Athleten neue Motivation einzuhauchen, ist für erfahrene Sportpsychologen und Sport-Mentaltrainer gewissermaßen Routine und führt in der Regel zu guten Ergebnissen.
Schwieriger ist es dagegen, Athleten Motivation zu nehmen, wenn diese zu stark ausgeprägt ist. Denn ein Übermaß an Motivation führt zu unnötigem Druck und Stress, Angst und Verkrampfung – und infolgedessen dann zu einer schlechten Leistung. Die sogenannte „zwanghafte Leidenschaft“ oder auch „obsessive Passion“ ist oft darin begründet, dass der Athlet seinen Sport über alles stellt, ihn zu seinem absoluten und einzigen Lebensinhalt macht, sich als Mensch nur über seine sportliche Leistung definiert und allein ohne sie nicht viel Wert zu sein glaubt – nach der einfachen Formel: Misserfolg im Sport = Misserfolg im Leben. Es erübrigt sich zu sagen, dass diese Geisteshaltung bei Sportlern immensen Druck auslöst, der unter anderem die Konzentrationsfähigkeit im Wettkampf stark beeinträchtigen kann. Denn alles dreht sich dann nur noch um das Mantra Ich darf nicht scheitern!
Übermotivation regulieren
Dass im hochbezahlten Profibereich (z.B. Profi-Fußball) der Sport einen existenziellen Stellenwert im Leben des Athleten einnimmt, ist nachvollziehbar. Wenn man es erst dahin geschafft hat, gibt es meistens nichts anderes mehr. Der Leistungsdruck (intrinsisch und extrinsisch) ist extrem hoch und für andere erfüllende Hobbies (leider auch für die Familie) bleibt kaum noch Zeit. Sport als „obsessive Passion“ ist hier also anders zu betrachten und zu bewerten als im Nachwuchsbereich. Obgleich auch die Top-Verdiener aus der Welt des Profisports gut beraten sind, sich immer wieder auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben zu besinnen, wie zum Beispiel Familie, Freundschaft, Liebe und Gesundheit.
Aber bleiben wir beim Nachwuchssport. Hier tritt aus meiner Erfahrung das Phänomen der störenden Übermotivation deutlich häufiger auf und verbaut vielen jungen Talenten den Weg in den Profibereich. Speziell im Nachwuchshochleistungssport haben viele der hochdotierten Talente keine anderen Hobbies und Interessen außer ihrem Sport – Profisportler zu werden, ist oft der einzige Berufswunsch, die einzige Perspektive. Einen Plan B gibt es nicht. Diese Sportler sehen sich gewissermaßen gezwungen, es in den Profibereich zu schaffen, weil sie sonst nichts anderes mit ihrem Leben anzufangen wissen. Der sportliche Erfolg wird zum Zwang, zur Obsession. Und Misserfolge und Niederlagen zur existenziellen Bedrohung. Unter diesem selbst auferlegten Druck Topleistung abzuliefern, ist schwierig. Mehr als unglücklich ist es auch, wenn ein junger Leistungssportler von Freunden und Familie nur als die vielversprechende Sportskanone, als der Profi von morgen wahrgenommen wird. Wenn Wertschätzung und Anerkennung nur über die sportliche Leistung erfolgen, wird der Sport identitätsstiftend und der sportliche Erfolg zum zentralen Indikator für den Wert als Mensch. Die „zwanghafte Leidenschaft“ bzw. „obsessive Passion“ ist geboren.
Motivation regulieren
Wie bei der Motivationssteigerung gibt es auch bei der Motivationsregulierung effektive sportpsychologische Maßnahmen, um den aus der Übermotivation resultierenden Stress zu reduzieren (Coping). Zum Coping gehören zum Beispiel „einfache“ Gespräche, in denen die Wichtigkeit der sportlichen Leistung auf ein gesundes Maß relativiert und das Selbstbewusstsein fernab des Sportplatzes gesteigert wird. Ergänzend dazu haben sich auch spezielle Meditations-, Hypnose- und Entspannungstechniken bewährt. Neben den mentalen Ansätzen sind auch präventive, instrumentale Ansätze nicht zu vernachlässigen. Dazu gehört, dass im Leben des Athleten auf ausreichend Ausgleich, Regeneration und Ablenkung geachtet wird. Hierbei sollten gegebenenfalls auch die Eltern miteinbezogen werden, die es mit der Unterstützung, Förderung, Lob und Anfeuerung oft zu gut meinen und so auf ihre Kinder unbewusst Druck ausüben. Seinem Kind neben dem Leistungssport noch andere Hobbies zuzugestehen, in ihm noch andere Potenziale zu erkennen und wertzuschätzen, ist sicherlich eine der wichtigsten Maßnahmen, um einer obsessiven Passion entgegenzuwirken. In Verbindung mit passablen schulischen Leistungen kristallisiert sich dann der berühmte Plan B meist von selbst heraus. Das „B“ steht hier für Booster. Denn erst, wenn ein Athlet weiß, dass er bei sportlichem Misserfolg nicht viel zu verlieren hat, ist er im Besitz der Konzentration, Leichtigkeit und Coolness, die nötig sind, um in entscheidenden Momenten Topleistung abzuliefern.
Das soll allerdings nicht heißen, dass der Plan B Voraussetzung für eine Profikarriere ist. Es gibt sicherlich auch Sportler, die sich besonders fokussieren und motivieren, gerade weil sie keinen Plan B haben. Und auch eine obsessive Passion muss nicht zwingend ein Fluch sein, vorausgesetzt, man schafft es, sich den selbst auferlegten Druck zum Freund zu machen. Halten wir fest: Nur wenn Motivation als Begeisterung verstanden wird, wirkt sie wie sie wirken soll: euphorisierend und stärkend.
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