Prof. Dr. René Paasch: Selbsthypnose lernen

Stress und die damit verbundenen dauerhaften Gedanken an Vergangenheit und Zukunft sind riesige Herausforderungen in unserer heutigen Gesellschaft. Dies kann sowohl emotionale als auch gesundheitliche Risiken mit sich führen. Manchmal landen wir so in der Mangel, dass wir den Eindruck bekommen, es gäbe kein Entkommen. Doch tatsächlich gibt es viele Wege, ihnen die Stirn zu bieten. Eine etwas ungewöhnliche, aber dennoch tolle Möglichkeit ist die Selbsthypnose. Klingt im ersten Moment vielleicht komisch, tut aber nicht weh und hilft auch!

Zum Thema: Selbsthypnose lernen und Stress reduzieren 

Selbsthypnose (auch “Autohypnose” genannt) kann eine sinnvolle Ergänzung zur begleitenden Hypnose sein. In einer guten Planung in der angewandten Sportpsychologie sind in der Regel unterschiedliche Techniken integriert; sich selbst in Trance zu versetzen kann eine davon sein, ist aber nicht für alle geeignet. Sie hat nichts mit dem berühmt-berüchtigten Pendel auf den Show-Bühnen dieser Welt zu tun. Wer genau hinsieht, kann Hypnose in ganz banalen Kleinigkeiten entdecken und auch leicht in seinen Alltag integrieren. 

Hypnose bedeutet nämlich nichts anderes, als sich vollkommen auf eine Sache zu konzentrieren und sein Unterbewusstsein in eine bestimmte Richtung zu lenken. Auf diese Art kann man sich z.B. durch Lachen, eine positive Denkweise, mit der Macht von Worten, Körperhaltung und -sprache oder Meditation selbst hypnotisieren. Die meisten Hypnosetechniken können Sie ganz allein zu Hause anwenden. 

Umgang mit dem Stress lernen

Immer mehr Menschen fühlen sich im Alltag zunehmend gestresst. Als Kind durften wir noch trödeln und das Leben genießen. Wir hatten noch Zeit für die kleinen Dinge des Lebens. Im Leistungssport und im Berufsleben werden wir dann zu Leistungsmaschinen und Hochgeschwindigkeitszügen umgerüstet, die von einem Termin/Wettkampf zum nächsten rasen. Wir haben kaum noch Zeit für den Augenblick, sondern arbeiten nur noch gehetzt Verpflichtungen ab. Das hat auch etwas mit dem straffen Plan der Sport- und Arbeitswelt zu tun. Zu Beginn der menschlichen Stammesgeschichte gab es noch keine Zeitmesser. Wir folgten unserer inneren Uhr, dem biologischen Rhythmus. Kein Wunder, dass wir mit Zeitdruck nicht gut klarkommen. Wir sind schlicht und ergreifend nicht dafür gemacht. Darüber hinaus macht Stress uns sogar krank. Das liegt unter anderem daran, dass wir Stress heute nicht mehr so abbauen können wie unsere Vorfahren. Genetisch betrachtet leben wir tatsächlich noch immer in der Steinzeit, und da war Stress noch eine sinnvolle Reaktion des Körpers, die oft über Leben und Tod entschied. Wenn unsere Vorfahren Stress hatten, dann mussten sie entweder wegrennen oder kämpfen – „Fight-or-Flight-Response“. Die körperliche Bewegung sorgte gleichzeitig dafür, dass die Stressreaktion abklang, indem das Level an Stresshormonen wieder sank. Sinnvoller Stress kommt, geht aber auch wieder vorbei. Wir müssen den Stress einfach aushalten. Doch ohne die Bewegung erhält der Körper nicht mehr das Signal, die Stressreaktion zu beenden. Darum dauert der Stresszustand über längere Zeit an und wird im schlimmsten Fall sogar chronisch, und zwar mit verheerenden Auswirkungen. So begünstigt Dauerstress bspw. Übergewicht und schwächt das Immunsystem. 

Mehr zum Thema Stress und den Umgang damit lernen, finden Sie hier: https://sportaerztezeitung.com/rubriken/psychologie/11256/mentale-gesundheit/ 

Lachen als Schlüssel?

Eine sinnvolle Methode, um unnötigen Stress abzubauen, ist Lachen! Es durchbricht sofort Ihre negativen Emotionen. Dieser Effekt ist wissenschaftlich erwiesen (Coles, 2019). Der Fachterminus dafür lautet Facial Feedback und bedeutet, dass unser Gesichtsausdruck unsere Emotionen nicht nur widerspiegelt, sondern gleichzeitig auch beeinflusst. Wenn Sie lachen, schüttet Ihr Körper den Neurotransmitter Serotonin aus. Der macht Sie zufriedener und unterdrückt darüber hinaus auch noch Stress. Lachen ist somit eine wirksame Methode, die mittlerweile im Blickpunkt der Wissenschaft steht (Stiwi, Rosendahl, 2022 & Mario et al.,2010).

Bleiben wir noch ein wenig beim Lachen und der Gelotologie. Denn je mehr die Lachforschung über ihr Fachgebiet herausfand, umso offensichtlicher wurden die Gemeinsamkeiten zwischen Lachen und Hypnose. So kann man das Lachen nämlich als eine Art Selbsthypnose betrachten – und als solche für sich nutzen. Hypnose bedeutet, in Trance zu sein. In Trance sind Sie hundertprozentig auf eine einzige Sache fokussiert. Lachen funktioniert nach exakt demselben Prinzip. Glauben Sie nicht? Dann versuch doch mal, während eines Lachanfalls an irgendetwas anderes zu denken als das, was Sie gerade belustigt. Wenn wir herzhaft lachen, sind Sie für den Augenblick all Ihren Sorgen verflogen. Kopf und Körper befinden sich vollkommen im Hier und Jetzt. Ganz ähnlich wird es Ihnen auch nach einer gelungenen Hypnose gehen. Ein weiterer Bestandteil der Hypnose ist die Suggestion. In Trance sind Sie dafür besonders offen, z.B. wenn Sie sich selbst suggerieren, dass Sie von nun an gelassen in die bevorstehenden Wettkämpfe gehen werden. Wenn Sie sich durch das Lachen selbst in einen Trancezustand versetzen, ist währenddessen auch Ihr Unterbewusstsein empfänglicher für Botschaften und wird diese ganz automatisch viel eher annehmen als in Nicht-Trancezuständen. Viele Menschen sind der Hypnose gegenüber skeptisch eingestellt. Dabei funktioniert sie wirklich – allerdings nur, wenn Sie offen und zielgerichtet daran arbeiten. 

Eine weitere klassische Selbsthypnose-Technik ist die Elman-Induktion. Sie geht zurück auf den US-amerikanischen Hypnotiseur Dave Elman. Die Elman-Induktion lässt sich schnell erlernen und ist kinderleicht. Näheres dazu finden Sie hier: https://www.dave-elman-hypnose.ch/dave-elman-induktion/

Körperhaltung und -sprache 

Erinnern Sie sich mal daran, wie Sie sich gefühlt haben, nachdem Sie eine großartige Wettkampfleistung abrufen konnten oder andere besondere Ereignisse in Ihrem Leben gemeistert hatten. Sicher waren Sie erleichtert, zufrieden und glücklich. Wäre doch toll, wenn man dieses Gefühl reproduzieren könnte, oder? Die gute Nachricht ist: Man kann es tatsächlich, und zwar deshalb, weil unsere Körperhaltung auch unsere Geisteshaltung beeinflusst. In ähnlicher Weise, wie wir durch Lachen unsere Emotionen beeinflussen können, geht das auch mittels unserer Körperhaltung. Wenn Sie zum Beispiel ganz aufrecht, mit geradem Rücken den Wettkampfort betreten, werden Sie sich anders fühlen, als wenn Sie das Gleiche in gebückter Haltung tun. Denn wer sich Raum nimmt, traut sich mehr zu und ist damit auch erfolgreicher. Eine gute Möglichkeit, den Geist durch unsere Körpersprache zu beeinflussen, ist die Jubelpose (Körner et al., 2022). Dabei reißen Sie die Arme in die Höhe und freuen sich ausgelassen. Die Aussage dieser Haltung lässt sich wie folgt zusammenfassen: „Hier bin ich, es geht mir gut, ich nehme mir Platz!“ 

Eine kurze Selbsthypnose mit Hilfe einer Jubelpose wird nicht nur Ihre Laune heben, sie kann sogar eine ganze Spirale positiver Erlebnisse in Gang setzen. 

Positive Denkweise

Doch nicht nur über den Körper, auch über unsere Gedanken können wir einen positiven Feedbackverlauf starten. Wenn Sie gestresst sind, sehen Sie überall Probleme. Tatsächlich führt bereits leichter Stress dazu, dass unser Gehirn in einer Schleife von Problemen verfällt, in dem wir weit und breit nur Hindernisse anstelle von Möglichkeiten erkennen. Gerade jetzt ist es an der Zeit, in einen anderen Denkmodus zu schalten. Dieser Modus ist ein Teil unseres analytisch-planerischen Denkens. Bei dieser Denkweise bewegen wir uns ständig zwischen der Analyse vergangener Ereignisse und der Zukunftsplanung. Aber oft verrennen wir uns in diesem Denkmodus in Grübeleien, anstatt wirklich zu handeln. Wir denken dann zum Beispiel immer und immer wieder darüber nach, was wir alles falsch gemacht haben. Das erzeugt Dauerstress, und der ist bekanntlich gar nicht gut. 

In solchen Fällen sollten Sie sich bewusst machen, was gerade mit Ihren Gedanken passiert, Ihr zwanghaftes Grübeln willentlich unterbrechen und sich stattdessen auf Ihre Intuition verlassen. Der Gegenpol zum analytisch-planerischen Denken ist nämlich das intuitive Denken. Dabei handelt es sich um einen Zustand entspannter Wachheit, in dem Sie vollkommen auf Ihre gegenwärtige Tätigkeit konzentriert sind, also ganz ähnlich wie bei der Hypnose. 

Die Macht der Worte 

Mit bekannten Wörtern können Sie sich auch selbst hypnotisieren, denn sie wecken Erinnerungen und rufen bestimmte Assoziationen in Ihnen hervor. Das können Sie nutzen, um sich gezielt in eine andere Stimmung zu versetzen. Wenn Sie sich beispielsweise unwohl fühlen, dann denken Sie doch einmal intensiv an das Wort „Familienfeier“. Allein das Wort wird Sie wahrscheinlich innerlich mit Stärke, Vertrauen, Liebe und Geborgenheit erfüllen. Oder konzentrieren Sie sich zwei Minuten lang auf das Wort „Jetzt“. Stellen Sie sich vor, wie Sie im Moment leben und die Vergangenheit und Zukunft einfach gedanklich an Ihnen vorbeizieht. Doch was ist daran Selbsthypnose? 

Durch die Konzentration auf ein bestimmtes Wort versetzen Sie sich in Trance. Das tun Sie, indem Sie Ihr inneres in eine bestimmte Richtung lenken. Worte wirken darüber hinaus ähnlich wie ein stiller Kompass, denn an was wir glauben, bestimmt, was wir Außen wahrnehmen. Weitere Anregungen finden Sie hier: 

Fazit

Es gibt zahllose kleine und größere Selbsthypnose-Techniken für Ihren Alltag, die leicht zu erlernen sind und mit denen Sie im Sport und Beruf gesünder und nachhaltiger werden können. Meine Kollegen (zur Übersicht) und ich (zum Profil von Prof. Dr. René Paasch) helfen Ihnen gern weiter. 

Mehr zum Thema:

Literatur 

Coles, Nicholas (2019). The Many Smiles Collaboration: A Multi-Lab Foundational Test of the Facial Feedback Hypothesis. Nature Human Behaviour

Strack, F, Martin, L. L & Stepper, S. (1988): Inhibiting and Facilitating Conditions of the Human Smile: A Nonobtrusive Test of the Facial Feedback Hypothesis. Journal of Personality an Social Psychology, 54, 768-777. 

Körner, R., Röseler, L., Schütz, A., & Bushman, B. J. (2022). Dominance and prestige: Meta-analytic review of experimentally induced body position effects on behavioral, self-report, and physiological dependent variables. Psychological Bulletin, 148(1-2), 67–85. Studie lesen: https://doi.org/10.1037/bul0000356

Stiwi, K., Rosendahl, J. (2022): Efficacy of laughter-inducing interventions in patients with somatic or mental health problems: A systematic review and meta-analysis of randomized-controlled trials, Complement Ther Clin Pract. 2022 May; 47:101552. doi: 10.1016/j.ctcp.2022.101552. 

Mario et al. (2010): Stress-moderating effects of positive emotions exposure to humorous movies during hemodialytic sessions decreases blood levels of stress hormones. Journal of Chinese Clinical Medicine, 5(2):61-70.

Views: 264

Prof. Dr. René Paasch
Prof. Dr. René Paaschhttp://www.die-sportpsychologen.de/rene-paasch/

Sportarten: Fußball, Segeln, Schwimmen, Handball, Volleyball, Hockey, Eishockey, Tennis

Gelsenkirchen, Deutschland

+49 (0)177 465 84 19

E-Mail-Anfrage an r.paasch@die-sportpsychologen.de