„Ich bin halt, wie ich bin“, hat neulich ein erfahrener Trainer zu mir gesagt. Über viele Generationen hat sich diese Denkweise zum Teil verfestigt. Aber gelten heutzutage nicht schon ganz andere Anforderungen? Sind nicht längst flexible Coaches gefragt, die ihre Komfortzone verlassen, reflektiert und werteorientiert führen können? Aber was heißt das konkret? Aus meiner Sicht werden Trainer und Trainerinnen mit zusätzlichen Aufgaben konfrontiert. Es geht nicht zuletzt darum, die eigenen Vorstellungen und Handlungsweisen zu hinterfragen und zu verstehen. Ein Schlüssel liegt dafür im konstruktiven Denken. Im Teil 2 der Miniserie zu den Trainerpersönlichkeiten widmen wir uns daher der Selbstwahrnehmung, dem Plan B sowie dem Blick über den Tellerrand.
Zum Thema: Trainerpersönlichkeiten entwickeln
Wenn Sie Ihre Stärken, Schwächen und Werte kennen, sind Sie einigen Trainern*innen bereits voraus. Dennoch ist die Persönlichkeitsentwicklung ein ernstzunehmender und lebenslanger Prozess. Darum benötigen Sie eine verlässliche Größe, um Ihre Selbstwahrnehmung zu schulen und Ihr Selbstbild immer wieder mit der Wirklichkeit abzugleichen. Hierfür möchte ich Ihnen folgende Handreichungen anbieten:
Die erste Anregung ist sich regelmäßig Rückmeldungen von Außen einzuholen. Finden Sie heraus, was andere über Sie denken. Ein Mentor eignet sich dafür hervorragend. Näheres zum Mentoring finden Sie hier:
Bei der zweiten Anregung geht es um Ihre Selbsteinschätzung mithilfe der individuellen Feedbackschleife. Sie geben sich selbst ein schriftliches Feedback: ob als Tagebuch oder To-do-Liste. Die Intervalle können Sie selbst wählen. Wichtig ist nur, dass Sie es regelmäßig tun. Sinnvoll sind natürlich kürzere, gut überschaubare und wiederkehrende Zeiten, also etwa ein allabendlicher Tagesrückblick oder das regelmäßige Gespräch mit einer vertrauten Person. Sinn der Übung ist es, Ihre Fähigkeit zu schulen, sich selbst einzuschätzen und langfristig bessere Entscheidungen zu treffen. Dazu sollten Sie nicht nur aufschreiben was Sie vorhaben, sondern auch analysieren, wo es nicht planmäßig gelaufen ist und warum. Fehler macht jeder, aber erst wenn Sie Ihre Fehler analysieren, wird daraus eine wertvolle Lektion. Näheres zu einer positiven Fehlerkultur finden Sie hier:
- https://www.die-sportpsychologen.de/2018/08/dr-rene-paasch-fehleranalyse-im-profifussball-und-unternehmen/
- https://www.die-sportpsychologen.de/2017/11/dr-rene-paasch-joachim-loews-neue-fehlerkultur-wie-fehler-positive-wirkung-entfalten-koennen/
Die dritte Anregung ist die Einschätzung Ihrer Persönlichkeit und Ihres Potenzials. Dazu sollten Sie sich regelmäßige testen oder begleiten lassen, zum Beispiel in Form von Persönlichkeitstests oder in fachkundiger Begleitung. Es ist sinnvoll, dies regelmäßig zu tun. Sei es über frei zugängliche Tests im Internet oder im Rahmen einer psychologischen Betreuung. Die Ergebnisse helfen Ihnen, Ihr Selbstbild zu vertiefen.
Kommen wir zur vierten Anregung, um Ihre Selbstwahrnehmung zu trainieren: Nehmen Sie sich Zeit für Stille. In Ihrem Gehirn poltern unentwegt Gedanken – ich nenne es auch gerne „Gedankenkarussell“. Wenn Sie nicht irgendwann geistig ausbrennen wollen, brauchen Sie eine Gegenwelt oder einen angenehmen Ausgleich. Zeit in der Ihr Gehirn Pause hat und sich regenerieren kann. Einen solchen Ausgleich können Sport und Meditation bieten. Weiteres dazu finden Sie hier:
Plan B und über den Tellerrand hinaus
Als Trainer*in sollten Sie ehrgeizig und zielorientiert sein und sich immer voll reinhängen. Das heißt aber nicht, dass Sie blind für Alternativen sein sollen. Wer sich völlig in einer einzigen Karrierestrategie verbeißt, wird unflexibel. Und das kann mitunter genauso fatal sein wie mangelnde Zielstrebigkeit. Darum hier ein paar Empfehlungen, wie Sie flexibel bleiben. Halten Sie sich Möglichkeiten offen! Auch wenn sich das für den ein oder anderen Trainer bzw. Trainerin zunächst befremdlich anhört, aber eine Trainerkarriere ist keine Einbahnstraße. Die Welt ist voller Möglichkeiten, wichtig ist sich diese frühzeitig bewusst zu machen. Am besten dann, wenn eigentlich gerade alles gut läuft. Sollte dann der Tag kommen an dem es Zeit ist zu gehen oder Veränderungen anstehen, müssen Sie nicht in Panik verfallen, sondern können sich gelassen Ihrer nächsten Etappe widmen. Diese Herangehensweise macht Sie innerlich freier. Die Zeiten, in denen man seinen Beruf auf Lebenszeit gewählt und dann stur bis zum Ende durchgezogen hat, sind ohnehin mehr oder weniger vorbei. Heute denken wir eher in Lebensphasen.
Tipps für die Praxis
Nehmen Sie sich doch gleich mal Zettel und Stift zur Hand und schreiben auf, welche Alternativen zu Ihrem derzeitigen Karriereweg Ihnen spontan einfallen. Egal wie abwegig oder verrückt es zunächst klingt. Vielleicht schlummert in Ihrem Hinterkopf schon lange eine großartige Idee oder unerfüllte Wünsche?
Des Weiteren sollten Sie sich möglichst breit aufstellen und sich stetig weiterbilden! Ein ganz spezieller bunter Mix an Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmalen sind heute mehr denn je gefragt. Genauso wie das Netzwerken mit verschiedenen Personengruppen. Ein gut gepflegtes und breites Netzwerk an Menschen, die Sie weiterbringen und Ihnen Türen öffnen, ist sehr wichtig.
Weitere Persönlichkeitseigenschaften finden Sie hier:
Fazit
Die Entwicklung von Trainer*innen ist im Grunde ein Kontinuum von kindlichem Entdecker- und Forschertum sowie kreativem Zeitgeist, der eine regelmäßige bewusste Selbstwahrnehmung und Entwicklungsstufen voraussetzt.
Literatur
Bartholomew, B. (2018). Die Kunst, ein guter Trainer zu sein: Wie man mit Klienten kommuniziert, um das Beste aus ihnen herauszuholen. Riva Verlag.
Coulter, T. J., Mallett, C. J., Singer, J. A., & Gucciardi, D. F. (2016). Personality in sport and exercise psychology: Integrating a whole person perspective. International Journal of Sport and Exercise Psychology, 14(1), 23-41.
Mallett, C. J., & Lara-Bercial, S. (2016). Serial winning coaches: people, vision, and environment. In Sport and Exercise Psychology Research (pp. 289-322). Academic Press
Vazire, S. (2010). Who knows what about a person? The Self-Other Knowledge Asymmetry (SOKA) model. Journal of Personality and Social Psychology, 28, 281-300.
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