Ein breites Grinsen, cool tänzelnd, ein kleiner Kampfschrei. Dann schliesst Chloe Kim für ein paar Sekunden die Augen und startet ihren ersten Run im olympischen Finale der Snowboarderinnen. Der Rest: episch. ZDF-Kommentator Jan Wiecken meint zu ihrem Lauf: “Haut die einen raus!” 94 Punkte bekommt die 21 Jahre junge Amerikanerin für ihren ersten Run, was nichts anderes als die Goldmedaille bedeutet. Kein Wunder, schließlich hat Kim seit ihrem Olympiasieg 2018 jeden einzelnen ihrer Wettkämpfe in der Halfpipe gewonnen. Jeden! Und so tritt sie auch auf. Sie spielt mit der Konkurrenz, während jeder Wimpernschlag von den anderen Sportlerinnen beobachtet wird. Und wie sie das macht, nicht brachial dominant, sondern ungemein lässig, entspannt und doch irgendwie erhaben. Ein Rolemodel für die Körpersprache – mit unerwarteten Vorbildern aus dem Tierreich?
Zum Thema: Körpersprache im Wintersport
Du kennst sicherlich den Begriff der „Hackordnung“. Dieses Wort wird gerne in dem Zusammenhang verwendet, wenn es um Hierarchien und Machtverhältnisse geht. Ist dir aber auch dessen Ursprung bekannt? Das Konzept geht zurück auf den norwegischen Zoologen Thorleif Schielderup-Ebbe (1935), der in den 1920er-Jahren das Verhalten gewöhnlicher Hühner erforschte. Und tatsächlich: Unter diesen Vögeln herrschte eine klare Rangordnung. An der Spitze standen die körperlich stärksten und gesündesten Tieren. Sie waren bei der Fütterung stets die Ersten, die sich die größten und besten Körner wegpickten. Am unteren Ende standen die schwachen Hühner, welche sich mit den Resten von Krümeln begnügen mussten. Solche Hierarchien finden sich nicht nur unter Hühner, sondern vielerorts im Tierreich. Eines der besten Beispiele dafür sind Hummer. Egal, ob sie im Meer oder in Gefangenschaft aufwachsen – Hummer kämpfen stets mit Scheren und Krusten um den sichersten Unterschlupf. Forscher fanden sogar heraus, dass sich diese Auseinandersetzungen je nach Ausgang auf die Neurochemie der Tiere auswirken. Die Gewinner produzieren deutlich mehr Serotonin als Octopamin. Bei den Verlieren war dieses Verhältnis umgekehrt.
Und jetzt kommt das spannenden an dieser Geschichte. Die Pegel dieser Botenstoffe können sich auf die Körperhaltung der Tiere auswirken. Mehr Serotonin führt zu agilen und aufrechten Gewinner-Hummern, während sich die Octopamin-reichen Verlierer zurückziehen und klein machen. Dieser Unterschied beeinflusst dann zukünftige Konflikte, weil die aufrechten Hummer größer und gefährlicher wirken, sodann die ohnehin steifen Angsthummer noch früher kapitulieren (vgl. Peterson, 2018).
„Sei wie die Hummer. Steh aufrecht und mach die Schultern breit!“
Solche Dynamiken gibt es natürlich auch bei uns Menschen und lässt sich sehr deutlich in Stressstituationen wie beispielsweise Wettkämpfen beobachten. Menschen mit Sieges- oder Glückssträhnen treten oft buchstäblich mit breiter Brust auf. Und diese stolze, selbstsichere Körpersprache verbessert ihre Erfolgschancen zusätzlich. Denn genau wie die Hummer messen auch wir Menschen uns ständig, in welchem Verhältnis wir zu unseren Artgenossen stehen. Und wir neigen dazu, von der Körpersprache anderer Menschen auf vorteilhafte Eigenschaften wie Intelligenz zu schließen.
„Sei wie die Hummer. Steh aufrecht und mach die Schultern breit!“ So lautet das Motto, was ich euch mit auf den Weg zu euren nächsten Wettkämpfen geben will. Insbesondere dann, wenn du einen Schub für dein Selbstvertrauen brauchst. Denk an die Hummer! Tritt wie ein Gewinner auf! Die selbstsichere Körperhaltung verschafft dir wichtige Vorteile. Statt die Schultern hängen zu lassen, können wir eine stolzgeschwellte Brust zeigen; statt Mundwinkel hängen zu lassen, können wir ein Lachen ins Gesicht bringen. Damit wird es möglich, effektiv unsere eigene Motivations- und Emotionslage zu beeinflussen (Beckmann/Elbe 2008). Unsere Körperzustände können wir teilweise bewusst kontrollieren. Man sollte sich daher stets bewusst sein, welche Körpersignale in den entsprechenden Leistungssituationen (bei Erfolg als auch bei Misserfolg) ausgesendet werden. Außerdem wird im Gehirn der Weg zum Abruf unserer Stärken gebahnt und damit das Selbstbewusstsein gestärkt. Und es gibt noch einen weiteren Vorteil: Wir zeigen unserem Gegner nicht Unsicherheit, sondern Selbstbewusstsein und Stärke, was den Kontrahenten möglicherweise aus dem Konzept bringt.
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Literatur:
Beckmann, J./Elbe, A.:
Peterson, J.B.: 12 Rules For Life: Ordnung und Struktur in einer chaotischen Welt. Goldmann Verlag; Deutsche Erstausgabe Edition (29. Oktober 2018)
Schjelderup-Ebbe, T. (1935). Social behavior of birds. In A Handbook of Social Psychology (pp. 947–972). Clark University Press.
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