Aufwühlend, ultra-schnell und hart umkämpft! Die Olympia-Abfahrt der Männer bot grösstes Skisport-Spektakel und endete aus helvetischer Sicht mit einem grandiosen Triumph „unseres“ Beat Feuz. Die Anforderungen auf der von Bernhard Russi konzipierten Abfahrtspiste lagen extrem hoch, ein Beleg dafür ist das Rekord-Durchschnittstempo von über 110 km/h des Siegers. Was dabei besonders auffällt: Routine hat sich gegen jugendliche Unbekümmertheit durchgesetzt! Welche Überlegungen die Sportpsychologie daraus für die Praxis ableitet, davon handelt dieser Text.
Zum Thema: Routine als Faktor im alpinen Skisport
Die Schweiz hält den Atem an, wenn die Olympia-Abfahrt (Männer wie Frauen!) auf dem Programm steht. Auf deutsche Verhältnisse übertragen dürfte es sich etwa so anfühlen, wie wenn die DFB-Elf im WM-Final antritt. Im besonderen Kontext der Alpenländer Schweiz und Österreich sind es jene Duelle wie einst zwischen Russi und Klammer – oder aktuell Matthias Mayer und Beat Feuz – , die die Massen elektrisieren. Entsprechend viel steht auf dem Spiel, wenn sich die wagemutigen Speedfreaks den Berg hinunter werfen!
Etwas weniger emotional, aber ebenso spannend ist ein Blick in die Hintergründe des olympischen Erfolgs im Abfahrtslauf. Ob jugendliche Unbekümmertheit oder gestandene Routine eher zum Erfolg führt, ist scheinbar eine kleine, letztlich aber eine wichtige Erkenntnis. Folgende Peking-Facts sprechen diesbezüglich eine deutliche Sprache:
– das Durchschnittsalter der Top-10 Abfahrer liegt bei 30,5 Jahren!
– das Durchschnittsalter der Medaillengewinner: beinahe 36 Jahre!
– nur zwei Junge – nämlich James Crawford (CAN, 4. Pl., 24-jährig) und Marco Odermatt (SUI, 7. Pl., 24-jährig) können mit den Routiniers mithalten.
Learnings: die Sportpsychologie hilft mit!
Aus sportpsychologischer Sicht leite ich daraus fünf Überlegungen ab, die in der Praxis des aktuellen alpinen Skisports Bedeutung haben sollten:
– Eine Karriere im Abfahrtssport darf dauern – wie das wunderbare Beispiel des 41-jährigen Silbermedaillen-Gewinners Johan Clarey eindrücklich belegt. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass genügend Zeit vorhanden ist, um talentierte Skirennfahrer langfristig, behutsam, geduldig und mit der gebotenen Portion Weitsicht an die Speed-Elite heranzuführen.
– Es gilt, bewusst Sorge zu tragen, hinsichtlich der eigenen psychophysischen Gesundheit, insbesondere im Zusammenhang mit einem erhöhten Unfallrisiko, sich bei Stürzen in der Abfahrt gravierend zu verletzen. Vordergründig scheint es um „gesunde Knie“ oder „hohe Risikobereitschaft“ zu gehen. Was aber Beat Feuz auch auszeichnet, sind Gelassenheit, Demut und eine offensichtliche Lebenszufriedenheit, die weit über sein Tun im Skirennsport hinausreicht;
– Mentale Unterstützung insbesondere auch junger Fahrer*innen im Bereich der Selbstwahrnehmung, Risikoeinschätzung sowie im Umgang mit Selbstzweifeln und Angst;
– Sensibler Umgang mit Sturzerlebnissen und Verletzungen, die durch Unfälle auf der Rennpiste entstanden sind. Dabei wirken sich auch schwerwiegende Stürze von Teammitgliedern auf die psychische Verfassung anderer Teammitglieder aus! Die Sportpsychologie hat sich u.a. im Bereich der mentalen Rehabilitation von Sportverletzungen etabliert;
– Entwicklung eines gezielten Mentorings junger Fahrer*innen durch die Teamroutiniers, wie es Marco Odermatt und Beat Feuz im Schweizer Team vorleben. Eine Massnahme, die in der Vorbereitung auf olympische Spiele von besonderer Tragweite sein kann!
Epilog: Feuz macht den Cuche
Zum Schluss einer brillanten Fahrt schwingt Beat Feuz mit Jubelpose im Zielraum ab. Und es folgt vielleicht die bemerkenswerteste Nebensächlichkeit seines glorreichen Auftritts: Feuz macht den Cuche! Die nach dem ehemaligen Schweizer Abfahrts-Champ Didier Cuche bezeichnet Geste des Abschnall-Propellers kann als Sinnbild dafür gelten, dass Beat Feuz nun endgültig im Olymp des Abfahrts-Skisports angekommen ist.
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