Viele sportliche Ziele, die ich mir in meinem Leben gesetzt habe, konnte ich bislang erreichen. Einige wenige nicht! Dazu gehören jetzt auch die 4-Trails in diesem Jahr. Dieses 4-Etappen Rennen über Teile der Alpen, in dem in vier Tagen ca. 110 Kilometer und 7500 Höhenmeter überwunden werden müssen. Anfang Juli bin ich dort gescheitert.
Zum Thema: DNF – eine Frage der Ursachenzuschreibung
Was war passiert? Die Vorbereitung lief Corona-bedingt …hmm, solala. Ich hatte mich zwar frühzeitig angemeldet, aber im vorigen Jahr fiel dieses Rennen aus und wurde auf 2021 verlegt und erst ca. sechs Wochen vor dem Start kam das „Go“ aus Österreich. Ich hatte also sechs Wochen für eine spezifische Wettkampfvorbereitung. Mir fehlten natürlich die Läufe im alpinen Gelände und ich konnte nur im Mittelgebirge trainieren. Und dennoch ging ich das „Risiko“ voller Vorfreude ein. Ich steigerte meine Laufumfänge, die Intensität jedoch nur etwas, was auch berufsbedingt nur in gewissen Grenzen möglich war. Meinen Streak wollte ich nicht abreißen lassen, also war tägliches Laufen weiterhin angesagt, jedoch deutlich vorsichtiger. Die Vorfreude auf diesen Wettkampf war wirklich groß, auch wenn ich in diesem Jahr ohne meine Frau teilnehmen musste. Diese gemeinsame Erfahrung im Jahr 2019 war wirklich sehr positiv emotional in meiner Erinnerung eingebrannt.
Ich überspringe mal viele Trainingstage und die Anreise und Organisation im Vorfeld und lande direkt in der ersten Etappe, die mit 27 Kilometern und 1750 zu überwindenden Höhenmeter zu Buche stand. Die Etappe begann sehr gut. Wetter super. Stimmung prächtig. Probleme bekam ich aber schon „relativ früh“, nachdem gut 1300 Höhenmeter und 15 Kilometer überwunden waren. Zum einen war mein Belastungspuls eigentlich zu hoch und ich bekam Krämpfe in beiden Oberschenkeln. Das war eine Erfahrung, die sich so noch nie hatte. Aber mit Magnesium (und ein paar Minuten Laufpause) bekam ich das alles gut in den Griff. Der Downhill lief ganz gut – keine Krämpfe, denn es ist ja auch eine andere muskuläre Belastung bergab und im Ziel fühlte sich alles ganz gut an.
Schläge ins Kontor
Im Hotel angekommen, gab es natürlich die geplanten Erholungsmaßnahmen, vor allen Dingen Essen und Trinken und viel Ruhe und Schlaf. Am Abend kam dann noch die Information, dass der Start für den kommenden Tag von 9 Uhr auf 6:30 Uhr vorverlegt wird, weil eine Gewitterfront für den Nachmittag erwartet wird. Das war der eigentliche „erste Schlag ins Kontor“. Das bedeutete für mich „Umplanen im großen Stil“. Der Streckenverlauf wurde geändert, Nahrungsaufnahme am morgen (Frühstück) fiel damit auch flach, denn Aufstehen war um 5 Uhr und um 6 Uhr musste ich ja schon im Startbereich sein (Kontrolle Pflichtgepäck und Briefing). Ich hatte mir noch zwei Semmeln eingesteckt, aber essen war so früh noch nicht drin.
Der Start erfolgte pünktlich und auch hier lief es erst einmal ganz okay über die ersten sechs oder sieben Kilometer. Dann – ziemlich plötzlich schoss mein Belastungspuls erneut in die Höhe, den ich auch nicht nach kurzen Pausen wieder runter bekam. Hinzu kamen nun auch noch Magenkrämpfe. Am ersten Verpflegungspunkt (VP) nach zehn Kilometern und 1000 Höhenmetern begann es mir, schwindelig zu werden. Der Arzt am VP 1 schaute mir in die Augen und kommentierte dies mit der Aussage: „Du siehst nicht gut aus – keine Farbe mehr im Gesicht und du siehst sehr wackelig aus.“ Also versuchte ich erst mal „runterzukommen“ und mich am Verpflegungsstand zu erholen. Nahrungsaufnahme, Trinken, Erholen. Nach zehn Minuten bekam ich meinen Puls immer noch nicht wirklich in den Griff. Auch mein Magen rebellierte weiter. Was nun tun mit noch weiteren 700 Höhenmetern im Anstieg und weiteren 16 Kilometern (inklusive eines technischen Downhills)? Ich wartete und begann Risiken abzuwägen. Nach weiteren zehn Minuten und keiner weiteren Veränderung meines Zustandes – und einem kurzen Telefonat mit meiner Frau – ging ich noch einmal zum Rennarzt. Während dieser mich „checkte“, kam ich zu dem Schluss, dass das Risiko weiter zu laufen, sehr viel höher ist, als das, was gegebenenfalls aus meinem nicht wirklich guten Zustand auf dem Spiel stand. Damit war mein drittes DNF in meinem Leben beschlossen. Das war emotional sicherlich eine schwere, aber wahrscheinlich notwendige und rational betrachtet richtige Entscheidung.
DNF als offene Wunde
Die darauf folgenden Tage musste ich diese Entscheidung und natürlich „das Große und Ganze“ mal auswerten. Emotional ist die Aufarbeitung eines DNF immer schwer. Man muss eben „rein in die offene Wunde“. Aber wenn ich nicht riskieren möchte, die Lust und die Leidenschaft am Trailrunning zu verlieren, war eine realistische Ursachenzuschreibung notwendig. Eine solche Ursachenzuschreibung ist im Erfolgsfall immer sehr viel leichter, weil man den Erfolg ja sehr gut auf sich und seine eigene Fähigkeiten zurückführen kann. Ändert man diese Zuschreibung aber im Misserfolgsfall nicht – und schreibt einen Misserfolg seinen fehlenden Fähigkeiten zu, dann verliert man sehr schnell und ziemlich komplett seine Leistungsmotivation.
Aus meiner sportpsychologischen Praxis weiß ich nur zu gut: Dass „sich Auseinandersetzen“ mit dem eigenen Scheitern ist eine emotional schwierige Aufgabe, aber kann eben im besten Fall dazu führen, dass man weiterhin motiviert bleibt. Ich habe einige Tage gebraucht, um zu erkennen, was ich im Vorfeld alles falsch gemacht habe und was schlussendlich dazu geführt hat, dass ich aussteigen musste. Es lag aber grundsätzlich nicht an meine grundlegenden Fähigkeiten, sondern situativ lief nicht wirklich alles gut und wenn ich einige wenige Fehler in Zukunft nicht mehr mache (Stichwort: Rechtzeitige Nahrungsaufnahme und vernünftiges Training im alpinen Gelände), dann sollte es das nächste mal wieder klappen mit einem erfolgreichen Rennen in Teil-Etappen über alpines Gelände. Nach knapp zwei Wochen der Analyse freue ich mich jedenfalls wieder darauf.
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